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Berichtigung der Steuererklärung: BMF ergänzt Anwendungserlass

Das BMF hat den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) um eine Erläuterung zur Berichtigung von Erklärungen ergänzt. Dabei geht es um die Regelung des § 153 AO, wonach Steuerpflichtige unverzüglich ihre Steuererklärung berichtigen müssen, wenn sie erkannt haben, dass diese fehlerhaft war. In der Praxis kann dadurch die Abgrenzung zwischen Berichtigung und Selbstanzeige erleichtert werden.

Die mit dem BMF-Schreiben vom 23.05.2016 neu aufgenommenen Regelungen im Anwendungserlass zur AO (AEAO) erläutern den Anwendungsbereich des § 153 AO näher. Diese Vorschrift sieht eine Berichtigungspflicht für den Steuerpflichtigen vor, wenn er erkennt, dass er eine unzutreffende Steuererklärung eingereicht hat, die zu einer Steuerhinterziehung oder -verkürzung führen kann. Der AEAO enthält künftig neben allgemeinen Ausführungen insbesondere Erläuterungen für

  • die Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht zu einer Selbstanzeige,
  • den Umfang der Anzeige- und Berichtigungspflicht,
  • die Personen, die zur Anzeige und Berichtigung verpflichtet sind, sowie
  • den Zeitpunkt der Anzeige und Berichtigung.

Dazu wird im Einzelnen ausgeführt:

Abgrenzung der Berichtigungspflicht zur Selbstanzeige

In beiden Fällen ist die abgegebene Erklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unrichtig gewesen. Von der Unrichtigkeit ist auszugehen, wenn die Erklärung nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß enthält. Falls der Steuerpflichtige erst nach der Abgabe die Fehlerhaftigkeit der abgegebenen Erklärung erkennt und diese unverzüglich berichtigt, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, wenn ihm weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist.

Zudem nimmt der AEAO eine Anzeige- und Berichtigungspflicht an, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei der Abgabe der Steuererklärung zwar nicht gekannt, sie aber billigend in Kauf genommen hat und erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennt, dass seine Angaben tatsächlich unrichtig waren. Ein nachträgliches Erkennen nimmt der AEAO dann an, wenn der Steuerpflichtige später positiv erfährt, dass seine Angaben tatsächlich unrichtig waren.

Dazu muss derjenige, der zur Berichtigung verpflichtet ist, nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung tatsächlich erkennen. Ein bloßes Erkennenkönnen bzw. Erkennenmüssen reicht nicht aus. Ein „Erkennen“ liegt für das BMF erst vor, wenn der Steuerpflichtige von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung weiß bzw. er die Erkenntnis hat, dass es durch die Erklärung zu einer Verkürzung der Steuer kommen kann oder bereits gekommen ist. In diesem Zusammenhang hat das BMF klargestellt, dass ein Fehler lediglich straf- bzw. bußgeldrechtlich relevant ist, wenn er vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde.

Daher bedeutet nicht jede objektive Unrichtigkeit automatisch den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit. Vielmehr muss die zuständige Finanzbehörde sorgfältig prüfen, ob der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung besteht. Insbesondere kann sie nicht allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung oder aufgrund der Anzahl der abgegebenen Berichtigungen automatisch vom Vorliegen eines Anfangsverdachts ausgehen.

Insoweit ist auch – trotz einer leichtfertig abgegebenen unrichtigen oder unvollständigen Erklärung – ein nachträgliches Erkennen dieses Fehlers möglich. In diesem Fall kann eine Berichtigung nach § 378 Abs. 3 AO erfolgen. Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO wird keine Geldbuße verwirkt, weil die Verschärfungen der Selbstanzeige nicht für den § 378 AO gelten.

Umfang der Anzeige- und Berichtigungspflicht

Die Anzeige- und Berichtigungspflicht erstreckt sich nach Ansicht des BMF nicht nur auf Steuererklärungen, sondern auf alle Erklärungen des Steuerpflichtigen, die Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Steuer oder auf gewährte Steuervergünstigungen gehabt haben. Als Beispiele nennt das BMF-Schreiben sowohl Änderungsanträge nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO als auch Anträge auf Herabsetzung von Vorauszahlungen. Hierbei besteht die Anzeige- und Berichtigungspflicht sowohl bei Gefahr einer Steuerverkürzung als auch bei einer bereits eingetretenen Steuerverkürzung – allerdings nicht zur Berichtigung von Fehlern, die durch die Betriebsprüfung für die in der Prüfungsanordnung vorgesehenen Steuerarten und Prüfungszeiträume festgestellt worden sind.

Verpflichtete Personen

Die neu aufgenommenen Regelungen im AEAO nennen als verpflichtete Personen:

  • den Steuerpflichtigen,
  • den Gesamtrechtsnachfolger (§ 45 AO) eines Steuerpflichtigen und
  • die nach §§ 34 und 35 AO für den Steuerpflichtigen oder den Gesamtrechtsnachfolger handelnden Personen (z.B. Geschäftsführer einer GmbH).

Bei Zusammenveranlagung in der Einkommensteuer ist nur derjenige Ehegatte oder Lebenspartner zur Anzeige oder Berichtigung verpflichtet, dem die unrichtig oder unvollständig erklärten Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen sind. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Ehegatten oder Lebenspartners erkennt, dass die Angaben des Verstorbenen unzutreffend waren. In diesem Fall obliegt dem Überlebenden als Erbe die Berichtigungspflicht. Auch wenn die Steuererklärung von einem bevollmächtigten Berater abgegeben wurde, bleibt grundsätzlich der Steuerpflichtige zur Berichtigung verpflichtet.

Zeitpunkt der Berichtigung

Die Anzeige oder Berichtigung muss unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern – erfolgen. Allerdings kann die Berichtigung ggf. später geschehen, wenn hierfür eine gewisse Zeit zur Aufbereitung der Unterlagen erforderlich ist. Insoweit regt die Neuaufnahme im AEAO an, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt mitteilt, wenn er noch Zeit benötigt oder lediglich vorläufige Angaben gemacht hat. Das Finanzamt soll dem Steuerpflichtigen dann eine angemessene Frist zur Erstattung der Anzeige/Berichtigung einräumen. In diesem Zusammenhang weist das BMF-Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass eine Berichtigungspflicht auch bei Steuerhinterziehung besteht – diese Pflicht kann aber nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, weil der Steuerpflichtige sich nicht selbst belasten muss.

Mit Ablauf der Festsetzungsfrist endet die Anzeige- und Berichtigungspflicht. Wird die Anzeige bzw. Berichtigung an eine unzuständige Finanzbehörde übermittelt, gilt die Verpflichtung zur Anzeige/Berichtigung dennoch als erfüllt.

Praxishinweis

Es ist zu begrüßen, dass der AEAO um Regelungen zu § 153 AO erweitert wird. Da gleichzeitig auch die aktuellen Urteile des BFH zu dieser Thematik übernommen worden sind, gibt der AEAO künftig auch Maßstäbe vor, an die sich die Finanzbehörden halten müssen. Zu einigen Aussagen werden in der Literatur abweichende Auffassungen vertreten. So ist z.B. die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 153 AO auf Änderungsanträge nicht gänzlich unumstritten, so dass insoweit nach dieser Ansicht keine Berichtigungspflicht bestünde. Dem Steuerpflichtigen und seinem Berater fällt es künftig gleichwohl leichter, die rechtliche Würdigung des Finanzamts zu einer Berichtigungspflicht oder möglichen Selbstanzeige einzuordnen. Dadurch entsteht Rechtssicherheit, die wegen der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen uneingeschränkt zu begrüßen ist.

BMF, Schreiben v. 23.05.2016 - IV A 3 – S-0324/15/10001

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz