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Verfahrensrecht -

Schätzung bei unklaren Rechnungsangaben und Bareinzahlungen

Bei fehlenden bzw. unklaren Rechnungsnummern und ungeklärten Bareinzahlungen auf betriebliche Konten kann das Finanzamt zur Schätzung von Umsätzen befugt sein. Das hat das Finanzgericht Hamburg entschieden. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige stärker verpflichtet sein, an der Klärung der Umstände mitzuwirken. Auch die Höhe der Hinzuschätzungen hielt das Gericht im Streitfall für rechtmäßig.

Das Finanzgericht Hamburg (FG) hat in einem aktuellen Urteil dazu Stellung genommen, ob das Finanzamt eine Schätzungsbefugnis besitzt, wenn Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungserstellung festgestellt worden sind. Im Streitfall waren die Nummern bei manuell erstellten Rechnungen in unterschiedlichen Formaten abgefasst, doppelt vergeben sowie die Rechnungen nicht vorgelegt worden. Zudem wiesen einige Rechnungen gar keine Rechnungsnummer auf. Für einige Ausgangsrechnungen, die als storniert gekennzeichnet waren, lagen keine weiteren Nachweise der Stornierung vor.

Ferner fehlten Rechnungen mit entsprechenden Rechnungsnummern und auf einem Bankkonto des Unternehmers wurden ungeklärte Bareinzahlungen festgestellt. Aus diesen Umständen folgerte die Betriebsprüfung, dass der Unternehmer nicht alle Unterlagen vorgelegt hatte, und schätzte Umsätze hinzu. Dagegen wehrte sich der Unternehmer erfolglos vor dem FG.

Schätzungsbefugnis wegen der ungeklärten Einzahlungen

Besteuerungsgrundlagen sind insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Erklärung geben kann. Der Steuerpflichtige ist bei ungeklärten Bareinzahlungen auf betriebliche Konten bzw. in die Kasse bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die Mittel herkommen, verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet.

Bei Verletzung dieser Pflicht kann der Sachverhalt ohne weitere Aufklärung derart gewürdigt werden, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen – und zwar auch dann, wenn hinsichtlich der Quelle der fraglichen Mittel keine Aufzeichnungspflichten bestehen. Im Streitfall war diese Würdigung möglich, weil der Unternehmer die Herkunft der Bareinzahlungen nicht plausibel belegen konnte. Daher durfte das Finanzamt grundsätzlich schätzen. Auch die Schätzung der Höhe nach hält das FG für gerechtfertigt.

Schätzungsbefugnis wegen der unklaren Rechnungserstellung

Auch die Hinzuschätzung hinsichtlich der fehlerhaft nummerierten Ausgangsrechnungen ist rechtlich zulässig. Denn eine Schätzung ist u.a. dann vorzunehmen, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Auch ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn wie der Unternehmer im Streitfall mittels Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, ist nach § 22 UStG verpflichtet, Aufzeichnungen zu führen, u.a. über die vereinnahmten Entgelte für die von ihm ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen.

Dabei müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbare Vorsteuer zu erhalten und die Grundlagen der Steuerberechnung festzustellen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn sich Entstehung und Abwicklung der einzelnen Umsätze verfolgen lassen und sich insbesondere nachverfolgen lässt, dass die Umsätze vollzählig und vollständig erfasst wurden. Lücken in der Rechnungsnummernabfolge können eine Schätzung rechtfertigen, wenn die vollständige Erfassung der Einnahmen nicht mehr als gewährleistet anzusehen ist. Abhängig ist dies von der tatsächlichen Situation im jeweiligen Einzelfall.

Wegen der vielfachen Unregelmäßigkeiten bei den Rechnungsnummern hielt das FG es für wahrscheinlich, dass nicht alle Umsätze der Besteuerung unterworfen worden waren, und bestätigte die Hinzuschätzungen des Finanzamts.

Praxishinweis

Die Entscheidung des FG zeigt deutlich, wie wichtig es ist, bei der Rechnungsnummerierung bzw. der Erstellung unterschiedlicher Rechnungskreise eine einheitliche Systematik sowie eine fortlaufende Nummerierung einzuhalten. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Finanzbehörden aus einer uneinheitlichen Systematik und fehlenden Rechnungsnummern auf unerklärte Umsätze schließen und Hinzuschätzungen vornehmen. Der Steuerberater sollte daher bei der Durchsicht der Unterlagen seiner als Unternehmer tätigen Mandanten insbesondere auch die Systematik der Erstellung der Rechnungsnummern sowie deren konsequente Anwendung überprüfen.

FG Hamburg, Urt. v. 28.08.2017 - 2 K 184/15

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht