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Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit trotz Verjährung?

Kann der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten den nun gegen ihn selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit geltend machen? Nach dem BFH kann der Pflichtteilsberechtigte als Alleinerbe die Geltendmachung des Pflichtteils zwar fiktiv nachholen - das gilt jedoch nicht, wenn der aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt war.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 05.02.2020 (II R 17/16) entschieden, dass die Fiktion gem. § 10 Abs. 3 ErbStG nicht so weit reicht, dass auch ein zivilrechtlich verjährter und eigentlich durch Konfusion erloschener Pflichtteilsanspruch noch als Nachlassverbindlichkeit geltend gemacht werden kann.

Sachlage im Streitfall

Der Kläger war der Alleinerbe seiner Stiefmutter, die im Jahr 2014 verstarb. Sein leiblicher Vater war zuvor im Jahr 2003 verstorben. Sein Vater und seine Stiefmutter hatten sich testamentarisch gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Der Kläger sollte den zuletzt Überlebenden beerben.

Der Kläger verzichtete im Jahr 2003 auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. In der Steuererklärung für die Erbschaft seiner Stiefmutter im Jahr 2014 setzte der Kläger jedoch den Pflichtteilsanspruch aus der Erbschaft seines Vaters als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG an. Das Finanzamt (FA) erkannte den Pflichtteilsanspruch jedoch nicht als Nachlassverbindlichkeit an.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Erbschaftsteuerbescheid gerichteten Klage mit der Auffassung statt, dass ein gegen sich selbst gerichteter Pflichtteilsanspruch noch geltend gemacht werden kann, auch wenn dieser bereits verjährt ist. Der BFH gab der vom FA eingelegten Revision statt und hob das Urteil des FG auf.

Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG

Als Nachlassverbindlichkeit kann gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG u.a. auch eine Verbindlichkeit aus geltend gemachten Pflichtteilen geltend gemacht werden. Der Pflichtteilsberechtigte ist im Gegenzug gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 dritte Alternative ErbStG verpflichtet, den Pflichtteilsanspruch als Erwerb von Todes wegen zu versteuern, wenn er gegenüber den anderen Erben eingefordert wird.

Das bloße Bestehen eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs führt noch zu keiner Steuerpflicht und kann von den anderen Erben in diesem Fall auch nicht als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG geltend gemacht werden.

Verstirbt der Erbe, welcher zur Auszahlung des potentiellen Pflichtteilsanspruchs verpflichtet wäre, geht der zivilrechtliche Anspruch gegen ihn auf dessen Erben über. Dies gilt auch, wenn der Erbe zugleich der Pflichtteilsberechtigte ist und dieser die Forderung gegen sich selbst geltend machen muss.

Ist der Pflichtteilsanspruch jedoch zivilrechtlich verjährt, ist ein Abzug nach der Auffassung des BFH nicht mehr möglich. Der Pflichtteilsanspruch kann in diesem Fall zwar grundsätzlich noch geltend gemacht werden, allerdings ist der Schuldner dazu berechtigt, die Leistung aufgrund der eingetretenen Verjährung zu verweigern.

Wird der Pflichtteilsanspruch jedoch in einer Hand vereinigt, besteht dieser zwar zivilrechtlich fort und kann grundsätzlich auch geltend gemacht werden, ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit ist jedoch nicht möglich.

Praxishinweis

Der BFH bestätigt mit dieser Rechtsprechung seine bereits in dem am 09.07.2020 veröffentlichten BFH-Urteil geäußerte Auffassung, dass verjährte Pflichtteilsansprüche, die eigentlich durch Konfusion erloschen sind, nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden können.

Steuerpflichtige sollten jedoch stets prüfen, ob der Pflichtteilsanspruch gegen den zuletzt lebenden Elternteil noch geltend gemacht werden kann. Ist ein Pflichtteilsanspruch zwischenzeitlich von der Verjährung bedroht, so kann dieser geltend gemacht und zinslos gestundet werden, um den Steuervorteil durch Inanspruchnahme des weiteren Freibetrags vollständig auszuschöpfen.

Steuerberater sollten in diesem Zusammenhang bei der Nachfolgeplanung auch das Urteil des BFH vom 07.12.2016 (II R 21/14) beachten. Nach diesem gehört ein nicht geltend gemachter ererbter Pflichtteilsanspruch zum Nachlass und unterliegt somit der Besteuerung.

BFH, Urt. v. 05.02.2020 - II R 17/16

Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater und Diplom-Finanzwirt (FH)