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Körperschaftsteuer -

Kapitalertragsteuer: Zulässige Rücklagen bei Betrieben gewerblicher Art

Wann dürfen bei Regiebetrieben, die öffentliche Träger als Betriebe gewerblicher Art (BgA) führen, Rücklagen gebildet werden? Und kann so die Kapitalertragsteuerpflicht vermieden werden? Der BFH hat entschieden, dass es bei einem BgA für die Frage, ob ein Gewinn den Rücklagen zugeführt worden ist, darauf ankommt, ob die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei aktuellen Entscheidungen dazu Stellung genommen, ob die Bildung von Rücklagen im Regiebetrieb einer kommunalen Trägerkörperschaft bzw. einer Verbandskörperschaft zulässig ist.

In dem einen Besprechungsfall unterhielt eine kommunale Gebietskörperschaft einen Regiebetrieb „Schwimmbäder“, der steuerlich als Betrieb gewerblicher Art (BgA) geführt wurde und auf der Grundlage seiner kameralistischen Buchführung freiwillig Jahresabschlüsse erstellte. Der BgA erzielte in den Streitjahren handelsrechtliche Jahresüberschüsse. Diese Jahresüberschüsse wurden im jeweiligen Folgejahr als Gewinnvortrag ausgewiesen, um Mittel zur Modernisierung und Sanierung der Bäder anzusammeln.

Im zweiten Besprechungsfall unterhielt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die als Berufsverband tätig ist, einen BgA. Die in den Handelsbilanzen des Berufsverbands ermittelten Jahresüberschüsse wurden in die (satzungsmäßigen) Gewinnrücklagen eingestellt.

In beiden Fällen entstand Streit darüber, ob die Gewinne in Rücklagen eingestellt worden seien, die eine Kapitalertragsteuerpflicht vermeiden. Die Finanzgerichte gingen jeweils von einer zulässigen Rücklagenbildung aus.

Ausschüttungsfiktion des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört u.a. der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines BgA i.S.d. § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Weitere Voraussetzungen sind, dass der BgA nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist und seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder mehr als 350.000 € Umsatz im Kalenderjahr bzw. mehr als 30.000 € Gewinn im Wirtschaftsjahr generiert.

Die spätere Auflösung der Rücklagen zu Zwecken außerhalb des BgA führt ebenfalls zu einem Gewinn. Die Regelungen enthalten eine Ausschüttungsfiktion, da aufgrund der fehlenden rechtlichen Selbständigkeit des BgA keine tatsächlichen Ausschüttungen möglich sind. Soweit für diese fiktiven Ausschüttungen Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten, liegen keine steuerpflichtigen Einkünfte vor.

Im Ergebnis soll für juristische Personen des öffentlichen Rechts und deren wirtschaftliche Betätigung in der Form eines rechtlich unselbständigen BgA eine zweite Besteuerungsebene geschaffen werden, die aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit zu einer ähnlichen Gesamtsteuerbelastung wie bei Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern führt. Für diese Einkünfte fällt Kapitalertragsteuer an, die abgeltende Wirkung hat und in den Streitjahren 10 % beträgt.

Entstehung der Kapitalertragsteuer

Die Kapitalertragsteuer für Gewinne des BgA entsteht zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung, spätestens jedoch acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres. Davon zu trennen ist der Zufluss der Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Trägerkörperschaft. Im Fall eines Regiebetriebs fließen diese Einkünfte zeitgleich (phasenkongruent) mit der Entstehung der Gewinne zum Abschluss des jeweiligen Wirtschaftsjahres zu, im Fall eines Eigenbetriebs dagegen grundsätzlich erst im Folgejahr.

Dies folgt aus den unterschiedlichen haushalterischen Grundlagen. Während Eigenbetriebe finanzwirtschaftlich Sondervermögen der Trägerkörperschaft sind, deren Gewinn erst dann in den allgemeinen Haushalt der Trägerkörperschaft überführt wird, wenn dies das hierfür zuständige Gremium beschließt, fließen Einnahmen der Regiebetriebe unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft und Ausgaben werden unmittelbar aus dem Haushalt der Trägerkörperschaft bestritten.

Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG

§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist nicht auf die BgA kommunaler Gebietskörperschaften beschränkt, sondern gilt aufgrund des allgemeinen Verweises auf § 4 KStG auch für BgA anderer Körperschaften. Entsprechendes gilt für die Unterscheidung zwischen Eigen- und Regiebetrieben, da hierbei nicht auf das Haushaltsrecht abgestellt wird, sondern auf die Frage, ob ein finanzwirtschaftliches Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit gebildet worden ist.

Maßgebend als „Gewinn“ i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG sind die handelsrechtlichen Jahresüberschüsse i.S.d. § 275 HGB. Deshalb ist insbesondere keine Steuerfreistellung für Dividenden gem. § 8b Abs. 1 KStG zu berücksichtigen. Von zentraler Bedeutung sind daher die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zutreffenden Jahresergebnisse.

Das Ziel einer Gleichbehandlung sämtlicher BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit Kapitalgesellschaften spricht für ein steuerrechtliches Verständnis der Rücklagen, das grundsätzlich sowohl für Eigen- als auch für Regiebetriebe gilt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Annahme der kapitalertragsteuerpflichtigen Ausschüttung bei einem BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit lediglich auf einer Fiktion beruht. Damit ist auch die Ausnahme der Zuführung zu den Rücklagen nur eine Fiktion, die nicht allein unter Hinweis auf die tatsächliche unmittelbare Verfügungsbefugnis der Trägerkörperschaft verneint werden kann.

Durchführung einer Zuführung zu den Rücklagen

Die Zuführung zu den Rücklagen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG setzt darüber hinaus weder den formalen Ausweis als handelsbilanzielle Rücklage i.S.d. § 272 HGB noch eine haushaltsrechtlich bindende Mittelreservierung auf Ebene der Trägerkörperschaft voraus. Für eine entsprechende Einschränkung der vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumten Dispositionsbefugnis ist in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG ebenfalls keine ausreichende gesetzliche Grundlage erkennbar.

Gewinne gelten schon dann als den Rücklagen zugeführt, wenn sie nicht durch einen Ausschüttungsbeschluss oder durch eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Trägerkörperschaft für Zwecke außerhalb des BgA überführt worden sind. Damit reicht grundsätzlich jedes „Stehenlassen“ der handelsrechtlichen Gewinne als Eigenkapital für Zwecke des BgA aus, unabhängig davon, ob dies in der Form der Zuführung zu den Gewinnrücklagen, als Gewinnvortrag oder unter einer anderen Position des Eigenkapitals geschieht.

Auch für Liquiditätsabflüsse an die Trägerkörperschaft, beispielsweise durch Gewährung eines Darlehens des BgA an die Trägerkörperschaft, gelten grundsätzlich keine weiteren Einschränkungen. Dies folgt zum einen aus der Anknüpfung der Ausschüttungsfiktion des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG an die bilanzielle Größe des handelsrechtlichen Jahresüberschusses, für den Liquiditätsüberlegungen grundsätzlich keine Rolle spielen, und zum anderen aus der grundsätzlichen Anerkennung von Rechtsbeziehungen zwischen dem BgA und seiner Trägerkörperschaft.

Allerdings sind im Verhältnis zwischen Trägerkörperschaft und BgA die für Kapitalgesellschaften und deren Alleingesellschafter entwickelten Grundsätze über vGA entsprechend anwendbar, wobei aufgrund der rechtlichen Identität zwischen Trägerkörperschaft und BgA die zivilrechtliche Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts keine Rolle spielen kann.

Da in beiden Besprechungsfällen die Gewinne in den Jahresabschlüssen als Eigenkapital ausgewiesen wurden, konnten diese als den Rücklagen zugeführt eingeordnet werden, so dass keine Kapitalertragsteuer abzuführen war.

Praxishinweis

Der BFH hat mit beiden Entscheidungen für Klarheit gesorgt, wann bei einem BgA – unabhängig davon, ob es sich um einen Regie- oder Eigenbetrieb handelt – der Gewinn den Rücklagen zugeführt worden ist. Es muss sich weiterhin um Eigenkapital des BgA handeln. Jeder BgA bzw. dessen Berater kann sich für die Abschlüsse der Vergangenheit bzw. für die Zukunft an diesen Entscheidungen orientieren, um seine Kapitalertragsteuerpflicht zu klären.

BFH, Urt. v. 30.01.2018 - VIII R 42/15 und VIII R 15/16

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht