3.14 Vermächtnisse im Erbrecht

Autor: Christ

3.14.1 Beratungssituation

Die bereits verwitwete Mandantin M, Inhaberin einer gut laufenden Bäckerei mit drei Filialen, hat als Nachfolgerin ihre Nichte N1 auserkoren und sie als Erbin eingesetzt. Zugleich möchte sie ihre beiden Neffen N2 und N3 an ihrem Nachlass beteiligen und hat deshalb in ihrem Testament angeordnet, dass nach ihrem Tod den beiden jeweils ein Geldbetrag von 100.000 € ausgezahlt werden soll und dafür auch Barvermögen in Form eines Tagesgeldkontos bereitgestellt. Ihren Geschwistern will sie nichts hinterlassen, da diese finanziell schon gut ausgestattet sind.

Allerdings hat N3 sich mit M überworfen und will von ihr kein Geld. Ende 2022 stirbt M, und N1 fragt Sie nach der Rechtslage.

3.14.2 Rechtliche Einordnung

Mit dem Tod einer Person geht deren gesamtes Vermögen auf die Erbin über (vgl. § 1922 BGB - sog. Universalsukzession). Sie tritt damit in die Rechtsstellung der verstorbenen Person ein, ohne dass dazu eine Willenserklärung seitens der Erbin erforderlich ist. Das gilt selbst dann, wenn in der Verfügung von Todes wegen ein oder mehrere Vermächtnisse angeordnet sind. Trotz der angeordneten Vermächtnisse wird vorliegend N1 Inhaberin (= Eigentümerin) der gegen die Bank des Tagesgeldkontos bestehenden Geldforderungen. Allerdings ist sie schuldrechtlich aus dem Testament ihrer Tante verpflichtet, N2 und N3 jeweils 100.000 € auszuzahlen. Die Forderungen von N2 und N3 sind auch einklagbar.