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Neuer BMF-Erlass zur Übertragung von Kinderfreibeträgen

Das BMF hat einen aktuellen Anwendungserlass zur Übertragung von Kinderfreibeträgen veröffentlicht. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hatten sich ab dem Veranlagungszeitraum 2012 die Voraussetzungen für diese Übertragung geändert. Nun gibt das BMF weitere konkrete Hinweise zum Thema.

Es hatten sich vier gesetzliche Änderungen ergeben:

  1. Der Kinderfreibetrag von geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eltern steht beiden Elternteilen grundsätzlich je zur Hälfte zu. Voraussetzung für eine Übertragung des Kinderfreibetrags von einem Elternteil auf den anderen ist, dass ein Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nicht nachkommt. Nach vorheriger Rechtslage schied eine Übertragung aber dann aus, wenn der eine Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind war.

    Die Neufassung des EStG ermöglicht in diesen Fällen die Übertragung des Kinderfreibetrags. Es wird der Elternteil entlastet, der gezwungenermaßen allein für den Unterhalt des Kindes aufkommt. Eine Übertragung scheidet hingegen für den Elternteil aus, der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezieht; denn dieser kommt nicht allein für den Unterhalt des Kindes auf.

  2. Nach alter Rechtslage erfolgte die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf allein auf Antrag des Elternteils, bei dem das Kind gemeldet war. Auf eine Verletzung von Unterhaltspflichten des anderen Elternteils kam es nicht an. Nach der Neufassung ist ab 2012 eine Übertragung nicht möglich, wenn der andere Elternteil Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der andere Elternteil der Übertragung widerspricht, weil er Kosten für die Kinderbetreuung durch Dritte getragen hat.

    Auf diese Weise wird der Grundsatz der hälftigen Teilung der Freibeträge für Kinder gewährleistet. Es wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass in zunehmendem Maße in Trennungsfällen beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf ihres Kindes sicherstellen.

  3. Zuvor konnten die Kinderfreibeträge nur dann auf einen Stief- oder Großelternteil übertragen werden, wenn das Kind in dessen Haushalt aufgenommen wurde. Die neue Formulierung im EStG soll eine Übertragung auch dann ermöglichen, wenn Großeltern eine konkrete Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihren Enkelkindern trifft (z.B. mangels Leistungsfähigkeit der Eltern).

    Die Übertragung kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen. Diese Zustimmung kann nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden.

  4. Die Neuregelung zum Kinderfreibetrag hat auch Folgewirkungen auf die Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags. Denn dessen Übertragung vom behinderten Kind auf einen Elternteil ist jeweils an den Anspruch auf einen Freibetrag oder auf Kindergeld gekoppelt. Seit 2012 kann sich der betreuende Elternteil, der für den Unterhalt seines behinderten Kindes überwiegend allein aufkommt, neben dem Kinderfreibetrag auch den Behinderten-Pauschbetrag des Kindes in voller Höhe übertragen lassen.

Praxishinweis

Zu diesen geänderten Regelungen gibt der Anwendungserlass noch folgende zehn Sonderhinweise:

  1. Eine Übertragung der Freibeträge scheidet für solche Kalendermonate aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden. Auf die Höhe der Unterhaltsleistungen kommt es nicht an.

  2. Nachzahlungen sind auf die Kalendermonate zu verteilen, für die sie bestimmt sind.

  3. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.

  4. Es ist ausreichend, wenn eine Person der Übertragung durch Einspruch gegen seinen eigenen Steuerbescheid mit dem Ziel widerspricht, dass bei ihm der Freibetrag neu oder wieder angesetzt wird. Ist dieser widersprechende Protest sachlich gerechtfertigt, wird der Steuerbescheid desjenigen Elternteils, auf dessen Antrag der Freibetrag übertragen wurde, geändert.

  5. Als Kinderbetreuungskosten gelten nicht nur Aufwendungen für Dienstleistungen, sondern alle für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung des Kindes bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres. Hierzu zählen beispielsweise Aufwendungen für die regelmäßige Unterbringung an Wochenenden.

  6. Maßgebend für eine regelmäßige Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind. Der muss erkennen lassen, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnimmt, d.h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum Kind steht.

  7. Bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt, beispielsweise am Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern, liegt eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor.

  8. Die Tatsache, dass der Großelternteil, der die Übertragung beantragt, die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Enkelkind erfüllt, muss in geeigneter Weise (z.B. durch Vorlage von Zahlungsbelegen) nachgewiesen werden.

  9. Bei einer Aufnahme in den Haushalt erübrigt sich der Nachweis, dass der Großelternteil die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Enkelkind erfüllt.

  10. Bei einer Übertragung des Kinderfreibetrags ist stets der volle Behinderten- oder der volle Hinterbliebenen-Pauschbetrag zu übertragen, und zwar auch dann, wenn der Kinderfreibetrag nur für einen Teil des Kalenderjahres übertragen wird.

BMF-Schreiben v. 28.06.2013 - IV C 4 - S 2282-a/10/10002

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 16.07.13