R 21 UStR 2005
Stand: 16.12.2004
zuletzt geändert durch:
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Umsatzsteuergesetzes (Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 - UStR 2005), BStBl. I S3/2004
Zu § 2 UStG

R 21 UStR 2005 Organschaft

R 21 Organschaft

UStR 2005 ( Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 )

Allgemeines (1) 1 Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. 2 Es ist nicht erforderlich, daß alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind. 3Organschaft kann auch gegeben sein, wenn die Eingliederung auf einem dieser drei Gebiete nicht vollkommen, dafür aber auf den anderen Gebieten um so eindeutiger ist, so daß sich die Eingliederung aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 23.04.1964 - BStBl III S. 346 - und vom 22.06.1967 - BStBl III S. 715). 4 Liegt Organschaft vor, sind die untergeordneten juristischen Personen (Organgesellschaften, Tochtergesellschaften) ähnlich wie Angestellte des übergeordneten Unternehmens (Organträger, Muttergesellschaft) als unselbständig anzusehen; Unternehmer ist der Organträger. 5Eine Gesellschaft kann bereits zu einem Zeitpunkt in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, zu dem sie selbst noch keine Umsätze ausführt, dies gilt insbesondere für eine Auffanggesellschaft im Rahmen des Konzepts einer "übertragenden Sanierung" (vgl. BFHUrteil vom 17. 1. 2002 - BStBl II S. 373). 6War die seit dem Abschluss eines Gesellschaftsvertrages bestehende Gründergesellschaft einer später in das Handelsregister eingetragenen GmbH nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert, besteht die Organschaft zwischen der GmbH und dem Unternehmen bereits für die Zeit vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister (vgl. BFH-Urteil vom 9. 3. 1978 - BStBl II S. 486). (2) 1 Als Organgesellschaften kommen nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1973 - BStBl 1974 II S. 311). 2 Organträger kann jeder Unternehmer sein. 3 Eine GmbH, die an einer Kommanditgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt ist, kann nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen dieser Kommanditgesellschaft eingegliedert sein (BFH-Urteil vom 14.12.1978 - BStBl 1979 II S. 288). 4Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann Organträger sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig ist. 5Die die Unternehmereigenschaft begründenden entgeltlichen Leistungen können auch gegenüber einer Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine organschaftliche Verbindung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 9. 10. 2002 - BStBl 2003 II S. 375). (3) Die Voraussetzungen für die umsatzsteuerliche Organschaft sind nicht in vollem Umfange identisch mit den Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft. Finanzielle Eingliederung (4) 1 Unter der finanziellen Eingliederung ist der Besitz der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft zu verstehen, die es ermöglicht, Beschlüsse in der Organgesellschaft durchzusetzen. 2Entsprechen die Beteiligungsverhältnisse den Stimmrechtsverhältnissen, so ist die finanzielle Eingliederung gegeben, wenn die Beteiligung mehr als 50 v.H. beträgt. 3 An einer finanziellen Eingliederung in ein übergeordnetes Unternehmen fehlt es, wenn die Anteile zweier Kapitalgesellschaften ausschließlich von natürlichen Personen im Privatvermögen gehalten werden. 4 In diesem Fall ist keine der beiden Gesellschaften in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet, sondern es handelt sich vielmehr um gleichgeordnete Schwestergesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1996 - BStBl 1997 II S. 441). 5 Der Annahme einer finanziellen Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft steht es jedoch nicht entgegen, wenn sich die Anteile nicht im Besitz der Personengesellschaft befinden, sondern den Gesellschaftern der Personengesellschaft selbst zustehen (vgl. RFH-Urteil vom 12.07.1940 - RStBl S. 910). 6 Die maßgebliche Beteiligung von stillen Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft an einer GmbH muß bei der Beurteilung einer finanziellen Eingliederung der GmbH in die offene Handelsgesellschaft - im Wege mittelbarer Beteiligung - außer Betracht bleiben (BFH-Urteil vom 02.08.1979 - BStBl 1980 II S. 20). Wirtschaftliche Eingliederung (5) 1 Wirtschaftliche Eingliederung bedeutet, daß die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesem, es fördernd und ergänzend, wirtschaftlich tätig ist (BFH-Urteil vom 22.06.1967 - BStBl III S. 715). 2Sie kann bei entsprechend deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft auf Grund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen, insbesondere braucht dann die Organgesellschaft nicht vom Organträger abhängig zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 3. 4. 2003 - BStBl 2004 II S. 434). 3 Für die Frage der wirtschaftlichen Verflechtung kommt der Entstehungsgeschichte der Tochtergesellschaft eine wesentliche Bedeutung zu. 4 Die Unselbständigkeit einer hauptsächlich im Interesse einer anderen Firma ins Leben gerufenen Produktionsfirma braucht nicht daran zu scheitern, daß sie einen Teil ihrer Erzeugnisse auf dem freien Markt absetzt. 4 Der Fremdanteil ihres Absatzes darf aber, wenn die für die wirtschaftliche Eingliederung gebotene enge wirtschaftliche Verflechtung mit der anderen Firma erhalten bleiben soll, im Durchschnitt der Jahre nicht überwiegen (BFH-Urteil vom 27.08.1964 - BStBl III - S. 539). 5 Ist dagegen eine Produktionsgesellschaft zur Versorgung eines bestimmten Marktes gegründet worden, kann ihre wirtschaftliche Eingliederung als Organgesellschaft auch dann gegeben sein, wenn zwischen ihr und der Muttergesellschaft Warenlieferungen nur in geringem Umfange oder überhaupt nicht vorkommen (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.1972 - BStBl II S. 840). 6 Bei einer Betriebsaufspaltung in eine Besitzgesellschaft (Personengesellschaft) und eine Betriebsgesellschaft (Kapitalgesellschaft) und Verpachtung des Betriebsvermögens von der Besitzgesellschaft an die Betriebsgesellschaft steht die durch die Betriebsaufspaltung entstandene Kapitalgesellschaft im allgemeinen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Besitzgesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 28.01.1965 - BStBl III S. 243 - und vom 17.11.1966 - BStBl 1967 III S. 103). 7 Auch wenn bei einer Betriebsaufspaltung nur das Betriebsgrundstück ohne andere Anlagegegenstände verpachtet wird, kann eine wirtschaftliche Eingliederung vorliegen (BFH-Urteil vom 09.09.1993 - BStBl 1994 II S. 129). 8 Die wirtschaftliche Eingliederung wird jedoch nicht aufgrund von Liquiditätsproblemen der Organtochter beendet (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1995 - UR 1996 S. 265). Organisatorische Eingliederung (6) 1 Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, daß in der Organgesellschaft sein Wille auch tatsächlich ausgeführt wird. 2 Dies ist z.B. durch Personalunion der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften der Fall (vgl. BFH-Urteile vom 23.04.1959 - BStBl III 3 S. 256 - und vom 13.04.1961 - BStBl III S. 343). 3 Nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, daß die Organgesellschaft in eigenen Räumen arbeitet, eine eigene Buchhaltung und eigene Einkaufs- und Verkaufsabteilungen hat, da dies dem Willen des Organträgers entsprechen kann (vgl. BFH-Urteil vom 23.07.1959 - BStBl III S. 376). 4 Bei Organgesellschaften, bei denen der Organträger Geschäftsführer der Organgesellschaft ist, endet die Organschaft nur dann bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluß auf die Organgesellschaft erhält und ihm eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.03.1997 - BStBl II S. 580 für den Sequester im früheren Konkursverfahren). 5Dies gilt auch bei einer Insolvenz des Organträgers. 6 Das Insolvenzverfahren steht der Organschaft grundsätzlich nicht entgegen, solange dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine vom Willen des Vorstands abweichende Willensbildung beim Organträger nicht möglich ist. 7 Die Organschaft kann aber ausnahmsweise mit der Insolvenz des Organträgers enden, wenn sich die Insolvenz nicht auf die Organgesellschaft erstreckt (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.1999 - BStBl II S. 258 für das frühere Konkursverfahren). Insolzverfahren (7) 1Bei Organgesellschaften, bei denen der Organträger Geschäftsführer der Organgesellschaft ist, endet die Organschaft nur dann bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft erhält und ihm eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. 3. 1997 - BStBl II S. 580 für den Sequester nach der KO). 2Dies gilt auch bei einer Insolvenz des Organträgers. 3Das Insolvenzverfahren steht der Organschaft grundsätzlich nicht entgegen, solange dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine vom Willen des Vorstands abweichende Willensbildung beim Organträger nicht möglich ist. 4Die Organschaft kann aber ausnahmsweise mit der Insolvenz des Organträgers enden, wenn sich die Insolvenz nicht auf die Organgesellschaft erstreckt (vgl. BFH-Urteil vom 28. 1. 1999 - BStBl II S. 258 für das Konkursverfahren nach der KO).