Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 2. September 2014
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Streitig ist, ob eine Steuerfestsetzung, die auf der Anwendung der sog. Mindestbesteuerung beruht, aus Billigkeitsgründen ("sachlicher Grund" i.S. des § 163 Satz 1 der Abgabenordnung —AO—) abweichend von der zugrunde liegenden Rechtsnorm (§ 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG— i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG—, jeweils in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung) erfolgen muss.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, ist eine Holdinggesellschaft. Sie hatte zunächst ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres), ab 2005 hat sie ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr.
Zum 31. Dezember 2006 hielt die Klägerin (23 172 215) Stück Aktien der A–AG in ihrem Anlagevermögen (Aktien Altbestand und Aktien Erwerb am 29. April 2003). Dabei handelte es sich sowohl nach einer Buchwert– als auch nach einer Verkehrswertrelation um den wesentlichen Anteil (über 90 %) ihres gesamten Beteiligungsbesitzes.
Die Klägerin hatte die Aktien (Altbestand) zum 30. September 2001 von den ursprünglichen Anschaffungskosten (22,71 €) auf 18,6539 € pro Aktie wertberichtigt. Die Teilwertabschreibung hatte den Verlust des Veranlagungszeitraums 2001 erhöht; in der Folge war der steuerliche Verlustvortrag auf X € festzustellen. Den Wert der später hinzuerworbenen Aktien (je 24 €) berichtigte die Klägerin zum 30. September 2003 auf ebenfalls 18,6539 €; auf das steuerliche Einkommen wirkte sich diese Teilwertabschreibung nicht aus (§ 8b Abs. 3 KStG).
Im Streitjahr erhöhte die Klägerin aufgrund der aktuellen Kursentwicklung die Bilanzansätze sowie den Bilanzgewinn nach folgender Berechnung:
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Die durch die Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 2 und 3 KStG : 95 %) bewirkte Minderung des steuerlichen Einkommens betrug X €.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte die Körperschaftsteuer 2006 zunächst erklärungsgemäß mit Bescheid vom 23. Oktober 2007 auf X € (25 % des zu versteuernden Einkommens von X €) fest. Der Verlustvortrag ermittelte sich wie folgt:
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Mit geändertem Bescheid vom 16. Februar 2009 setzte das FA die Körperschaftsteuer auf X € (25 % von X €) herab. Den Verlustvortrag ermittelte das FA nunmehr wie folgt:
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Mit ihrem Einspruch beantragte die Klägerin, die Erträge aus der Wertaufholung auch in Höhe des auf den Altbestand der Aktien entfallenden Betrages als nach § 8b Abs. 2 Satz 3 Variante 2 KStG steuerfrei zu behandeln und bei der Ermittlung des Verlustabzugs die sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht anzuwenden.
Zeitlich nachfolgend beantragte die Klägerin, die Körperschaftsteuer 2006 aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 AO) auf 0 € herabzusetzen. Die Erträge aus der Wertaufholung der Aktien sollten bei der Ermittlung ihres Einkommens außer Ansatz bleiben; stattdessen sei eine direkte Verrechnung mit dem vortragsfähigen Verlust zum 31. Dezember 2005 vorzunehmen.
Das FA erließ jeweils ablehnende Einspruchsentscheidungen. Die dagegen erhobenen Klagen (
Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und ist daher aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Körperschaftsteuerfestsetzung ist rechtmäßig ergangen; das FA ist nicht dazu verpflichtet, die Körperschaftsteuer des Streitjahres aus Billigkeitsgründen auf 0 € festzusetzen.
1. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Körperschaftsteuerfestsetzung ist rechtmäßig. Die Festsetzung entspricht —was das FG nicht abschließend entschieden hat— den geltenden Maßgaben des materiellen Rechts; es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die zu einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung zwingen würden.
a) Die Wertaufholung des Wertpapier-Altbestandes unterfällt nicht der Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2 Satz 1, 3 KStG.
aa) Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören, oder an einer Organgesellschaft i.S. der §§ 14, 17 oder 18 außer Ansatz. Nach Satz 3 der Regelung gilt dies entsprechend für Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Nennkapitals oder aus dem Ansatz des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bezeichneten Werts, allerdings dann nicht (Satz 4), soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist.
bb) Das FA hat auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei den auf dem wertaufholenden Ansatz des Altbestands des Wertpapierbeteiligungsbesitzes (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr.
aaa) § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG verfolgt den Zweck, dass außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs von § 8b Abs. 3 KStG steuerwirksame Teilwertabschreibungen bei einer Wertaufholung der Wirtschaftsgüter systemkonsequent (im Sinne einer "Nachversteuerung" – so Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rz 157) von der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG ausgeschlossen werden; Ziel ist es daher, zu verhindern, dass es nach dem Systemwechsel zum sog. Halbeinkünfteverfahren zu einer steuerfreien Realisation der stillen Reserven kommt, die nach früherer Rechtslage steuerpflichtig gewesen wäre (Senatsurteil vom 19. August 2009 I R 2/09, BFHE 226,
bbb) Auch wenn das Tatbestandsmerkmal der Steuerwirksamkeit in der Regel dahin ausgedeutet wird, es müsse eine Auswirkung auf den steuerlichen Gewinn vorliegen (BTDrucks 14/2683, S. 124; s.a. Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 242; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 261; Blümich/ Rengers, § 8b KStG Rz 251; Schnitger in Schnitger/ Fehrenbacher, KStG, § 8b Rz 363), ist damit nicht die Voraussetzung verbunden, dass sich die Teilwertabschreibung unmittelbar auf die Höhe der Steuerbelastung dieses Veranlagungszeitraums auswirken muss. Einbezogen ist vielmehr eine mittelbare Auswirkung sowohl auf die Steuerbelastung in einem Verlust-Rücktragsjahr als auch die (potentielle) Auswirkung auf die Höhe der Steuerbelastung eines Verlust-Vortragsjahres (s. ausdrücklich zur Verlustsituation Watermeyer in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 92).
b) Das FA hat bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin den Verlustabzug rechtsfehlerfrei nur nach Maßgabe der sog. Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG) berücksichtigt.
aa) Nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG können Verluste nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch in Höhe von 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. € überschreiten.
bb) Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass auf dieser Grundlage der Abzug (auch) solcher bisher nicht ausgeglichener Verluste betroffen ist, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung (Veranlagungszeitraum 2004) entstanden sind. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 22. August 2012
2. Das FA ist nicht dazu verpflichtet, die Körperschaftsteuer des Streitjahres aus Billigkeitsgründen auf 0 € festzusetzen.
a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Festsetzung einer Steuer ist aus (im Streitfall allein streitigen) sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (Senatsbeschluss in BFHE 246,
b) Das FG hat im angefochtenen Urteil eine sachliche Unbilligkeit der Steuerfestsetzung darin gesehen, dass Aufwand und Ertrag auf demselben Grund beruhen würden (Teilwertbewertung: Teilwertabschreibung und Werterholung). Der Ertrag erscheine als zeitverschobener "actus contrarius" zum Aufwand. Teilwertabschreibung und Werterholung eines Bilanzpostens lösten daher wegen der unterschiedlichen Ermittlungsperioden erst im Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung eine Steuerschuld aus ("Besteuerung von per Saldo nicht erzielten Gewinnen" – Hinweis auf OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 20. Juni 2013, DB 2013,
c) Der Würdigung des FG ist nicht beizupflichten. Die Entscheidung des FA ist nach der Maßgabe des § 102 FGO als rechtmäßig anzusehen.
aa) Der Senat hat in seinem Beschluss in BFHE 246,
bb) Das FG hat für seine Entscheidung darauf verwiesen, dass es im Streitfall nicht um den dort beschriebenen Eingriff in den Kernbereich der Ausgleichsfähigkeit von Verlusten gehe. Vielmehr liege im Streitfall eine unbillige Besteuerung ohne Zuwachs an besteuerungswürdiger Leistungsfähigkeit vor, die nur durch vollständige Verrechnung des auf der vorhergehenden Teilwertabschreibung beruhenden Verlustvortrags mit dem aus der Teilwertzuschreibung ("actus contrarius") folgenden Ertrages korrigierbar sei.
Damit wird aber übersehen, dass mit der Entscheidung des Senats in BFHE 246,
Dem widerstreitet aber das angefochtene Urteil, wenn es unter Hinweis auf einen Sachzusammenhang ("actus contrarius") das Periodizitätsprinzip vollständig ausblendet und unter Verletzung der Maßgaben des § 102 FGO (s. insoweit allgemein z.B. BFH-Urteil in BFHE 242,