Die Vollziehung der Bescheide über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Januar, Februar, April und Mai 2014 vom 12.08.2014 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 15.08.2014 in Höhe von 27.428,97 EUR für Januar 2014, 29.386,92 EUR für Februar 2014, 15.128,41 EUR für April 2014 und 84.964,68 EUR für Mai 2014 aufgehoben.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 63 % der Antragstellerin und zu 37 % dem Antragsgegner auferlegt.
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner zu Recht den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Warenlieferungen versagt hat.
Die Antragstellerin wurde am 10.04.2008 gegründet und befasst sich mit dem Einzel- und Großhandel mit Unterhaltungselektronik und Haushaltswaren.
Ab Oktober 2013 bezog die Antragstellerin Ware, insbesondere Fernseher der Marke B., von der C. GmbH, deren Geschäftssitz sich in einem Ladengeschäft unter der Anschrift D.-straße in E. befindet. Diese GmbH wurde am 06.02.2006 gegründet und seit Gründung von Frau F. vertreten. Ihr Gegenstand lautet seit Gründung auf den Import und Export von und Groß- und Einzelhandel mit Waren verschiedener Art, z.B. Autozubehör. Gewerberechtlich ist seit dem 27.06.2011 der Groß- und Einzelhandel mit Haushaltswaren und Unterhaltungselektronik angemeldet. Entsprechende Dokumentkopien lagen der Antragstellerin vor, ebenso eine Kopie einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts G. für die C. GmbH vom 23.09.2013. In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist die C. GmbH nach § 18 Abs. 2 Satz 3 Umsatzsteuergesetz – UStG – Jahreszahlerin. Die an die Antragstellerin gelieferten Waren lagerten nicht bei der C. GmbH, sondern bei einer Firma in einem Gewerbegebiet in H., von der sie durch Dritte zur Antragstellerin transportiert wurden. In den Streitzeiträumen stellte die C. GmbH der Antragstellerin über die Warenlieferungen Rechnungen über insgesamt 2.249.781,– EUR netto, in denen die im Antrag bezeichneten Vorsteuerbeträge ausgewiesen wurden. Wegen der Beträge im Einzelnen nimmt das Gericht auf die Anlage 5 zum Antragsschriftsatz Bezug.
Die Antragstellerin macht die Vorsteuerbeträge in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Streitzeiträume geltend. Den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2014 stimmte der Antragsgegner zu.
Am 14.05.2014 durchsuchte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen – Steuerfahndungsstelle – Steufa – wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2012 die Geschäftsräume der Antragstellerin. Dieses Strafverfahren wurde am 23.07.2014 auf die Streitzeiträume erweitert.
Mit geänderten bzw. erstmaligen Bescheiden über Umsatzsteuer Januar, Februar, April und Mai 2014 vom 12.08.2014 versagte der Antragsgegner der Antragstellerin u.a. die Vorsteuer aus den Rechnungen der C. GmbH und setzte davon ausgehend die Vorauszahlungen fest, was zu den im Tenor bezeichneten Zahllasten führte. Der Antragsgegner berief sich darauf, dass den streitbefangenen Rechnungen keine Lieferungen zugrunde lägen.
Dagegen legte die Antragstellerin am 18.08.2014 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner am 22.09.2014 ab und erließ am 25.09.2014 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Geschäftsbanken der Antragstellerin. Zur Begründung seiner Ablehnungsverfügung verwies der Antragsgegner darauf, dass Vorlieferantin der C. GmbH eine I. GmbH gewesen sei, die wiederum die Ware von einer litauischen Gesellschaft bezogen habe. Die I. GmbH habe die Ware unter Einkaufspreis und höchstwahrscheinlich unter Herstellerpreis an die C. GmbH weiter geliefert. Diese eigentlich unwirtschaftliche Vorgehensweise sei nur wirtschaftlich, wenn von Anfang an geplant gewesen sei, die Umsatzsteuer zu hinterziehen. Dies sei geschehen, denn die I. GmbH sei seit September 2013 nicht mehr auffindbar, ein Geschäftsführer nicht zu ermitteln. Die Umsatzsteuer sei weder angemeldet, noch bezahlt worden. Die I. GmbH sei ein missing trader. Die weiter hinten in der Lieferkette stehende Antragstellerin habe von den unter Herstellerniveau liegenden Einkaufspreisen profitiert. Die Verantwortlichen der Antragstellerin hätten als ordentliche Kaufleute erkennen müssen, dass sie sich an einer Umsatzsteuerbetrugskette beteiligten. Denn der Antragstellerin sei am 12.06.2012 ein Merkblatt übergeben worden, auf dem sich alle nun beschriebenen Tatbestandsmerkmale befänden. Daher könne sich die Antragstellerin nicht auf den Schutz des guten Glaubens berufen.
Darauf hat die Antragstellerin am 03.11.2014 einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß §
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Januar, Februar, April und Mai 2014 vom 12.08.2014 in Höhe von 27.428,97 EUR für Januar 2014, 29.386,92 EUR für Februar 2014, 233.821,98 EUR für April 2014 und 136.820,52 EUR für Mai 2014 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unbegründet. Er verweist auf seine Ablehnungsverfügung und trägt ergänzend vor, es sei fraglich, ob die Voraussetzungen des §
Dem Gericht haben zwei Bände Hilfsakten sowie je ein Band Umsatzsteuer-, Hinweis-, Hilfs-, Umsatzsteuersonderprüfungsberichts-, Umsatzsteuer-Voranmeldungs-, Vertragsund Körperschaftsteuerakten vorgelegen, die vom Antragsgegner für die Antragstellerin unter der Steuer-Nr. … geführt werden.
II.
Das Gericht legt die Antragsschrift dahin gehend aus, dass nur die im Tenor bezeichneten Vorauszahlungsbescheide, jedoch nicht die am 25.09.2014 ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen Gegenstand des hiesigen Verfahrens sein sollen. Dies ergibt sich aus der Fassung des Antrags und den als Anlage 1 zur Antragsschrift beigefügten Bescheidkopien.
Ferner beinhaltet der Antrag keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dafür gibt der von einem Rechtsanwalt verfasste Antragsschriftsatz keinen Anhaltspunkt. Zudem würde es an der Darlegung des Anordnungsgrunds fehlen.
Der Antrag ist zulässig.
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin keine Einsprüche gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen eingelegt hat. Denn §
Der Antrag ist teilweise begründet.
Es bestehen i.S. des §
Nach §
Ausgehend davon ist ernstlich zweifelhaft, dass der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der C. GmbH zu versagen ist. Allerdings kann Aussetzung der Vollziehung nur insoweit gewährt werden, als die angefochtenen Bescheide Zahllasten zulasten der Antragstellerin auslösen. Eine (vorläufige) Erstattung von Vorsteuerbeträgen, die in einen Vergütungsbescheid Eingang finden sollen, kann im Wege des Verfahrens nach §
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen, wenn er über eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung verfügt.
Dass die C. GmbH tatsächlich die der Antragstellerin in Rechnung gestellten Lieferungen ausgeführt hat, wird vom Antragsgegner nicht, oder jedenfalls nicht substantiiert bestritten. Dem steht nicht entgegen, dass die Warenbewegung von den Lagerräumen eines Dritten ausging, da die erforderliche Verfügungsmacht auch in einem Reihengeschäft oder im Wege eines Geheißerwerbs verschafft werden kann. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass die von der C. GmbH der Antragstellerin erteilten Rechnungen formelle Mängel aufweisen. Davon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt.
Dieser Vorsteuerabzug ist bei summarischer Prüfung nicht im Hinblick auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs zu versagen.
Der Antragsgegner weist allerdings zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – (Urteil vom 06.07.2006 C-439, 440/04 – Kittel/Recolta Recycling, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2006,
Die Besonderheit im Streitfall besteht darin, dass die den Vorsteuerabzug dem Grunde nach legitimierenden Lieferungen der C. GmbH bisher nicht in einer Anmeldung von Umsatzsteuer der C. GmbH zu erklären waren, weil die C. GmbH Jahreszahlerin ist, so dass insoweit die Umsatzsteuer darauf nicht hinterzogen wurde. Allerdings wären diese Umsätze erforderlich, wenn der Vorlieferant der C. GmbH – I. GmbH – als sog. missing trader die Umsatzsteuer auf seine Lieferungen hinterzogen hätte. Denn die C. GmbH – nach der Darstellung des Antragsgegners der sog. buffer I – hätte ohne den Absatz an die Antragstellerin – nach der Darstellung des Antragsgegners der sog. buffer II – keine wirtschaftliche Grundlage für weitere Lieferungen der I. GmbH an sie gehabt. Daher waren nach der Darstellung des Antragsgegners die Lieferungen an die Antragstellerin und deren Vorsteuerabzug Grundlage für die Umsatzsteuerhinterziehung der I. GmbH und daher in die von den Verantwortlichen der I. GmbH begangene Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen.
Wenngleich im Urteil Kittel die Sachlage wohl anders war (Hinterziehung der Eingangsumsätze der dortigen Kläger durch den Lieferanten), hat der BFH (Urteil vom 19.05.2010
Gleichwohl gibt diese Rechtsprechung keinen Anlass, im Streitfall Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu verneinen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des BFH vom 19.05.2010
Jedenfalls würde es nach Aktenlage keine hinreichenden Anhaltspunkte geben, um im Rahmen einer summarischen Prüfung zu der Auffassung zu gelangen, dass die Verantwortlichen der Antragstellerin hätten wissen müssen, dass sie sich mit den streitbefangenen Erwerben an einem Umsatz beteiligten, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Denn die wesentlichen Anzeichen, die der Antragsgegner der Antragstellerin insoweit entgegenhält, sind die ungewöhnlich niedrigen Preise der C. GmbH und deren „phönixhaftes” Auftreten in einer für sie bis Herbst 2013 ungewohnten Branche. Insoweit könnte auch bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin diese Umstände bekannt waren, da sie den entsprechenden, schon im Rahmen der Ablehnung des Aussetzungsantrags geäußerten Vorhalten des Antragsgegners nicht entgegengetreten ist. Ferner hat die Antragstellerin ausgeführt, dass der Kontakt zwischen den Geschäftsleitungen der C. GmbH und der Antragstellerin bereits einige Zeit bestehe. Für die Kenntnis von weiteren Verdacht auslösenden Umständen sieht das Gericht keine Anhaltspunkte. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin die Vorlieferantin der C. GmbH und deren „Kurzlebigkeit” kannte, auch nicht dafür, dass es der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprochen hätte, sich über diese Umstände Kenntnis zu verschaffen. Zulasten der Antragstellerin wirkt es sich auch nicht aus, dass die Waren nicht aus einem Lager der C. GmbH ausgeliefert wurden. Denn das Auslagern von Lager- und Transporttätigkeiten auf sog. Logistikunternehmen ist eine im heutigen Wirtschaftsleben gängige Gestaltung.
Es bedarf an dieser Stelle keiner tiefgreifenden Erörterungen, ob die niedrigen Preise der C. GmbH und deren „phönixhaftes” Auftreten geeignet waren, Argwohn gegen die Steuerehrlichkeit der Vorlieferanten der C. GmbH zu wecken. Jedenfalls besteht keine höchstrichterliche Rechtsprechung dahin gehend, dass bereits solche Umstände ausreichen, um die Antragstellerin derart bösgläubig zu machen, dass dies die Versagung des Vorsteuerabzugs rechtfertigt. Denn im Fall des BFH (Urteil vom 19.05.2010
Die Kostenentscheidung beruht auf §
rechtskräftig