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Verfahrensrecht, Steuerberatung -

Rechtswidrige EU-Abgaben: Anspruch auf Zinsen

EU-Abgaben, die zu Unrecht erhoben wurden, müssen schon ab dem Zeitpunkt ihrer Zahlung verzinst werden. Dies hat der BFH klargestellt. Damit können Unternehmen, die etwa auf Grundlage einer ungültigen Unionsverordnung Abgaben gezahlt haben, nicht nur die Erstattung der jeweiligen Abgabenbeträge, sondern auch die bereits ab Zahlung der unrechtmäßigen EU-Abgaben anfallenden Zinsen verlangen.

Der BFH hat am 22.09.2015 zum Beginn der Verzinsung bei der Erstattung von zu Unrecht gezahlten unionsrechtlichen Abgaben entschieden. Hintergrund war die Klage eines zuckerproduzierenden Unternehmens, dass eine auf dem Unionsrecht basierende marktordnungsrechtliche Produktionsabgabe zu zahlen hatte. Die entsprechende Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 wurde jedoch später vom EuGH in einem Urteil vom 27.09.2012 für ungültig erklärt, da die erhobenen Abgaben falsch berechnet waren und zu überhöhten Belastungen führten. Laut EuGH hat der Kläger nicht nur Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Produktionsabgaben, sondern auch auf Zahlung der auf diese Beträge anfallenden Zinsen.

Nach dem EU-Recht standen somit der Klägerin für jeden vollen Monat 0,5 % Zins auf den Erstattungsbetrag zu. Nach Ansicht des mit dem Vorgang befassten Hauptzollamts sollte der Zinslauf für die Erstattung der Abgabenbeträge erst ab dem Beginn des Tages der Rechtshängigkeit der Klage vor dem Finanzgericht beginnen. Hierbei berief sich das Hauptzollamt auf § 236 AO. Das angerufene Finanzgericht sah den Beginn des Zinslaufs jedoch bereits zum Zeitpunkt der Zahlung der unrechtmäßigen Abgabe verwirklicht, worauf die Finanzverwaltung vor den BFH zog.

Beginn des Zinslaufs

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Details der Verzinsung und somit auch der Beginn des Zinslaufs grundsätzlich Sache des nationalen Rechts (z.B. EuGH, Urt. v. 08.03.2001). Nach Ansicht des BFH wäre § 236 AO – also der Beginn des Zinslaufs ab Klageeinreichung – zwar grundsätzlich die einzige Norm des deutschen Steuerrechts, deren Voraussetzungen im Fall erfüllt sind.

Nach den Vorgaben des EuGH muss jedoch eine entsprechende nationale Regelung zum Beginn des Zinslaufs auch den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen. Insbesondere darf sie demnach nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich macht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH darf jedoch im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität dem Steuerpflichtigen eine angemessene Entschädigung für seine Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Steuer erlitten hat, nicht vorenthalten werden. Maßstab für die Einbußen ist laut EuGH hierbei insbesondere der Zeitraum, in welchem dem Steuerpflichtigen die Gelder nicht zur Verfügung gestanden haben. Demnach entstehen die Zinsen also mit dem Tag der unrechtmäßigen Abgabenzahlung. Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ab dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht, der BFH rückt insoweit von früherer, gegensätzlicher Rechtsprechung (z.B. BFH, Beschl. v. 18.09.2007) ab.

Praxishinweis

Was schon vor dem Urteil bereits durch die Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich festgelegt war, wurde nun durch den BFH auf nationaler Ebene bestätigt: Abgaben, die auf der Grundlage einer für ungültig erklärten Unionsverordnung erhoben wurden, sind ab dem Zeitpunkt der Zahlung zu verzinsen. Bei Erstattungen von Abgaben aufgrund gerichtlicher Entscheidungen muss also zwischen unionsrechtlichen und nationalen Abgaben unterschieden werden. Dies hat zur Folge, dass Sie als Berater die entsprechenden Rechtsentwicklungen auf europäischer Ebene im Blick behalten sollten. Nur wenn eine entsprechende Abgabe unmittelbar aus den Regelungen des EU-Rechts resultiert, gelten die vom BFH aufgestellten Grundsätze einer Verzinsung ab unrechtmäßiger Abgabenzahlung.

BFH, Urt. v. 22.09.2015 – VII R 32/14
BFH, Beschl. v. 18.09.2007 – I R 15/05, BStBl 2008 II 332
EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-113/10
EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98

Quelle: StB, Diplom-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann