(1)1Teilunternehmerisch genutzte Grundstücke im Sinne des § 15 Abs. 1 b UStG sind Grundstücke, die sowohl unternehmerisch als auch unternehmensfremd (privat) genutzt werden. 2Den Grundstücken gleichgestellt sind nach § 15 Abs. 1 b Satz 2 UStG Gebäude auf fremdem Grund und Boden sowie Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten (z. B. Erbbaurechte). 3§ 15 Abs. 1 b UStG stellt eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar, die nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers nach § 15 Abs. 1 UStG berührt (vgl. Abschnitt 15.2 c). 4Soweit ein Grundstück für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten i. e. S. verwendet wird (vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 1 a), ist die Vorsteuer bereits nach § 15 Abs. 1 UStG nicht abziehbar; für die Anwendung des § 15 Abs. 1 b UStG bleibt insoweit kein Raum (vgl. BFH-Urteil vom 3. 3. 2011, V R 23/10, BStBl 2012 II S. 74, Abschnitte 2.10, 2.11, 15.2 b Abs. 2 und Abschnitt 15.19). (2)1Eine teilunternehmerische Verwendung im Sinne des § 15 Abs. 1 b UStG liegt unter Berücksichtigung des Absatz
Beispiel 1: 1Unternehmer U, der nur vorsteuerunschädliche Ausgangsumsätze ausführt, lässt zum 1. 1. 02 ein Einfamilienhaus (EFH) fertig stellen. 2Die Herstellungskosten betragen insgesamt 300 000 € zzgl. 57 000 € Umsatzsteuer. 3U nutzt das Gebäude ab Fertigstellung planungsgemäß zu 40 % für seine vorsteuerunschädlichen Ausgangsumsätze und zu 60 % für private Wohnzwecke. 4Da die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume nicht erheblich voneinander abweicht, hat U richtigerweise eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel vorgenommen. 5U macht einen Vorsteuerabzug in Höhe von 22 800 € (40 % von 57 000 €) bei dem zuständigen Finanzamt geltend, ohne schriftlich mitzuteilen, in welchem Umfang er das Grundstück seinem Unternehmen zugeordnet hat. 6U hat durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in Höhe von 40 % dokumentiert, dass er in dieser Höhe das Grundstück seinem Unternehmen zugeordnet hat (vgl. Abschnitt 15.2 c Abs. 17 Satz 1). 7Da U gegenüber dem Finanzamt nicht schriftlich erklärt hat, dass er das Grundstück insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet hat, kann diese Zuordnung zum Unternehmen nicht unterstellt werden (vgl. Abschnitt 15.2 c Abs. 17 Satz 3). 8Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sind 22 800 € (57 000 € × 40 %) als Vorsteuer abziehbar. 9§ 15 Abs. 1 b UStG findet keine Anwendung, da U den für die privaten Wohnzwecke genutzten Grundstücksanteil nicht seinem Unternehmen zugeordnet hat. 10Sofern der für private Wohnzwecke genutzte Grundstücksanteil später unternehmerisch genutzt wird, ist eine Vorsteuerberichtigung zu Gunsten des U nach § 15 a UStG nicht zulässig, da U diesen Grundstücksanteil nicht nachweisbar seinem Unternehmen zugeordnet hat (vgl. Abschnitt 15 a.1 Abs. 6). 11Verringert sich hingegen später der Umfang der unternehmerischen Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten Grundstücksanteils (z. B. Nutzung des gesamten Grundstücks zu 80 % für private Wohnzwecke und zu 20 % für unternehmerische Zwecke), ist unter Beachtung der Bagatellgrenzen des § 44 UStDV eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG durchzuführen. 12Eine Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG erfolgt nicht.
Beispiel 2: | |
1Unternehmer U, der nur vorsteuerunschädliche Ausgangsumsätze ausführt, lässt zum 1. 1. 02 ein Einfamilienhaus fertig stellen. 2Die Herstellungskosten betragen insgesamt 300 000 € zzgl. 57 000 € Umsatzsteuer. 3Die Nutzfläche des Einfamilienhauses beträgt 200 qm. 4U nutzt das Gebäude ab Fertigstellung planungsgemäß zu 40 % für seine vorsteuerunschädlichen Ausgangsumsätze und zu 60 % für private Wohnzwecke, die Ausstattung der beiden Nutzungseinheiten weicht nicht erheblich voneinander ab. 5Die laufenden Aufwendungen, die auf das gesamte Grundstück entfallen, betragen in dem Jahr 02 1 500 € zzgl. 285 € Umsatzsteuer. 6U hat dem zuständigen Finanzamt schriftlich mitgeteilt, dass er das Grundstück im vollen Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat. | |
7U hat das Grundstück insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet und seine Zuordnungsentscheidung dokumentiert. 8Da U 60 % des Gebäudes für seine privaten nichtunternehmerischen Zwecke verwendet, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 b UStG nur in Höhe von 22 800 € (57 000 € × 40 %) zulässig. 9Da die laufenden Kosten nicht direkt der unternehmerischen bzw. privaten Nutzung des Grundstücks zugeordnet werden können, beträgt der Vorsteuerabzug aus den laufenden Aufwendungen nach Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen 114 € (§ 15 Abs. 4 Satz 4 UStG). |
Beispiel 3: | ||
1Sachverhalt wie Beispiel 2. 2Zum 1. 1. 05 erhöht sich | ||
a) 1die unternehmerische Nutzung des Gebäudes (EFH) um 12 Prozentpunkte auf 52 %. 2U führt wie bisher nur vorsteuerunschädliche Ausgangsumsätze aus. b) die private Nutzung des Gebäudes (EFH) um 15 Prozentpunkte auf 75 %. | ||
Zu a) | ||
1Es liegt zum 1. 1. 05 eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15 a Abs. 6 a UStG vor, da sich die unternehmerische Nutzung erhöht hat. 2Die Bagatellgrenzen des § 44 UStDV sind überschritten. | ||
Jahr 05: | ||
Insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer: 57 000 € | ||
Ursprünglicher Vorsteuerabzug: 22 800 € (entspricht 40 % von 57 000 €) | ||
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1. 1. 02 | ||
Dauer des Berichtigungszeitraums: 1. 1. 02 bis 31. 12. 11 | ||
Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung in 05: 52 % | ||
Vorsteuerberichtigung wegen Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerabzug: Vorsteuer zu 52 % statt zu 40 % | ||
Berichtigungsbetrag: 12 Prozentpunkte von 1/10 von 57 000 € = 684 € sind zu Gunsten des U zu korrigieren. | ||
Zu b) | ||
1Es liegt zum 1. 1. 05 eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15 a Abs. 6 a UStG vor, da sich die private Nutzung erhöht hat. 2Die Bagatellgrenzen des § 44 UStDV sind überschritten. | ||
Jahr 05: | ||
Insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer: 57 000 € | ||
Ursprünglicher Vorsteuerabzug: 22 800 € (entspricht 40 % von 57 000 €) | ||
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1. 1. 02 | ||
Dauer des Berichtigungszeitraums: 1. 1. 02 bis 31. 12. 11 | ||
Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung in 05: 25 % | ||
Vorsteuerberichtigung wegen Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerabzug: Vorsteuer zu 25 % statt zu 40 % | ||
Berichtigungsbetrag: 15 Prozentpunkte von 1/10 von 57 000 € = 855 € sind zu Ungunsten des U zu korrigieren. |
Beispiel 4: | |
1Sachverhalt wie Beispiel 2. 2Im Jahr 06 lässt U das Einfamilienhaus um ein Dachgeschoss erweitern, welches für fremde unternehmerische Zwecke, die nicht mit der Nutzung der eigenen unternehmerisch genutzten Flächen in Zusammenhang stehen, steuerpflichtig vermietet wird. 3Die Herstellungskosten hierfür betragen 100 000 € zzgl. 19 000 € Umsatzsteuer. 4Das Dachgeschoss ist zum 1. 7. 06 bezugsfertig und hat eine Nutzfläche von 100 qm. 5Zusätzlich lässt U im gleichen Jahr die Außenfassade neu streichen. 6Die Aufwendungen hierfür betragen 10 000 € zzgl. 1 900 € Umsatzsteuer. | |
7Der Ausbau des Dachgeschosses steht nicht in einem einheitlichem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den bereits vorhandenen Flächen. 8Es liegt deshalb ein eigenständiges Zuordnungsobjekt vor. 9Unabhängig von der bereits bei Herstellung des Gebäudes getroffenen Zuordnungsentscheidung kann das Dachgeschoss dem Unternehmen zugeordnet werden. 10Da U das Dachgeschoss steuerpflichtig vermietet, ist er zum Vorsteuerabzug in Höhe von 19 000 € berechtigt; es erfolgt keine Vorsteuerkürzung nach § 15 Abs. 1 b UStG. | |
11Der Anstrich der Außenfassade entfällt auf alle Stockwerke. 12Nach § 15 Abs. 1 b UStG berechtigt nur der Teil der Aufwendungen zum Vorsteuerabzug, der auf die unternehmerische Nutzung des Gebäudes entfällt. 13Die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 4 UStG erfolgt nach dem Verhältnis der Nutzflächen: | |
40 % von 200 qm (bisherige Nutzfläche) + 100 % von 100 qm (Dachgeschoss) = 180 qm von 300 qm (60 %) | |
60 % von 1 900 € = 1 140 € Vorsteuer |
Beispiel 5: | ||
1Sachverhalt wie Beispiel 2. 2U verkauft das Grundstück zum 1. 1. 09 an | ||
a) eine Privatperson steuerfrei für 400 000 €. b) 1einen anderen Unternehmer und optiert nach § 9 Abs. 1 UStG zur Steuerpflicht. 2Der Verkaufspreis beträgt 400 000 € (netto). 3Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG liegt nicht vor. | ||
Zu a) | ||
1Die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung führt zu einer Änderung der Verhältnisse nach § 15 a Abs. 8 UStG, da das Gebäude teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. 2Die Bagatellgrenzen des § 44 UStDV sind überschritten. | ||
Insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer: 57 000 € | ||
Ursprünglicher Vorsteuerabzug: 22 800 € (entspricht 40 % von 57 000 €) | ||
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1. 1. 02 | ||
Dauer des Berichtigungszeitraums: 1. 1. 02 bis 31. 12. 11 | ||
Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung im Berichtigungszeitraum: Jahr 02 bis 08 = 40 % | ||
Änderung der Verhältnisse: | ||
ab Jahr 09 = 40 Prozentpunkte (0 % statt 40 %) | ||
Vorsteuerberichtigung pro Jahr: | ||
(57 000 € / 10 Jahre = 5 700 €) | ||
Jahre 09 bis 11 = je 2 280 € (5 700 € × 40 %) | ||
3Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist für die Jahre 09 bis 11 zusammengefasst in der ersten Voranmeldung für das Kalenderjahr 09 vorzunehmen (§ 44 Abs. 3 Satz 2 UStDV). | ||
Zu b) | ||
1Die steuerpflichtige Veräußerung führt zu einer Änderung der Verhältnisse nach § 15 a Abs. 8 UStG, da das Gebäude nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. 2Die Bagatellgrenzen des § 44 UStDV sind überschritten. 3Die Umsatzsteuer für die steuerpflichtige Lieferung schuldet der Erwerber (§ 13 b Abs. 2 Nr. 3 UStG). | ||
Insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer: 57 000 € | ||
Ursprünglicher Vorsteuerabzug: 22 800 € (entspricht 40 % von 57 000 €) | ||
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1. 1. 02 | ||
Dauer des Berichtigungszeitraums: 1. 1. 02 bis 31. 12. 11 | ||
Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung im Berichtigungszeitraum: Jahr 02 bis 08 = 40 % | ||
Änderung der Verhältnisse: | ||
ab Jahr 09 = 60 Prozentpunkte (100 % statt 40 %) | ||
Vorsteuerberichtigung pro Jahr: | ||
(57 000 € / 10 Jahre = 5 700 €) | ||
Jahre 09 bis 11 = je 3 420 € (5 700 € × 60 %) | ||
4Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist für die Jahre 09 bis 11 zusammengefasst in der ersten Voranmeldung für das Kalenderjahr 09 vorzunehmen (§ 44 Abs. 3 Satz 2 UStDV). |