R 215 UStR 2005
Stand: 16.12.2004
zuletzt geändert durch:
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Umsatzsteuergesetzes (Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 - UStR 2005), BStBl. I S3/2004
Zu § 15a UStG (§ 44 und § 45 UStDV)

R 215 UStR 2005 Änderung der Verhältnisse

R 215 Änderung der Verhältnisse

UStR 2005 ( Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 )

(1) 1 Erstmalige Verwendung im Sinne des § 15a UStG ist die erstmalige tatsächliche Nutzung des Wirtschaftsguts. 2 Als Verwendung sind auch die Veräußerung und die unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG) anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 02.10.1986 - BStBl 1987 II S. 44). 3 Voraussetzung ist jedoch, daß das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt dieser Umsätze objektiv noch verwendungsfähig ist. 4 Veräußerung und unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Absatz 1b UStG sind hierbei so anzusehen, als ob das Wirtschaftsgut bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums (vgl. Abschnitt 216) entsprechend der umsatzsteuerlichen Behandlung dieser Umsätze weiterhin innerhalb des Unternehmens verwendet worden wäre. Beispiel:
Ein Betriebsgrundstück, das vom 01.01.01 bis zum 31.10.01 innerhalb des Unternehmens zur Ausführung zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze verwendet worden ist, wird am 01.11.01 nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG steuerfrei veräußert. Für die Berichtigung ist die Veräußerung so anzusehen, als ob das Grundstück ab dem Zeitpunkt der Veräußerung bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums nur noch zur Ausführung von Umsätzen verwendet würde, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Entsprechendes gilt bei einer steuerfreien unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Absatz 1b Nr. 3 UStG.
(2) 1 Unter Veräußerung ist sowohl die Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG - z.B. auch die Verwertung in der Zwangsvollstreckung - als auch die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter zu verstehen. 2 Bei einer Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG). 3 In diesem Fall wird der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen (§ 15a Abs. 6a Satz 1 UStG). 4 Liegt bei einer Gesamtrechtsnachfolge keine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG vor, z.B. bei einem Erbfall, ist davon auszugehen, daß der Rechtsnachfolger in die gesamte Rechtsstellung des Rechtsvorgängers eintritt. 5 Daher sind die Verhältnisse beim Rechtsvorgänger auch für den Rechtsnachfolger uneingeschränkt maßgebend. 6 Das gleiche gilt, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses eintreten oder wegfallen, ohne daß das Wirtschaftsgut selbst auf eine andere Rechtsperson übertragen wird, oder eine zweigliedrige Personengesellschaft durch Ausscheiden eines Gesellschafters zu einem Einzelunternehmen wird. (3) 1 Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 15a UStG liegt nur vor, wenn sich im Berichtigungszeitraum nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG ein höherer oder niedrigerer Vorsteuerabzug ergäbe, als er nursprünglich zulässig war. 2 Hierbei sind die Verhältnisse in den einzelnen Kalenderjahren für sich zu beurteilen. (4) 1 Bei Änderungen im Laufe eines Kalenderjahres ist maßgebend, wie das Wirtschaftsgut während des gesamten Kalenderjahres verwendet wird. 2 Das gilt auch bei einer Änderung der Verhältnisse in den einzelnen Folgejahren. Beispiel:
Ein Unternehmer erwirbt am 1. 3. 01 eine Maschine. Er beabsichtigt, sie bis zum 30.06.01 nur zur Ausführung von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen und ab 01.07.01 ausschließlich zur Ausführung von Umsätzen, die nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG den Vorsteuerabzug ausschließen, zu verwenden. Am 01.10.03 veräußert der Unternehmer die Maschine steuerpflichtig. Im Jahr 01 kann der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezuges 40 % der auf die Anschaffung der Maschine entfallenden Vorsteuern abziehen (von den 10 Monaten des Jahres 01 soll die Maschine 4 Monate, d. h. zu 40 %, für zum Vorsteuerabzug berechtigende und 6 Monate, d. h. zu 60 %, für den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze verwendet werden). Da die Maschine im Jahr 01 planmäßig verwendet wurde, ist der Vorsteuerabzug nicht zu berichtigen. Im Jahr 02 wird die Maschine nur für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Damit liegt eine Änderung der Verhältnisse um 40 Prozentpunkte vor. Der Unternehmer muss die Vorsteuern entsprechend an das Finanzamt zurückzahlen. Im Jahr 03 wird die Maschine 9 Monate für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Die Veräußerung am 1. 10. 03 ist so zu behandeln, als ob die Maschine vom 1. 10. bis 31. 12. für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet worden wäre. Auf das ganze Kalenderjahr bezogen sind 25 % der Vorsteuern abziehbar. Gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug haben sich somit die Verhältnisse um 15 Prozentpunkte geändert. Der Unternehmer muss die Vorsteuern entsprechend an das Finanzamt zurückzahlen. Für die restlichen Kalenderjahre des Berichtigungszeitraums ist die Veräußerung ebenfalls wie eine Verwendung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze anzusehen. Die Änderung der Verhältnisse gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug beträgt somit für diese Kalenderjahre jeweils 60 Prozentpunkte. Der Unternehmer hat einen entsprechenden nachträglichen Vorsteuerabzug (zum Berichtigungsverfahren in diesem Fall vgl. Abschnitt 218 Absatz 4).
(5) Endet der maßgebliche Berichtigungszeitraum (vgl. Abschnitt 216) während des Kalenderjahres, so sind nur die Verhältnisse zu berücksichtigen, die bis zum Ablauf dieses Zeitraums eingetreten sind. Beispiel:
Der Berichtigungszeitraum für ein Wirtschaftsgut endet am 31.08.01. In diesem Kalenderjahr hat der Unternehmer das Wirtschaftsgut bis zum 30.06. nur zur Ausführung zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze und ab 01.07. ausschließlich zur Ausführung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigender steuerfreier Umsätze verwendet. Am 10.10.01 veräußert er das Wirtschaftsgut steuerpflichtig. Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs für das Jahr 01 sind nur die Verhältnisse bis zum 31.08. zu berücksichtigen. Da das Wirtschaftsgut in diesem Zeitraum 6 Monate für zum Vorsteuerabzug berechtigende und 2 Monate für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet wurde, sind 25 v.H. des auf das Jahr 01 entfallenden Vorsteueranteils (vgl. Abschnitt 217 Abs. 1) nicht abziehbar. Die auf die Zeit ab 01.09.01 entfallende Verwendung und die Veräußerung liegen außerhalb des Berichtigungszeitraums und bleiben deshalb bei der Prüfung, inwieweit eine Änderung der Verhältnisse gegenüber dem ursprünglichen Vorsteuerabzug vorliegt, außer Betracht.
(6) 1Steht ein Gebäude vor der erstmaligen Verwendung leer, beginnt der Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG erst mit der erstmaligen tatsächlichen Verwendung. Beispiel:
Ein Unternehmer errichtet ein Bürogebäude. Die im Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer beträgt in den Jahren 01 100 000 € und 02 300 000 € (insgesamt 400 000 €). Die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG belaufen sich vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung (Investitionsphase) auf 100 000 €, da der Unternehmer im Jahr 01 eine zu 100 % und im Jahr 02 eine zu 0 % zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung des Gebäudes beabsichtigte. Das Gebäude steht nach der Investitionsphase zwei Jahre leer (Jahr 03 und Jahr 04). Ab dem Jahr 05 wird das Gebäude zu 100 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet. Insgesamt in Rechnung gestellte Umsatzsteuer: 400 000 € Ursprünglicher Vorsteuerabzug (Ermittlung eines prozentualen Verhältnisses des ursprünglichen Vorsteuerabzuges zum Vorsteuervolumen insgesamt): 100 000 € (25 % von 400 000 €). Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung: 1. 1. 05 Dauer des Berichtigungszeitraums: 1. 1. 05 bis 31. 12. 14 Tatsächliche zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung im Berichtigungszeitraum: ab Jahr 05 = 100 % Änderung der Verhältnisse: ab Jahr 05 = 75 % (100 % statt 25 %) Vorsteuerberichtigung pro Jahr: (400 000 €/10 Jahre = 40 000 € pro Jahr) ab Jahr 05 = 30 000 € (40 000 € x 75 %) nachträgliche Vorsteuer
2Auch für Leistungsbezüge während des Leerstands vor der erstmaligen Verwendung richtet sich der Vorsteuerabzug nach der im Zeitpunkt des Leistungsbezuges gegebenen Verwendungsabsicht (vgl. Abschnitt 203).
(7) 1 Die Änderung der Verhältnisse in den Folgejahren kann z. B. darauf beruhen, daß sich 1. die Verwendung des Wirtschaftsguts für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze tatsächlich geändert hat, z.B. wenn der Unternehmer ein Wirtschaftsgut innerhalb des Unternehmens anderweitig nutzt oder einen ursrünglich ausgeübten Verzicht auf eine Steuerbefreiung (§ 9 UStG) später nicht fortführt, 2. eine Rechtsänderung nach dem Leistungsbezug auf die Beurteilung des Vorsteuerabzugs auswirkt, z.B. bei Wegfall oder Einführung einer den Vorsteuerabzug ausschließenden Steuerbefreiung (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.1992 - BStBl II S. 983), oder 3. die rechtliche Beurteilung des ursprünglichen , die der Gewährung des Vorsteuerabzugs später zugrunde lag, in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Jahr des Leistungsbezugs bestandskräftig und unabänderbar ist (vgl. Abschnitt 217 Abs. 3). 2Wegen der Behandlung des Vorsteuerabzugs bei Bauherren, die ein zunächst anerkanntes Zwischenmietverhältnis später nicht fortführen. 3 vgl. BMF-Schreiben vom 24.04.1986 - BStBl I S. 264. (8) Bei bebauten und unbebauten Grundstücken ergeben sich Änderungen der Verhältnisse vor allem in folgenden Fällen: 1. bei Nutzungsänderungen, insbesondere durch a) Übergang von einer durch Option nach § 9 UStG steuerpflichtigen Vermietung an andere Unternehmer für deren Unternehmen zu einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung bzw. Übergang von steuerfreier zu steuerpflichtiger Vermietung, b) Verwendung eigengewerblich genutzter Räume zu eigenen Wohnzwecken oder zu einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung, c) Übergang von einer steuerfreien Vermietung nach Artikel 67 Abs. 3 NATO-ZAbk zu einer nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Vermietung, d) Änderung des Vorsteueraufteilungsschlüssels bei Grundstücken, die sowohl zur Ausführung von Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, verwendet werden (vgl. Abschnitte 207, 208 und 217 Abs. 2); 2. bei Veräußerungen, die nicht als Geschäftsveräußerungen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG anzusehen sind, insbesondere a) nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG steuerfreie Veräußerung ganz oder teilweise eigengewerblich genutzter, steuerpflichtig vermieteter oder aufgrund des Artikels 67 Abs. 3 NATO-ZAbk steuerfrei vermieteter Grundstücke (vgl. auch Absatz 1), b) durch wirksame Option nach § 9 UStG steuerpflichtige Veräußerung bisher ganz oder teilweise nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei vermieteter Grundstücke; 3. bei unentgeltlichen Wertabgaben , insbesondere a) bei unentgeltlicher Übertragung ganz oder teilweise eigengewerblich genutzter, steuerpflichtig vermieteter oder aufgrund des Artikels 67 Abs. 3 NATO-ZAbk steuerfrei vermieteter Grundstücke, die nicht als Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG anzusehen ist, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1987 - BStBl II S. 655), b) bei unentgeltlicher Nießbrauchsbestellung an einem entsprechend genutzten Grundstück, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.1987 - BStBl 1988 II S. 205), c) bei unentgeltlicher Übertragung des Miteigentumsanteils an einem entsprechend genutzten Grundstück, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.1994 - BStBl 1995 II S. 30). (9) Bei bebauten und unbebauten Grundstücken liegt eine Änderung der Verhältnisse nicht vor, wenn die Verfügungsmacht bei einer unentgeltlichen Lieferung mangels Ertragsübergangs nicht verschafft wird, da es insoweit an einem Leistungsaustausch fehlt (BFH-Urteil vom 18. 11. 1999 - BStBl 2000 II S. 153). (10) 1 Steht ein Gebäude im Anschluß an seine erstmalige Verwendung für eine bestimmte Zeit ganz oder teilweise leer,ist bis zur tatsächlichen erneuten Verwendung des Wirtschaftsgutes anhand der Verwendungsabsicht (vgl. Abschnitt 203) zu entscheiden, ob sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern. 2Keine Änderung der Verhältnisse liegt dabei vor, wenn im Anschluss an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung auch künftig zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausgeführt werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 25. 4. 2002 - BStBl 2003 II S. 435). Dagegen kann die Änderung der Verwendungsabsicht oder die spätere tatsächliche Verwendung zu Vorsteuerberichtigung führen. (11) 1 Ein Kleinunternehmer, der nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, kann eine Vorsteuerberichtigung zu seinen Gunsten vornehmen, wenn das Wirtschaftsgut ursprünglich zur Ausführung steuerfreier undspäter nach Option für die allgemeine Besteuerung (§ 19 Abs. 2 UStG) zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze eingesetzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1993 - BStBl 1994 II S. 582). 2 Bei einem Wechsel von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nur vorzunehmen, wenn sich die Verhältnisse bei einem Wirtschaftsgut ändern, das vom Unternehmer bereits vor dem Wechsel zur Besteuerung nach § 19 Abs. 1 UStG erstmalig verwendet worden ist (§ 19 Abs. 1 Satz 5 UStG). (12) Zur Vorsteuerberichtigung bei Wirtschaftsgütern, die sowohl in einem gewerblichen Unternehmensteil als auch in einem landwirtschaftlichen Unternehmensteil (§ 24 UStG) eingesetzt werden, und beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG und umgekehrt vgl. BMF-Schreiben vom 29.12.1995 - BStBl I S. 831.