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Auch Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis erhalten Kindergeld

Nach § 62 Abs. 2 EStG in der für 1996 – 2004 geltenden Fassung hat ein Ausländer grds. nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Das Nds. Finanzgericht hatte in seiner Entscheidung vom 23.01.2006 (16 K 12/04) darüber zu befinden, ob einem Ausländer, der weder über eine Aufenthaltsberechtigung, noch eine Auf-enthaltserlaubnis verfügte, für seine drei Kinder Kindergeld zustand.

Einen entsprechenden Aufenthaltstitel besaß der Kläger im Streitfall nicht. Es lag in seiner Person lediglich ein Abschiebungshindernis aus humanitären Gründen nach § 53 Abs. 4 AuslG vor. Das Nds. Finanzgericht hat dem Klagebegehren gleichwohl entsprochen.

Hintergrund der Entscheidung:

Hintergrund dafür war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2004: Das BVerfG hatte darin die dem § 62 Abs. 2 EStG entsprechende Vorgängervorschrift in § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Durch diese Vorschrift würden – so das BVerfG - willkürlich einzelne Eltern aus dem Kreis der Kindergeldberechtigten ausgeschlossen. Das BVerfG hatte dem Gesetzgeber gleichzeitig eine Frist bis zum 01.01.2006 gesetzt, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Sollte der Gesetzgeber innerhalb dieser Frist nicht tätig werden, komme - so das BVerfG - das bis zum 31.12.1993 geltende Recht wieder zur Anwendung. Danach bestand ein Kindergeldanspruch, wenn der Ausländer nach §§ 51,53 und 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden konnte und sich mindestens für ein Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhielt.

Der Gesetzgeber hat auf die Fristsetzung des BVerfG nicht reagiert.

Das Nds. Finanzgericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass § 62 Abs. 2 EStG aus den gleichen Gründen wie § 1 Abs. 3 BKGG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Unter Übertragung der Entscheidung des BVerfG auf die kindergeldrechtlichen Vorschriften des EStG legt es § 62 Abs. 2 EStG verfassungskonform dahingehend aus, dass der Kindergeldanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn kein Abschiebungshindernis nach §§ 51, 53 oder 54 AuslG besteht oder der Ausländer sich nicht mindestens ein Jahr in Deutschland aufhält.

Das Gericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Ein Revisionsaktenzeichen des BFH liegt noch nicht vor.

Urteil des Niedersächsischen FG (16 K 12/04)

Quelle: Niedersächsisches FG - Pressemittteilung vom 14.02.06