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Einkommensteuer -

Beschränkt Steuerpflichtige: Unwirksame Abzugsbeschränkung?

Verstößt die Regelung für beschränkt Steuerpflichtige in § 50 Absatz 1 Satz 3 EStG gegen europarechtliche Vorgaben? Das Finanzgericht Köln hat Zweifel, dass es mit der europäischen Niederlassungsfreiheit vereinbar ist, wenn Altersvorsorgeaufwendungen bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht bei der Einkommensteuer abzugsfähig sind. Die Antwort muss nun der EuGH in einer Vorabentscheidung geben.

Das Finanzgericht Köln (FG) hat in einer aktuellen Entscheidung den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu der Frage angerufen, ob Rentenbeiträge eines in Deutschland beschränkt Steuerpflichtigen an ein deutsches Versorgungswerk und eine private Rentenversicherung in Deutschland entgegen der derzeitigen Rechtslage als Sonderausgaben berücksichtigt werden können.

Ein Rechtsanwalt mit deutscher Staatsangehörigkeit hatte seinen alleinigen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien. Er war in Belgien als Rechtsanwalt bei einer international operierenden Kanzlei tätig und an dieser gesellschaftsrechtlich beteiligt. Aus dieser Tätigkeit erzielte er selbständige Einkünfte, die u.a. sowohl in Deutschland als auch in Belgien nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel zu versteuern waren. Daneben erzielte der Rechtsanwalt noch andere Einkünfte.

In Deutschland war er demnach beschränkt steuerpflichtig, zugelassen und Mitglied einer Anwaltskammer war er sowohl in Belgien als auch in Deutschland. Aufgrund seiner Rechtsanwaltszulassung war er zugleich Pflichtmitglied im zuständigen Versorgungswerk der Rechtsanwälte und zahlte Pflicht- und Zusatzbeiträge. Zudem leistete der Anwalt Beiträge an eine private Rentenversicherung in Deutschland.

Diese gezahlten Beiträge konnte der Anwalt weder in Deutschland noch in Belgien vollständig oder teilweise steuermindernd geltend machen. In Deutschland legte der Anwalt gegen den ablehnenden Steuerbescheid erfolglos Einspruch ein. Die anschließende Klage setzte das FG aus, um den EuGH anzurufen und klären zu lassen, ob diese Rechtslage mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV im Einklang steht.

Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch Sonderausgabenausschluss nach § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG

Wäre der Anwalt in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wären die geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen in Deutschland bis zum Höchstbetrag als Sonderausgaben abziehbar. Somit werden von in Deutschland beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen geleistete Beiträge zu Altersvorsorgeversicherungen nicht einheitlich besteuert. Daher hat das FG unionsrechtliche Bedenken, ob der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist von der Regelung betroffen. Denn die Regelung könnte den Anwalt derart in seiner Niederlassungsfreiheit beschränken, dass die nur Gebietsfremde betreffende steuerliche Benachteiligung in § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG ihn davon abhält, in Deutschland eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Regelung könnte ferner unbeschränkt steuerpflichtige Deutsche davon abhalten, außerhalb von Deutschland eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Dem FG erscheint es daher möglich, dass die Niederlassungsfreiheit beschränkt wird.

Mögliche Rechtfertigung des Eingriffs

Gebietsansässige und Gebietsfremde befinden sich hinsichtlich der direkten Steuern in einem Staat i.d.R. nicht in einer vergleichbaren Situation: Das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staats erzielt, stellt meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt. Die persönliche Steuerkraft eines Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, kann leichter an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen und Vermögensinteressen liegt. Dies ist i.d.R. der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person.

Versagt ein EU-Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, ist dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Lage und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend.

Allerdings liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn der Steuerpflichtige sein Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus der Beschäftigung im Mitgliedstaat der beschränkten Steuerpflicht erzielt und im Wohnsitzstaat keine ausreichenden Einkünfte erzielt, um dort einer Besteuerung unterworfen zu werden, bei der seine persönliche Lage und sein Familienstand berücksichtigt werden. Darauf hat der deutsche Gesetzgeber mit der Regelung in § 1 Abs. 3 EStG reagiert. Der Anwalt im Streitfall erfüllt aber nicht die tatbestandlichen Anforderungen dieser Vorschrift.

Jedoch befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in Bezug auf Aufwendungen, die unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, aus der die in einem Mitgliedstaat zu versteuernden Einkünfte erzielt wurden, in einer vergleichbaren Lage. Daher besteht die Gefahr, dass sich eine nationale Regelung, die Gebietsfremden bei der Besteuerung den Abzug solcher Aufwendungen verweigert, Gebietsansässigen aber gewährt, hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt und damit eine mittelbare Diskriminierung beinhaltet.

Aus diesem Grund wird im deutschen steuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs in § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, soweit er über den eng zu fassenden Kreis personen- und familienbezogener Besteuerungsmerkmale hinaus Wirkung entfaltet. Vielmehr soll aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine Differenzierung danach vorzunehmen sein, ob die Aufwendungen einen Einkommensbezug haben („objektives Nettoprinzip“) oder den persönlichen Lebensbereich und dessen „subjektive Leistungsfähigkeit“ betreffen. Aus diesem Grund bedarf es der Entscheidung durch den EuGH.

Praxishinweis

Die Entscheidung des FG ist von erheblicher Tragweite: Bei einer positiven Entscheidung des EuGH dürfte der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für beschränkt Steuerpflichtige insgesamt zu verwerfen sein. Das hätte zwangsläufig erhebliche steuerliche Auswirkungen, denn bei zahlreichen beschränkt Steuerpflichtigen dürfte dadurch die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer durch einen Sonderausgabenabzug u.U. erheblich vermindert werden. Jeder Steuerberater sollte bei beschränkt Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH beantragen.

FG Köln, Beschl. v. 03.08.2017 - 15 K 950/13

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht