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Grunderwerbsteuer: Wann werden spätere Bebauungen berücksichtigt?

Was bedeutet es für die Grunderwerbsteuer, wenn ein Grundstück nachträglich bebaut wird? Auch Bauprojekte, die sich auf den Kauf und die Bebauung von Grundstücken richten, können berücksichtigt werden. Wenn ein „Generalübernehmervertrag“ allerdings nach Abschluss des Kaufvertrags in wesentlichen Punkten geändert wird, liegt kein einheitliches Vertragswerk mehr vor, hat der BFH entschieden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, in welchen Fällen bei der Grunderwerbsteuer von einem einheitlichen Vertragswerk auszugehen ist und unter welchen Voraussetzungen – trotz anschließender Bebauung – lediglich der Wert des unbebauten Grundstücks der Besteuerung zugrunde zu legen ist.

Eine GbR, deren Unternehmensgegenstand darin bestand, Immobilien zu erwerben, zu bebauen sowie zu verwalten, hatte in einer Anlage zu ihrem Gesellschaftsvertrag die zu erwerbenden Grundstücke sowie Vertragsangebote mehrerer Unternehmen zur Durchführung des Bauvorhabens und zur Vermietung aufgelistet. Dazu gehörte unter anderem ein Angebot der W-GmbH auf Abschluss eines Generalübernehmervertrags.

Die Gesellschafterversammlung beschloss, die in der Anlage zum GbR-Vertrag aufgeführten Vertragsangebote mit Ausnahme des Angebots auf Abschluss des Generalübernehmervertrags mit der W-GmbH anzunehmen und die entsprechenden Grundstückskaufverträge abzuschließen. Im Kaufvertrag war das beabsichtigte Bauvorhaben der GbR genauso beschrieben wie im Angebot der W-GmbH auf Abschluss des Generalübernehmervertrags.

Einige Monate später nahm die GbR den Generalübernehmervertrag an, allerdings wurde abweichend vom ursprünglichen Angebot die Errichtung von zusätzlichen Gebäuden vereinbart, wodurch sich die Baukosten um 12 % erhöhten.

Das Finanzamt (FA) zog für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer zunächst nur die unbebauten Grundstücke heran, ging aber im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass der Wert der insgesamt erworbenen Grundstücke in bebautem Zustand zu besteuern sei, und erhöhte die Grunderwerbsteuer entsprechend. Einspruch und Klage blieben in diesem Punkt erfolglos. Der BFH sah dies anders.

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer: einheitlicher Gegenstand

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt als Gegenleistung unter anderem der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich die Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.

Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.

Indizien für einen solchen objektiv sachlichen Zusammenhang liegen vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem Preis angeboten hatte, der im Wesentlichen feststeht, und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat. Abweichungen von der ursprünglichen Planung der Veräußererseite, die den üblichen Rahmen nicht überschreiten, schließen den objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht aus.

Kein einheitlicher Gegenstand bei wesentlichen Abweichungen von der ursprünglichen Planung

Beruht der Vertrag zur Bebauung eines Grundstücks auf einem Angebot der Veräußererseite, das nach dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags geändert wurde, liegen Indizien für eine wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Angebot vor, wenn sich dadurch die Flächengrößen oder die Baukosten um mehr als 10 % verändern. Daraus ergibt sich zugleich, dass eine wesentliche Abweichung vorliegen kann, wenn sich eine der Bezugsgrößen um mehr als 10 % ändert. Entsprechendes gilt, wenn der tatsächlich abgeschlossene Vertrag zur Bebauung des Grundstücks nicht nur ein Gebäude mit einer geänderten Fläche oder höheren Baukosten aufweist, sondern abweichend vom ursprünglichen Angebot ein zusätzliches Gebäude umfasst.

Die Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes kann ebenfalls als Indiz für eine wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Angebot zu werten sein. Ist das zusätzliche Bauwerk derart prägend oder maßgebend für das gesamte Bauvorhaben, dass sich dadurch der Charakter der Baumaßnahme ändert, kann allein aufgrund des zusätzlichen Bauwerks eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Angebots vorliegen, selbst wenn durch das zusätzliche Gebäude die 10-%-Grenze für die Flächen und die Baukosten nicht überschritten wird.

Ändert sich die ursprünglich angebotene Baumaßnahme nach dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags durch zusätzliche Bauten wesentlich, liegt nach Ansicht des BFH kein einheitlicher Erwerbsgegenstand vor, und zwar unabhängig davon, ob daneben die weiteren, im ursprünglichen Angebot bereits enthaltenen Gebäude im Wesentlichen wie geplant errichtet werden. Zu vergleichen sind das ursprüngliche Angebot zur Bebauung und der spätere Vertragsabschluss. Bei diesem Vergleich sind die im Vertrag zusätzlich aufgenommenen Bauten zu berücksichtigen.

Einschränkung der Bauplanung durch den Grundstückskaufvertrag

Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen, die zur Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands führen, liegt auch vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten kann. Eine solche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben.

Eine Bindung wegen vorheriger Absprachen des Grundstückserwerbers mit der Veräußererseite erfordert, dass der Grundstückserwerber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung, ob er einen Bauvertrag mit einem Auftragnehmer, der der Veräußererseite zuzurechnen ist, abschließt, nicht mehr frei war. Faktische Zwänge, die zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit führen, können sich daraus ergeben, dass der jeweilige Erwerber bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen war, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken. Dies kann beispielsweise bei Eigentumswohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz der Fall sein.

Allein der Zusammenschluss mehrerer Personen in einer Gesellschaft zur Verwirklichung eines Bauprojekts genügt nicht, um eine faktische Bindung anzunehmen. Vielmehr müssen weitere Verträge abgeschlossen werden, die die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ der Bebauung einschränken.

Gibt der Grundstücksveräußerer oder ein zur Veräußererseite gehörender Bauunternehmer vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags ein bindendes Angebot zur Bauerrichtung ab, wird dadurch das „Wie“ der Bebauung konkretisiert. Wird nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags das ursprüngliche Angebot wesentlich geändert und nimmt der Grundstückserwerber das geänderte Angebot zur Bauerrichtung an, ist dies ein Indiz dafür, dass er bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags an das „Wie“ der Bebauung nicht gebunden war.

Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand als einheitlichen Erwerbsgegenstand zu verschaffen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands gelten auch beim Kauf mehrerer Grundstücke von verschiedenen Veräußerern. In diesem Fall liegen so viele Steuerfälle vor, wie Grundstücke gekauft werden. Für jeden einzelnen dieser Steuerfälle wird eine mögliche personelle, wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Einbindung des jeweiligen Veräußerers gesondert geprüft.

Kein einheitlicher Erwerbsgegenstand im Streitfall

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die GbR das Grundstücksareal in unbebautem Zustand erworben mit der Folge, dass die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind. Für ein einheitliches Vertragswerk fehlt es nach Ansicht des BFH an einem objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag mit der M-GmbH und dem Generalübernehmervertrag mit der W-GmbH. Der Generalübernehmervertrag beruht auf einem erst nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags wesentlich geänderten Angebot. Die Änderung des Angebots ergibt sich aus der Erhöhung der Baukosten um rund 12 %.

Die GbR war auch nicht an das „Ob“ und „Wie“ der Bebauung gebunden. Sie hat nicht das ursprüngliche Angebot der W-GmbH auf Abschluss des Generalübernehmervertrags, sondern das wesentlich geänderte Angebot angenommen. Aus diesen Gründen gab der BFH der Klage in diesem Punkt statt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH fasst ausführlich alle bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zusammen, wie die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer zu ermitteln ist. Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalls – dies macht zwar im Vorfeld die Beurteilung, wie das Finanzamt entscheiden wird, schwierig, aber der BFH hat die für ihn maßgeblichen Entscheidungsgesichtspunkte eindeutig festgelegt: Liegt eine wesentliche Abweichung von der ursprünglichen Planung vor oder besteht eine Bindung durch den Grundstückskaufvertrag für die nachfolgende Bebauung? Der Praxis ist damit ein Stück Rechtssicherheit gegeben worden. Gleichwohl wird es sicherlich auch künftig Streit zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen geben, ob auch das errichtete Gebäude der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen ist.

BFH, Urt. v. 08.03.2017 - II R 38/14

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht