Gina Sanders © fotolia.de

Gina Sanders © fotolia.de

Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Steuerberatungsgesetz: Bundesverfassungsgericht verlangt konkrete Interessenkollision bei gewerblicher Tätigkeit

Nach dem Steuerberatungsgesetz sind gewerbliche Zweitberufe neben der steuerberatenden Tätigkeit nur ausnahmsweise zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die Anforderungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung am Maßstab des Art. 12 Abs.1 GG konkretisiert. Demnach müssen die Steuerberaterkammern in einer Einzelfallprüfung eine konkrete Interessenkollision feststellen. Eine abstrakte Beeinträchtigung von Berufspflichten reicht für die Versagung der Genehmigung nicht.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer aktuellen Entscheidung zu den Grundsätzen Stellung genommen, wann gewerbliche Tätigkeiten neben einer steuerberatenden Betätigung ausgeübt werden dürfen. Es hat dabei der bisher restriktiven Haltung der Steuerberaterkammern widersprochen.

Im entschiedenen Fall wollte ein Geschäftsführer bzw. Vorstand einer Unternehmensberatungsgesellschaft, der selbst nicht über die Qualifikation als Steuerberater verfügte, in eine Steuerberatungsgesellschaft als Teilhaber und Geschäftsführer eintreten. Letztlich untersagte die Kammer aber eine solche Doppelfunktion - und dass obwohl zwischenzeitlich schon eine Genehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG erteilt worden war.

Während die Instanzgerichte die Haltung der Kammer bestätigten, hielt das Bundesverfassungsgericht die Begründung der Ablehnung für zu pauschal und konkretisierte in seiner Entscheidung die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung bei Ausübung eines gewerblichen Zweitberufs: Wegen der Bedeutung der Berufsfreiheit müssen die Kammern jeweils eine Einzelfallentscheidung treffen und dürfen nicht pauschal wegen einer abstrakten Gefährdung der Steuerrechtspflege die Erlaubnis für eine gewerbliche Betätigung eines Steuerberaters versagen.

Nach dem Berufsrecht ist es Steuerberatern bzw. vertretungsberechtigten Personen von Steuerberatungsgesellschaften gem. § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG grundsätzlich untersagt, eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Allerdings können die Steuerberaterkammern von diesem generellen Verbot in begründeten Fällen absehen und eine Ausnahmegenehmigung erteilen: Es gilt das sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Hierum dreht sich die aktuelle Entscheidung des BVerfG.

Bisher hatten die Steuerberaterkammern Ausnahmegenehmigungen nur restriktiv erteilt und bereits bei abstrakter - und nicht erst konkreter - Gefahr einer Interessenkollision zwischen steuerberatenden und gewerblichen Tätigkeiten die Erlaubnis versagt. Dem ist das Bundesverfassungsgericht nun deutlich entgegengetreten.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts müssen für Steuerberater die gleichen Grundsätze hinsichtlich der Vereinbarkeit ihrer Berufsausübung mit einer gewerblichen Tätigkeit gelten wie für Rechtsanwälte.

Ausgangspunkt einer Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der beantragten Erlaubnis muss dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG sein. Dieses Grundrecht schützt u.a. die Berufsausübungsfreiheit. Der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung muss dabei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folgende Überlegung vorausgehen: Während mit der gesetzlichen Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision begegnet werden sollte, sei bei der Genehmigung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1, 2. Halbsatz StBerG darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die Verletzung von Berufspflichten ausgeschlossen werden kann.

Bei dieser Prüfung müssen die Steuerberaterkammern und die ggf. angerufenen Fachgerichte im konkreten Einzelfall untersuchen, ob beim Antragsteller nach den jeweiligen Umständen mit der Verletzung von Berufspflichten zu rechnen ist. Sie dürfen dabei aber nicht ohne nähere Feststellungen lediglich auf generelle Gesichtspunkte abstellen. Denn das muss nach dem Bundesverfassungsgericht bei der Übertragung auf andere Fälle regelmäßig zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG wegen einer dann zumindest vorliegenden abstrakten Gefährdung beruflicher Pflichten führen. Durch ein solches Vorgehen wird nach Ansicht des Gerichts der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift zu sehr verengt und unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des Antragstellers eingegriffen.

Die Kammern und Fachgerichte haben bei der Entscheidung über die beantragte Erlaubnis die Grundentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass eine gewerbliche Tätigkeit nicht schlechthin zu einer Gefährdung der Steuerrechtspflege führt.

In seiner Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht ferner fest, dass lediglich die Möglichkeit, durch die gleichzeitige Ausübung der gewerblichen und der steuerberatenden Tätigkeit an „nützliche" Unterlagen zu kommen, für eine Verweigerung der Erlaubnis nicht ausreichend ist. Im entschiedenen Fall durfte jedenfalls nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein aus der abstrakten Möglichkeit in der Position des Geschäftsführers an (vertrauliche) Unterlagen zu gelangen, auf die konkrete Gefahr der Verletzung von Berufspflichten geschlossen werden. Es muss vielmehr anhand konkreter Tatsachen im Einzelfall von der Steuerberaterkammer dargelegt werden, dass auch die konkrete Gefahr einer Interessenkollision besteht. Aus der abstrakten Gefahr muss also in dem zu beurteilenden Einzelfall eine konkrete geworden sein. Diese Entscheidungsfindung der Steuerberaterkammern ist von den Fachgerichten auf die Einhaltung der genannten Grundsätze zu überprüfen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist in seiner Deutlichkeit zu begrüßen, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bisherige Rechtslage bestätigt und lediglich die Vorgehensweise der Kammern und Fachgerichte bei der Überprüfung untersucht worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Kammern und angerufenen Fachgerichte nach dieser Entscheidung künftig diese Vorgaben umsetzen. Steuerberatern, die auch eine gewerbliche Tätigkeit ausüben wollen, ist daher zu raten, bei einer Versagung der Erlaubnis genau zu prüfen, ob die Kammer bzw. das Gericht tatsächlich auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt oder lediglich eine Entscheidung anhand von Überlegungen zu abstrakten Gefahren getroffen hat.

BVerfG, Beschl. v. 23.08.2013 - 1 BvR 2912/11

VGH Bayern, Beschl. v. 26.10.2011 - 7 ZB 11.1173

Quelle: Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht A. Scholz - vom 03.12.13