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Betriebskostenabzug bei Insolvenz

Wann können Betriebskosten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens  abgezogen werden? Der BFH hat entschieden, dass ein nachträglicher Betriebskostenabzug dann möglich ist, wenn die Aufwendungen vom Steuerpflichtigen persönlich getragen wurden bzw. diesem zurechenbar sind. Auch in der Insolvenz gelten die Zurechnungsgrundsätze bei Zahlungen von einem Ehegatten-Gemeinschaftskonto („Oder-Konto“).

Eine Schuldnerin als Klägerin hatte ihre gewerbliche Tätigkeit im Rahmen einer Insolvenz eingestellt. Ihr zusammen veranlagter Ehemann zahlte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschiedene Darlehen zurück, die er teilweise allein und teilweise als Gesamtschuldner mit der Schuldnerin aufgenommen hatte. Die Zahlungen wurden von einem sogenannten Oder-Konto (also einem Gemeinschaftskonto, über das beide jeweils einzeln verfügen konnten) geleistet und sollten nachträgliche Betriebsausgaben darstellen. Das Finanzamt und das Finanzgericht lehnten dies ab, während der BFH dem teilweise stattgab.

Grundsätzlich Betriebsausgaben auch bei eröffneten Insolvenzverfahren

Für den BFH stellen die fraglichen Zahlungen grundsätzlich (nachträgliche) Betriebsausgaben dar. Denn bei Betriebsausgaben handelt es sich um Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine derartige Veranlassung setzt voraus, dass die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dazu bestimmt sind, dem Betrieb zu dienen. Dies ist bei Schuldzinsen der Fall, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört.

Dies gilt auch, wenn die Betriebsausgaben nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils entstehen. In diesem Fall handelt es sich um nachträgliche Betriebsausgaben aus der früheren betrieblichen Tätigkeit i.S.v. § 24 Nr. 2 EStG, auch wenn zwischenzeitlich die Insolvenz des Steuerpflichtigen eingetreten ist. Damit behält ein Schuldner auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, von ihm getätigte bzw. ihm zurechenbare Aufwendungen als Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG abzuziehen.

Abzugsmöglichkeit der Schuldnerin für die Zahlungen des Ehemannes

Voraussetzung für einen Abzug ist, dass der Steuerpflichtige die steuermindernd geltend gemachten Aufwendungen persönlich getragen hat, d.h. seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemindert worden ist. Es kommt somit darauf an, für wessen Rechnung eine Zahlung, die aus den gemeinsamen Mitteln erfolgte, geleistet worden ist – also welchem der beiden Ehegatten die von dem Oder-Konto abgeflossene Aufwendung (als Betriebsausgabe) zuzurechnen ist. Im Entscheidungsfall sieht der BFH jedoch keine Möglichkeit, sämtliche Zahlungen so zu würdigen, als ob sie auf Rechnung der Schuldnerin geleistet worden sind.

Die Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit der Schuldzinsen, die als Gesamtschuldner für die mit dem Ehemann geschlossenen Darlehensverträge geleistet worden sind, ist, dass eine tatsächliche Inanspruchnahme der Schuldnerin wahrscheinlich oder gar sicher ist. Wegen der Insolvenz der Schuldnerin ging der BFH davon aus, dass eine Inanspruchnahme der Schuldnerin unwahrscheinlich war.

Bezüglich der vom Ehemann allein aufgenommenen Darlehen kann die Schuldnerin ebenfalls keinen Schuldzinsenabzug vornehmen, denn durch die Abbuchungen zugunsten der Banken wurden keine Verbindlichkeiten der Schuldnerin, sondern ausschließlich eigene Verbindlichkeiten des Ehemannes für dessen eigene Rechnung beglichen.

In Betracht kommt jedoch ein Abzug der Schuldzinsen für Darlehen, die von beiden Ehegatten gemeinsam aufgenommen worden sind. Weil die Ehegatten gemeinsam ein gesamtschuldnerisches Darlehen aufgenommen haben, das den betrieblichen Zwecken nur eines von ihnen dienen soll, gelten die darauf entfallenden Schuldzinsen grundsätzlich in vollem Umfang als für Rechnung desjenigen Ehegatten aufgewendet, mit dessen Erwerb das Darlehen in Zusammenhang steht – auch bei Zahlung von einem Gemeinschaftskonto, zu dessen Guthaben beide Ehegatten beigetragen haben.

Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Mitteln die Zahlung im Einzelfall stammt, sofern – wie im Entscheidungsfall – keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind. An diesem Grundsatz hat sich auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts geändert; selbst dann nicht, wenn die Zahlungen nach den Bestimmungen der InsO anfechtbar sein sollten.

Der BFH stellt in diesem Fall klar, dass zum Betriebsaufgabenabzug nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist: Zunächst ist die Befugnis des Schuldners zu prüfen – kann er die Mittel, über die er verfügt hat, einer betrieblichen Zweckbestimmung zuweisen und damit steuerlich wirksame (ggf. auch nachträgliche) Betriebsausgaben tätigen? Wenn die fraglichen Verfügungen jedoch nicht zu den freien Mitteln zählen und zivil- bzw. insolvenzrechtlich anfechtbar sind, ist auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob entgegen dieser gesetzlichen Wertung ein Abzug nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gleichwohl vorzunehmen ist (§§ 40, 41 Abs. 1 AO).

Denn die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das Geschäft als wirksam behandeln und dessen wirtschaftliches Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Allerdings fehlten Feststellungen des Finanzgerichts dazu, daher wurde der Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen. In diesem Zusammenhang weist der BFH noch darauf hin, dass das Finanzgericht dabei auch zu klären hat, ob möglicherweise Überentnahmen i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG getätigt worden sein könnten. In diesem Fall wäre der Abzug von Schuldzinszahlungen, die an sich der betrieblichen Sphäre zuzuordnen wären, dennoch beschränkt.

Praxishinweis

Bei einer Insolvenz können Zahlungen des Schuldners auch dann (nachträgliche) Betriebsausgaben darstellen, wenn diese insolvenzrechtlich anfechtbar sind, die Beteiligten aber das wirtschaftliche Ergebnis der Zahlungen eintreten lassen. Der Rückgriff auf die §§ 40 und 41 AO ist systemgerecht und nachvollziehbar. Für Insolvenzschuldner wird insgesamt mit dieser Entscheidung die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schulden, die aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen, verbessert.

BFH, Urt. v. 03.02.2016 – X R 25/12

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz