Steuerberatung -

Keine Doppelsteuer für Testamentsvollstrecker

Die Europäische Kommission fordert Deutschland förmlich auf, seine Rechtsvorschriften über den Ort der Besteuerung der Dienstleistungen von Testamentsvollstreckern zu ändern.

Als Ort der Dienstleistung eines Testamentsvollstreckers gilt nach deutschem Recht der Ort, von dem aus der Unternehmer seine Leistungen erbringt. Nach Auffassung der Kommission sind diese Dienstleistungen jedoch mit den Tätigkeiten eines Rechtsanwalts vergleichbar und nach der Mehrwertsteuer-Regelung der Europäischen Gemeinschaft folglich am Wohn- bzw. Niederlassungsort des Kunden zu besteuern.

Die deutsche Auslegung könnte zu einer Doppelbesteuerung führen. Bei der Aufforderung der Kommission handelt es sich um eine mit Gründen versehene Stellungnahme – die zweite Stufe im Verstoßverfahren gemäß Artikel 226 des EG-Vertrags. Wenn Deutschland seine Steuervorschriften nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der begründeten Stellungnahme hinreichend ändert, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

EU-Recht:
Nach Artikel 9 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie (77/388/EEC) gilt als Ort, an dem eine Dienstleistung erbracht und daher besteuert wird, in der Regel der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat. Von dieser Grundregel sind allerdings mehrere Dienstleistungen ausgenommen, unter anderem die Abtretung nicht körperlicher Gegenstände wie etwa Dienstleistungen von Rechtanwälten oder ähnliche Dienstleistungen. Zwar richtet sich in diesen Fällen der Ort der Dienstleistung und somit der Besteuerung jeweils danach, wo der Kunde seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hat und welche Rechtsstellung der Dienstleistungsempfänger besitzt. Generell gilt bei Lieferungen nicht körperlicher Gegenstände jedoch das Land des Dienstleistungsempfängers als Ort der Dienstleistung.

Deutsches Recht:
Nach den Verwaltungsvorschriften der deutschen Steuerbehörden gelten Dienstleistungen von Testamentsvollstreckern immer als an dem Ort erbracht, an dem diese ihre Tätigkeit ausüben. Infolgedessen erbringen aus deutscher Sicht auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die als Testamentsvollstrecker auftreten, diese Dienstleitungen am Ort ihrer Niederlassung und nicht am Ort des Dienstleistungsempfängers. Als Begründung verweisen die deutschen Behörden darauf, dass ein Testamentsvollstrecker in der Regel keine beratende Tätigkeit ausübe wie ein Rechtsanwalt. Überdies dienten die Dienstleistungen eines Rechtsanwalts und die eines Testamtensvollstreckers unterschiedlichen Zwecken.


Nach Auffassung der Kommission verstößt das Vorgehen der deutschen Steuerbehörden gegen Artikel 9 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie und deckt sich zudem nicht mit dem der anderen Mitgliedstaaten. Die Aufgaben eines Testamentsvollstreckers zählen gerade zu den Tätigkeiten, die in der Regel und in erster Linie von Rechtsanwälten ausgeübt werden. Entscheidend ist die Art der Dienstleistung. Außerdem ist aus Sicht der Kommission die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers in jeder Hinsicht mit der eines Rechtsanwalts vergleichbar. Beide verfolgten denselben Zweck, nämlich die Interessen einer Person zu vertreten und zu verteidigen.

Quelle: Europ. Kommission - Pressemitteilung vom 16.01.06