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Erbschaftsteuer: Karlsruhe kippt Begünstigung von Firmenerben

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung von Firmenerben in ihrer derzeitigen Form für verfassungswidrig erklärt. Die Karlsruher Richter sind mit ihrem Urteil vom 17.12.2014 damit weitgehend den schon vom BFH geäußerten Bedenken zu den sog. „Verschonungsregeln“ gefolgt. Der Gesetzgeber hat jetzt bis Mitte 2016 Zeit, die Vorgaben aus Karlsruhe umzusetzen.

Das BVerfG hat nach der Vorlage des BFH die lange erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des ErbStG veröffentlicht. Erwartungsgemäß hat es bestimmte Regelungen, die zu einer steuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen führen, für verfassungswidrig erklärt. Im Einzelnen hat das Gericht dabei die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen grundsätzlich für zulässig erachtet und lediglich die konkrete Ausgestaltung in den §§ 13a und 13b sowie in § 19 ErbStG verworfen, aber eine moderate Übergangsfrist vorgesehen.

Vereinbarkeit der Verschonungsregelung mit dem GG

Die Verschonungsregelung der §§ 13a und 13 b ErbStG hält das BVerfG grundsätzlich für mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, sieht aber beim Übergang großer Unternehmensvermögen Korrekturbedarf.

Die Zielsetzung der Verschonungsregelung, insbesondere Unternehmen mit einem starken personellen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen zu schützen, indem durch die Steuerbegünstigung der Bestand und die Arbeitsplätze des Unternehmens nicht durch steuerbedingte Liquiditätsprobleme gefährdet werden, billigt das Gericht. Auf diese Weise führt die Verschonungsregelung zwar zu einer Ungleichbehandlung, die aber lediglich insoweit beanstandet wird, wie sie kleine und mittlere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung begünstigt. 

Überprüfung der Lohnsummenregelung

Das BVerfG billigt im Grundsatz auch die Lohnsummenregelung, weil diese das legitime Ziel verfolgt, Arbeitsplätze zu erhalten. Das vorrangige Ziel der Lohnsummenregelung sieht das Gericht in der Verwaltungsvereinfachung und billigt dieses an sich.

Die Lohnsummenregelung beinhaltet, dass die steuerliche Begünstigung an den Personalaufwand für die im Zeitpunkt der Übertragung vorhandenen Mitarbeiter als feste Größe gekoppelt ist. Dieser Aufwand muss dann, um die steuerliche Begünstigung zu erhalten, für einen bestimmten Zeitraum (5 bzw. 7 Jahre) beibehalten werden, wobei die Höhe des Aufwands, aber nicht die Anzahl der einzelnen Mitarbeiter beibehalten werden muss. Die Einführung dieser Lohnsummenregelung anstelle einer strikten Bindung an den Erhalt der konkreten Arbeitsplätze wird vom Gericht nicht beanstandet.

Jedoch moniert das Gericht die pauschale Freistellung von Betrieben, die bis zu 20 Beschäftigte haben. Allerdings bewertet es die jetztige Regelung als unverhältnismäßige Privilegierung von Erwerbern, die einen Betrieb mit bis zu 20 Beschäftigten übernehmen. Das BVerfG folgt in diesem Punkt der Argumentation des BFH: Nach dessen Ausführungen haben nahezu 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte und werden damit steuerlich begünstigt, ohne dass der Nachweis und die Kontrolle der Mindestlohnsumme vorzunehmen wären.

Das gesetzlich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis wird damit faktisch in sein Gegenteil verkehrt. Wenn dieses Verschonungskonzept beibehalten werden soll, ist es nach Ansicht des BVerfG erforderlich, die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten zu begrenzen. Allerdings nennt das BVerfG hierbei keine Höchstzahl der Beschäftigten.

Vereinbarkeit der Behaltensfrist

Ferner billigt das BVerfG auch die Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren, vor allem weil sie durch die Lohnsummenregelung und den Verwaltungsvermögenstest grundsätzlich angemessen ergänzt wird. Jedoch kritisiert das Gesetz die Regelung über das Verwaltungsvermögen. Die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehungen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, billigt das Gericht im Grundsatz.

Die Regelung wird aber beanstandet, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt steuerlich freigestellt wird. Eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögensbestandteilen, die das Gesetz eigentlich nicht als förderungswürdig ansieht, akzeptiert das BVerfG nicht; denn diese Regelung erachtet es als ungeeignet, das Ziel, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, zu erreichen.

Ergebnis dieser Beurteilung

Die gerügten Mängel des ErbStG sieht das BVerfG als so schwerwiegend an, dass die Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt verfassungswidrig sind. Auch § 19 Abs. 1 ErbStG, der die Besteuerung begünstigten und nicht begünstigten Vermögens einheitlich regelt, ist verfassungswidrig.

Die genannten Normen gelten allerdings bis zum 30.06.2016 fort. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung zu treffen. Jedoch begründet die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen nach Ansicht des BVerfG keinen Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung, die einer exzessiven Ausnutzung der verfassungswidrigen §§ 13a und 13b ErbStG entgegensteht.

Praxishinweis

Das BVerfG ist erwartungsgemäß der Einschätzung des BFH gefolgt und hat Vorschriften des ErbStG, die die Begünstigung von Betriebsvermögen betreffen, für verfassungswidrig erklärt, gleichzeitig aber dem Gesetzgeber eine Frist von ca. 18 Monaten zur Neuregelung eingeräumt. Das Gericht ist damit dem Gesetzgeber weit entgegengekommen, dem nun genügend Zeit zur Verfügung steht, um eine Neuregelung zu schaffen, und der gleichzeitig wegen der Fortgeltung des Gesetzes weiterhin ein gesichertes Steueraufkommen erwarten kann.

Allerdings kann sich die Entscheidung für Steuerpflichtige als nachteilig erweisen, die nach der Entscheidung des BVerfG Vermögen übertragen, das aufgrund der als verfassungswidrig eingestuften Normen steuerfrei ist. Das BVerfG verneint für solche Übertragungen einen Vertrauensschutz bei einer rückwirkenden Änderung durch den Gesetzgeber. Das BMF hat schon in seiner ersten Stellungnahme konsequenterweise angekündigt, auch weiterhin alle Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide vorläufig zu erlassen, um ggf. nachträglich noch eine abweichende Besteuerung vornehmen zu können.

Für die Beratungspraxis ist die Entscheidung damit recht problematisch, weil sämtliche nach jetzigem Recht steuerfreien Übertragungen bei einer Änderung durch den Gesetzgeber rückwirkend steuerpflichtig werden können. Das Risiko dieser Rechtsunsicherheit sollte bei künftigen Übertragungen berücksichtigt werden. Insoweit sollte, wenn die Gestaltung lediglich dazu dient, steuerliche Vorteile auszunutzen, ggf. abgewartet werden, bis die ersten Entwürfe des Gesetzgebers bekannt sind.

Wenn eine Gestaltung aber aus anderen Sachgründen, die ein Abwarten nicht zulassen, durchgeführt werden soll, wird trotz der Rechtsunsicherheit gestaltet werden müssen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber eine ausgewogene Neuregelung finden wird, die nicht erneut dem BVerfG vorgelegt werden muss und keine allzu lange Rückwirkung entfaltet.

BVerfG, Urt. v. 17.12.2014 - 1 BvL 21/12
BFH, Beschl. v. 27.09.2012 - II R 9/11

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz


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