1.1 Echte Neugründung

...

1.1.2 Bilanzielle Konsequenzen

1.33

Hinsichtlich der Gründung sind bei der GmbH die allgemeinen Regelungen des Handels- und Steuerrechts zu beachten. Es gelten auch für die Eröffnungsbilanz die allgemeinen und konkreten Bestimmungen zur ordnungsmäßigen Bilanzierung und Bewertung. Insofern ist daher auch die Einstufung der Größenklasse der Gesellschaft notwendig (§§ 267 f. HGB). Bei einer Neugründung reicht es aus, wenn die Kriterien zur Einstufung der Größenklassen am ersten nachfolgenden Abschlussstichtag vorliegen (§ 267 Abs. 4 Satz 2 HGB).7) Gesetzlich ungeregelt ist jedoch die Situation, wenn die Größenkriterien bei Aufstellung der Gründungs- und Eröffnungsbilanz vor Ablauf des ersten Rumpfwirtschaftsjahres noch nicht bekannt sind. Soweit sich die Daten nicht errechnen lassen (z.B. Bilanzsumme), ist es in einem solchen Fall empfehlenswert, diese im Rahmen einer ordentlichen Planungsrechnung unter Berücksichtigung saisonaler Einflüsse und anderer absehbarer Faktoren bis zum nächsten Jahresabschlussstichtag zu schätzen. Dies gilt auch für die Höhe der Umsatzerlöse und die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl.8)

1.1.2.1 Erstellung einer Gründungsbilanz

1.34

Nach § 242 HGB hat der Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes eine Bilanz aufzustellen. Dies ist bei der Gründung einer GmbH nicht erst mit Eintragung der Fall. Nach h.M.9) ist bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags und der Entstehung einer Vorgesellschaft von einer Bilanzierungspflicht auszugehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesellschaftszweck auf den Betrieb eines Kleingewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit gerichtet ist, da die Vorgesellschaft bereits (zumindest dem Charakter nach) Formkaufmann ist.10) Der erste Geschäftsvorfall dürfte dementsprechend die Einforderung bzw. Leistung der Einlagen durch die Gesellschafter sein. Die folgende Eintragung der Gesellschaft hat keine Auswirkungen auf die Bilanzierung, so dass die Kontinuität gewahrt wird.

1.35

Hinsichtlich der Laufzeit des Geschäftsjahres enthält das GmbHG keine besonderen Bestimmungen, so dass diese in der Satzung frei geregelt werden kann. Die Bestimmung des Geschäftsjahres kann satzungsgemäß auch der Geschäftsführung überlassen werden.11) Wird nichts Abweichendes geregelt, so gilt das Kalenderjahr als Geschäftsjahr. Für steuerliche Zwecke gilt, dass eine spätere Umstellung auf ein nicht kalendergleiches Jahr nur mit Zustimmung des Finanzamts möglich ist (§ 7 Abs. 4 Satz 3 KStG). Bei einem unterjährigen Geschäftsbeginn ist zu Beginn ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden.

1.36

Bis wann die Gründungsbilanz aufgestellt werden muss, ist für Vorgesellschaften nicht ausdrücklich geregelt. Nach wohl h.M. ist hier § 264 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB anzuwenden, wonach bei kleinen Kapitalgesellschaften eine Frist von sechs Monaten für die Erstellung des Jahresabschlusses gilt, bei den übrigen drei Monate. Dies gilt auch bei der Eröffnungsbilanz einer noch nicht eingetragenen GmbH.12) Diese Fristen können aber nicht ohne weiteres ausgenutzt werden. Zu beachten ist der Grundsatz, dass die Aufstellung innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs zu erfolgen hat (§ 243 Abs. 1 HGB).13)

1.37

Die Bilanz ist von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen. Für sie besteht keine Offenlegungs- oder Prüfungspflicht i.S.d. § 316 HGB. Auch muss sie nicht von den Gesellschaftern festgestellt werden (§ 46 Nr. 1 GmbHG).14)

1.38

Hinweis

Tätigt die GmbH vor Eintragung in das Handelsregister bereits Umsätze oder erleidet sie bis zum Eintragungszeitpunkt Verluste, empfiehlt sich die Erstellung einer Vorbelastungsbilanz zum Eintragungszeitpunkt. Diese Vorbelastungsbilanz dient zur Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Unterbilanzhaftung der Gesellschafter (siehe dazu oben Rdnr. 1.27) vorliegen.


9)

Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, N 124 f. m.w.N.

10)

Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen, 6. Aufl. 2021, D 65 ff. m.w.N.

11)

OLG Stuttgart, Urt. v. 07.05.1992 - 8 W 72/92, DNotZ 1992, 742; aber a.A. z.B. Priester, GmbHR 1992, 584.

12)

Langseder, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 9 Rdnr. 52.

13)

Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen, 6. Aufl. 2021, D 83.

14)

Langseder, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 9 Rdnr. 53 m.w.N.

1.1.2.2 Inhalt der Gründungsbilanz

1.39

Für die Aktivierung der Vermögensgegenstände in der Gründungsbilanz gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 246 ff. HGB). Auf der Aktivseite sind alle Einzahlungen der Gesellschafter auszuweisen. Die ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital stellen eine potentielle Forderung der GmbH an den betreffenden Gesellschafter dar, die noch nicht konkretisiert ist. Bis zur Einforderung ist diese Forderung daher rechtlich noch nicht entstanden. Diese ausstehenden und noch nicht eingeforderten Einlagen sind auf der Passivseite vom Posten "Gezeichnetes Kapital" offen abzusetzen, was zu einem Nettoausweis des "eingeforderten Kapitals" führt (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB).15)

1.40

Beispiel

A gründet die A-GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 €, das in bar zu leisten ist. A zahlt davon 27.000 € ein. Mehr passiert nicht.

Bank

27.000 €

Gezeichnetes Kapital

50.000 €

Summe Aktiva

27.000 €

Ausstehende Einlagen

- 23.000 €

Summe Passiva

27.000 €

Werden die ausstehenden Einlagen eingefordert, sind sie hinreichend konkretisiert und müssen auf der Aktivseite ausgewiesen werden (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Abwandlung

A zahlt 27.000 € ein, und der Restbetrag (23.000 €) wird von der Gesellschaft von A eingefordert.

Lösung

Bank

27.000 €

Gezeichnetes Kapital

50.000 €

Forderungen gegen Gesellschafter

23.000 €

Summe Passiva

50.000 €

Summe Aktiva

50.000 €

1.41

Hinweis

Hinsichtlich der Forderungen gegen den Gesellschafter ist auch die Werthaltigkeit zu prüfen. Neben haftungsrechtlichen Konsequenzen (siehe oben zur Unterbilanzhaftung), sind in bilanzieller Hinsicht die Folgen:16)

bei nicht eingeforderten Einlagen: bloßer Vermerk im Anhang,

bei eingeforderten Einlagen: entsprechende bilanzielle Bewertung mit dem gemeinen Wert.


15)

Rinker, BC 2018, 94.

16)

Winkeljohann/K. Hoffmann, in: Beck’scher Bilanzkommentar, 12. Aufl. 2020, § 272 HGB Rdnr. 35 f.

1.1.2.3 Bilanzielle Einordnung des Gründungsaufwands

1.42

Die Gründung der GmbH ist mit Kosten verbunden. Dazu gehören insbesondere

Notar- und Gerichtskosten,

Beratungskosten (Rechtsanwalt, Steuerberater),

Kosten für Wertgutachten und Genehmigungen,

Kosten der Veröffentlichung,

Auslagenersatz der Gesellschafter.

Die Kosten der Gründung und Eigenkapitalbeschaffung sind im gesetzlichen Normalfall, also wenn keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, von den Gesellschaftern zu tragen. In einem solchen Fall ergeben sich hinsichtlich der Bilanzierung bei der GmbH keine Besonderheiten. Insbesondere bleibt das gezeichnete Kapital unberührt und muss vollständig erbracht werden.

1.43

Es steht den Gesellschaftern aber frei zu vereinbaren, dass die Gründungskosten von der Gesellschaft übernommen werden. Nach h.M.17) muss dies analog § 26 Abs. 2 AktG ausdrücklich in der Satzung geregelt und kann frühestens nach fünf Jahren wieder geändert werden.18) In dieser sind dann die einzelnen (möglichst konkreten) Kostenarten anzugeben bzw. ggf. zu schätzen. Nicht ausreichend ist eine bloße Benennung des Gesamtbetrags.19) Eine formlose Vereinbarung, dass die Gründergesellschafter die Kosten übernehmen, reicht hingegen nicht aus und ist unwirksam.

1.44

Hinweis

Zulässig wäre z.B. die Formulierung: "Die Kosten der Gründung bei Notar, Handelsregister, Veröffentlichung, Steuerberater und Rechtsanwalt trägt die Gesellschaft bis zur Höhe von 2.500 €." Erfahrungsgemäß wird von den Registergerichten ein Betrag von bis zu 10 % des Stammkapitals als Gründungsaufwand akzeptiert.

1.45

Wenn die Kostenübernahme durch die GmbH eindeutig vereinbart wurde, dürfen die Aufwendungen nicht in der Eröffnungsbilanz aktiviert werden (§ 248 Abs. 1 HGB). Zum Teil wird zwar vertreten, dass die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens oder Postens eigener Art möglich ist. Nach h.M. ist dies jedoch nicht zulässig.20) Daraus folgt, dass die Gründungskosten als Aufwand zu behandeln sind und in der Handelsbilanz ein Bilanzverlust auszuweisen ist. Eine Verrechnung des Aufwands mit einer Kapitalrücklage wäre prinzipiell zulässig, müsste aber entsprechend im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Hingegen wäre eine Aufrechnung mit dem gezeichneten Kapital unzulässig, da dieses zwingend mit dem Nennbetrag anzusetzen ist (§ 272 Abs. 1 HGB).

1.46

Fortsetzung Beispiel Rdnr. 1.40

A gründet eine GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 € im Wege der Bargründung. In der Satzung ist ausdrücklich geregelt, dass die GmbH die (einzeln aufgezählten Kosten) von 1.000 € übernimmt. Nach Abschluss des notariellen Vertrags zahlt A seine Bareinlagen ein und begleicht die Rechnungen zunächst aus eigenen Mitteln, so dass er eine Forderung i.H.v. 1.000 € gegen seine GmbH hat.

Lösung

Bank

50.000 €

Gezeichnetes Kapital

50.000 €

Jahresfehlbetrag

- 1.000 €

Verbindlichkeiten

1.000 €

1.47

Wurde die Übernahme der Gründungskosten durch die GmbH nicht in der Satzung ausdrücklich festgelegt, so sind alle Rechtshandlungen und Erfüllungsgeschäfte gegenüber der GmbH zivilrechtlich unwirksam (§ 26 Abs. 3 AktG analog). Zahlungen (z.B. Erstattungen an den Gesellschafter) wären dann als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren.21)


17)

OLG Celle v. 22.10.2014 - 9 W 124/14, NZG 2014, 138.

18)

Analog § 26 Abs. 4 AktG; siehe Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 5 Rdnr. 52 m.w.N.

19)

OLG Celle, Beschl. v. 11.02.2016 - 9 W 10/16, BB 2016, 2580.

20)

Vgl. Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen, 6. Aufl. 2021, D 147 m.w.N.

21)

BFH, Urt. v. 11.02.1997 - I R 42/96, BFH/NV 1997, 711; Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 12. Aufl. 2017, Anm. 1463.

1.1.2.4 Bilanzielle Behandlung der Kosten für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs

1.48

Von den Gründungskosten zu unterscheiden sind die Kosten für die Ingangsetzung des eigentlichen Geschäftsbetriebs. Zu diesen Aufwendungen zählen z.B. Kosten für die Anschaffung von Büromaterial, für den Abschluss von Darlehensverträgen oder Mietverträgen. Bis 2010 bestand die Möglichkeit, diese Kosten zu aktivieren (§ 269 HGB a.F.). Nach Streichung der Vorschrift dürfen nach aktueller Rechtslage die Anlaufkosten nicht mehr aktiviert werden (§ 248 Abs. 1 HGB).

1.1.2.5 Bilanzielle Besonderheiten bei der Sachgründung

1.49

Offene Sacheinlagen werden im Rahmen eines Tauschs gegen neue Gesellschaftsanteile erbracht. Die Erbringung von Sacheinlagen erfolgt in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht nach den Zeitwerten, so dass in der Handelsbilanz die Wirtschaftsgüter nach objektiven Kriterien zu bemessen sind. Damit ist das Anlagevermögen mit den Wiederbeschaffungswerten und das Umlaufvermögen mit den Einzelveräußerungswerten zu aktivieren.22)

1.50

Es kommt insbesondere bei der Einbringung von Unternehmen(steilen) vor, dass der Wert der eingebrachten Sache über dem Betrag des geschuldeten Einlagebetrags liegt. Wird ein solches Aufgeld (Agio) geleistet, so ist der Zeitwert der eingebrachten Sache zu aktivieren. Auf der Passivseite ist das nominelle Stammkapital auszuweisen. Darüber hinaus ist in Höhe des Aufgeldes erfolgsneutral eine Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB zu bilden (Buchungssatz: Bank an Kapitalrücklagenkonto).23)

1.51

Im Gesellschaftsvertrag kann geregelt werden, dass die GmbH dem Gesellschafter den "überzahlten" Betrag erstattet. In diesem Fall ändert sich nichts an der Aktivierung des Wirtschaftsguts, lediglich auf der Passivseite ist eine entsprechende Verbindlichkeit der Gesellschaft auszuweisen.

1.52

Fortsetzung Beispiel Rdnr. 1.40

A überlegt sich, als Sacheinlage das Grundstück (Verkehrswert 400.000 €) einzubringen. Das Stammkapital soll aber nur 300.000 € betragen. Es wird im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass dem A die Differenz i.H.v. 100.000 € erstattet wird. Nach Einbringung des Grundstücks stellt sich die Handelsbilanz wie folgt dar:

Grundstück

400.000 €

Gezeichnetes Kapital

300.000 €

Verbindlichkeiten

100.000 €

1.53

Hinweis

Sind mehrere Personen an der Gründung beteiligt und erbringen die Gesellschafter teilweise Bareinlagen, so ist zu beachten, dass es nicht zulässig ist, die "Verbindlichkeiten" der GmbH aus der Erbringung der Sacheinlage mit den Beträgen der Bargründung zu begleichen.


22)

Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, N 80.

23)

BFH, Urt. v. 24.04.2007 - I R 35/05, BStBl II 2008, 253; siehe dazu auch das Beispiel in Rdnr. 25.33.