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EU-Kommission fordert Änderung des deutschen Erbschaftsteuergesetzes

Thema Erbschaftsteuergesetz: Die EU-Kommission hat Deutschland am 14.03.2011 dazu aufgefordert, die derzeit bestehenden Regelungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu ändern. Denn diese verstoßen in ungerechtfertigter Weise gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und diskriminieren die Bewohner anderer EU-Staaten.

Beanstandet werden Fälle, in denen der Verstorbene und der Erbe bzw. der Schenker und der Beschenkte im Ausland wohnen. Auch in solchen Fällen kann deutsche Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfallen, wenn beispielsweise inländischer Grundbesitz oder betriebliches Vermögen unentgeltlich den Besitzer wechselt. Dann greift die beschränkte Steuerpflicht, und es wird unabhängig von den verwandtschaftlichen Beziehungen lediglich ein einheitlicher Freibetrag von 2.000 € gewährt. Haben die Personen hingegen in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, können sie je nach Verwandtschaftsgrad einen persönlichen Freibetrag von mindestens 20.000 € ausschöpfen, der bei Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern auf den Maximalbetrag von 500.000 € ansteigt. Pro Kind beläuft sich der Freibetrag auf 400.000 €, bei Enkeln sind es 200.000 €. Somit kann es bei einem ausländischen Wohnsitz zu einer drastischen Mehrbelastung kommen.

Sollte die Kommission innerhalb von zwei Monaten, also bis Mitte Mai, keine zufriedenstellende Antwort erhalten, kann sie Deutschland beim EuGH verklagen. Die Richter in Luxemburg werden die Einordnung der Kommission aber mit großer Wahrscheinlichkeit teilen. Denn sie hatten die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuerregelung bereits in einem Urteil aus dem April 2010 beanstandet. Hierauf hat der heimische Gesetzgeber bislang nicht reagiert, obwohl es dazu insbesondere über das jüngst in Kraft getretene Jahressteuergesetz 2010 hinreichend Gelegenheit gab. Denn hierüber waren beispielsweise Beanstandungen des BVerfG zur Erbschaftsteuer in Bezug auf eingetragene Lebenspartnerschaften verfassungskonform korrigiert worden, während es hinsichtlich der beschränkten Steuerpflicht keine Veränderungen gab.

Der EuGH hatte vor knapp einem Jahr entschieden, dass diese Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit einen Verstoß gegen EU-Recht darstellt. Denn durch diese Regelung werden Bürger mit unterschiedlichem Wohnort auch unterschiedlich behandelt, was eine gravierende Benachteiligung für Erben oder Beschenkte mit ausländischem Wohnort darstellt. Der EuGH lehnte eine unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen ab, weil der Wohnort des Erben oder Beschenkten keinen objektiven Unterschied darstellt, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigt. Die Gleichbehandlung bezüglich der Steuerpflicht verlangt daher auch identische Freibeträge. Dagegen spricht auch nicht, dass Deutschland bei der beschränkten Steuerpflicht nur das Inlandsvermögen besteuert und daher Besitztümer jenseits der Grenze nicht erfassen kann.

Praxishinweis

Vertragsverletzungsverfahren sind in drei Stufen gegliedert:

  1. das vertrauliche Aufforderungsschreiben bzw. Mahnschreiben,
  2. die mit Gründen versehene Stellungnahme und
  3. die Anrufung des Gerichtshofs.

Nunmehr können Betroffene mit höheren Freibeträgen rechnen, für anstehende Erbschaften und Schenkungen sowie bereits vollzogene Zuwendungen, bei denen sich der Steuerbescheid noch ändern lässt oder noch keiner ergangen ist. Diese hohe Besteuerung kommt oft in Betracht, wenn Familien ins Ausland umziehen und anschließend inländische Immobilien oder Firmen den Besitzer wechseln.
Beispiel: Ein Ehepaar verbringt seinen Ruhestand in Spanien. Er verstirbt und hinterlässt seiner Gattin in Köln ein Mietshaus mit einem steuerlichen Wert von 800.000 €. Nach Abzug des Freibetrags von 2.000 € werden rund 150.000 € Erbschaftsteuer fällig. Würde das Paar hingegen in Deutschland wohnen, wären es lediglich 33.000 €.

Auch auf Zuwendungen vor der Erbschaftsteuerreform 2009 lässt sich das Urteil anwenden. Damals belief sich der Freibetrag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht nur auf 1.100 €.

Die anstehende Neuregelung ist übrigens auch für Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder relevant, die den Versorgungsfreibetrag beanspruchen können. Dieser steht nämlich derzeit ebenfalls nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zu.

EU-Kommission, Pressemitteilung v. 14.03.2011 - IP/11/294
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C 510/08

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 22.03.11