LAG Hamm - Beschluss vom 10.05.2024
12 TaBV 115/23
Normen:
BetrVG § 103 Abs. 2; KSchG § 15 Abs. 1 S. 1;
Vorinstanzen:
ArbG Bielefeld, vom 10.08.2023 - Vorinstanzaktenzeichen 1 BV 35/23

Gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitglieds

LAG Hamm, Beschluss vom 10.05.2024 - Aktenzeichen 12 TaBV 115/23

DRsp Nr. 2024/11211

Gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitglieds

1. Soweit innerhalb eines individualrechtlichen Kündigungsstreits, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) ArbGG als Urteilsverfahren geführt wird, der Kündigende im Sinne des prozessualen Beibringungsgrundsatzes für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 626 BGB darlegungs- und beweisbelastet ist, gilt dies ausnahmsweise auch im Beschlussverfahren, wenn das Arbeitsgericht - wie hier - im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG inhaltlich die Voraussetzungen des § 626 BGB zu prüfen hat, die ebenfalls Gegenstand einer individualrechtlichen Kündigungsstreitigkeit sein können. 2. Eine etwaig fehlerhafte Dokumentation der Betriebsratstätigkeit betreffend die Lage der Tätigkeiten oder ein etwaiger Verstoß gegen die §§ 37, 38 BetrVG hinsichtlich der Auszahlung von erbrachten Mehrarbeitsstunden sind nicht geeignet, ohne vorherige Abmahnung die fristlose Kündigung eines seit sehr langen - hier über 35 Jahre - bestehenden Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats und des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 10.08.2023 - 1 BV 35/23 - abgeändert und der Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen.