R 99a UStR 2005
Stand: 16.12.2004
zuletzt geändert durch:
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Umsatzsteuergesetzes (Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 - UStR 2005), BStBl. I S3/2004
Zu § 4 Nr. 16 UStG

R 99a UStR 2005 Pflegeeinrichtungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG

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R 99a UStR 2005 Pflegeeinrichtungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG

R 99a Pflegeeinrichtungen nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG

UStR 2005 ( Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 )

(1) 1 Begünstigt sind Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen. 2 Wohngemeinschaften fallen nicht hierunter. 3 Gleichartige Einrichtungen eines Unternehmens sind jeweils als eine Einrichtung anzusehen. 4 Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen sind Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen zeitweise vollstationär (ganztägig) oder teilstationär (tagsüber oder nachts) untergebracht und gepflegt werden (Kurzzeitpflegeeinrichtungen, Tages- und Nachteinrichtungen). 5 Ambulante Pflegeeinrichtungen sind Einrichtungen, die kranke und pflegebedürftige Personen in deren Wohnung pflegen oder Pflegeberatungsleistungen nach § 37 Absatz 3 SGB XI erbringen. 6 Begünstigt sind ferner unselbständige, wirtschaftlich und organisatorisch abgrenzbare Teilbereiche eines Unternehmens (z.B. Kurzzeitpflegeeinrichtung innerhalb eines Krankenhauses). (2) 1 Die Pflegeleistungen begünstigter Einrichtungen sind nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Einrichtungen selbst alle im Zusammenhang mit der Pflege anfallenden Pflegeleistungen oder Pflegeberatungsleistungen nach § 37 Absatz 3 SGB XI erbringen können. 2Übernimmt eine Pflegeeinrichtung als Kooperationspartner einer anderen Einrichtung einen Teil des Pflegeauftrags für eine zu pflegende Person und liegen bei beiden Einrichtungen die Voraussetzungen vor, dass sie jeweils sämtliche im Zusammenhang mit der Übernahme einer ambulanten Pflege anfallenden Pflegeleistungen erbringen könnten, kann für beide Einrichtungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG in Betracht kommen. 3Es kann jedoch nur diejenige Pflegeeinrichtung (auftraggebende oder auftragnehmende Pflegeeinrichtung als Kooperationspartner) ihre Pflegeleistungen steuerfrei erbringen, bei der im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, Kriegsopferfürsorge oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. 4Beansprucht der andere Kooperationspartner ebenfalls die Umsatzsteuerbefreiung, hat auch er nachzuweisen, dass bei ihm die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. (3) 1 Pflegebedürftige Personen sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen (vgl. § 61 Absatz 1 SGB XII ). 2 Nicht pflegebedürftig ist, wer nur Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich benötigt. (4) 1 Die Pflegekosten müssen im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens vierzig vom Hundert der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, Kriegsopferfürsorge oder Sozialhilfe ganz ober überwiegend getragen worden sein. 2 Für die Auslegung des Begriffs "Fälle" ist von der Anzahl der gepflegten Personen im Laufe eines Kalendermonats auszugehen. 3 Bei der Unterbringung in einer Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen gilt daher die Aufnahme einer Person innerhalb eines Kalendermonats als ein Pflegefall. 4 Bei der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen gelten alle Leistungen für eine Person in einem Kalendermonat als ein Pflegefall. 5 Werden von einem Unternehmer mehrere verschiedenartige Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 betrieben, sind die im Laufe eines Kalendermonats gepflegten Personen zur Ermittlung der Gesamtzahl der Pflegefälle jeder Einrichtung gesondert zuzuordnen. Beispiel:
In einer Kurzzeitpflegeeinrichtung werden vom 1. Januar bis 31. März je Kalendermonat 100 Personen und vorn 1. Mai bis 31. Dezember je Kalendermonat 70 Personen vorübergehend aufgenommen. Vom 1. April bis 30. April ist das Heim wegen Umbau geschlossen. Die Zahl der Pflegefälle errechnet sich für das Jahr wie folgt:

Vom 1. Januar bis 31. März 3 Kalendermonate x 100 gepflegte Personen = 300 Pflegefälle
Vom 1. Mai bis 31. Dezember 8 Kalendermonate x 70 gepflegte Personen = 560 Pflegefälle
Insgesamt = 860 Pflegefälle

Eine von einem Kooperationspartner teilweise oder vollständig gepflegte Person wird auch bei dem Kooperationspartner zum "Fall". (5) 1 Zu den Kosten eines Pflegefalles gehören bei einer Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung die in Rechnung gestellten Aufwendungen insbesondere für Unterkunft, Verpflegung, Betreuung, Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 Elftes Sozialgesetzbuch - SGB XI - und § 61 Absatz 5 Nr. 1 bis 3 SGB XII und krankenpflegerische Versorgung (BFH-Urteil vom 5. 2. 2004 - BStBl II S. 669). 2 Bei der ambulanten Pflege gehören zu den Kosten die in Rechnung gestellten Aufwendungen insbesondere für die häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege sowie Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI und § 68 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 BSHG, hauswirtschaftliche Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI und § 68 Abs. 5 Nr. 4 BSHG) oder für die häusliche Pflege (Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) nach § 37 SGB V, §§ 47, 48 SGB XII, § 14 Absatz 4 Nr. 1 bis 4 SGB XI und § 61 Absatz 5 Nr. 1 bis 4 SGB XII . (6) 1 Die Kosten eines Pflegefalles werden von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, Kriegsopferfürsorge oder Sozialhilfe zum überwiegenden Teil getragen, wenn sie die Kosten des Pflegefalles allein oder gemeinsam zu mehr als 50 v.H. übernehmen. 2 Der Zeitpunkt der Kostenerstattung ist dabei ohne Bedeutung. 3 Kostenzuschüsse oder Kostenerstattungen anderer Einrichtungen (z.B. private Krankenkassen, Beihilfestellen für Beamte, Wohlfahrtsverbände) sind den eigenen Aufwendungen der gepflegten Person zuzurechnen. Beispiel 1:
Eine pflegebedürftige Person wird 3 Stunden am Tag in der Zeit vom 17. bis zum 31. Januar (= 15 Tage) ambulant gepflegt. Die Pflegekosten je Stunde umfassen die Behandlungspflege in Höhe von 15 € und die häusliche Pflege in Höhe von 10 € . Vom Träger der Sozialversicherung (gesetzliche Pflegekasse) werden die Kosten für die häusliche Pflege übernommen. Außerdem erhält die gepflegte Person von ihrer gesetzlichen Krankenkasse Kostenerstattung für die Behandlungspflege. Kosten des Pflegefalles:

Behandlungspflege 15 €
häusliche Pflege 10 €
Zwischensumme 25 € x 3 Stunden = 75 € pro Tag
Summe 75 € x 15 Tage = 1.125 €
Erstattung Sozialversicherungsträger
Erstattung gesetzliche Pflegekasse 450 €
Erstattung gesetzliche Krankenkasse 675 €
Summe 1.125 € (= 100 v.H.)
Ergebnis: Kostentragung durch Sozialversicherungsträger.
Beispiel 2:
Eine pflegebedürftige Person wird im Monat Januar in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgenommen. Der Tagessatz für die Pflege beträgt 40 € und für die Unterbringung 25 € . Der Träger der Sozialversicherung (gesetzliche Pflegekasse) übernimmt die Kosten der Pflege (Behandlungs- und Grundpflege). Kosten des Pflegefalles:

65 € pro Tag x 31 Tage = 2.015 €
Erstattung Sozialversicherungsträger
Pflegekosten (40 € pro Tag x 31 Tage) = 1.240 €
Eigenanteil der pflegebedürftigen Person
Unterbringung 25 € x 31 Tage = 775 € (= 38,5 v.H.)
Ergebnis: Überwiegende Kostentragung durch Sozialversicherungsträger.
Beispiel 3:
Eine pflegebedürftige Person wird im Monat Januar in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgenommen. Der Tagessatz für die Pflege beträgt 40 € und für die Unterbringung 25 € . Der Träger der Sozialversicherung (gesetzliche Pflegekasse) und die Beihilfestelle übernehmen die Kosten der Pflege (Behandlungs- und Grundpflege) in Höhe von je 50 v.H. (vgl. § 28 Abs. 2 SGB XI). Kosten des Pflegefalles:

65 € pro Tag x 31 Tage = 2.015 €
Erstattung Sozialversicherungsträger (50 v.H. der Pflegekosten)
Pflegekosten (40 € pro Tag x 31 Tage) x 50 v.H. = 620 €
Erstattung Beihilfe (50 v.H. der Pflegekosten) Pflegekosten (40 € pro Tag x 31 Tage) x 50 v.H. = 620 €
Eigenanteil der pflegebedürftigen Person einschließlich Erstattung Beihilfe 2.015 € abzüglich 620 € = 1.395 € (= 69,2 v.H.)
Ergebnis: Keine überwiegende Kostentragung durch Sozialversicherungsträger.
(7) 1 Für die Ermittlung der "Vierzig-vom-Hundert-Grenze" sind die Verhältnisse des Vorjahres maßgebend. 2 Nimmt der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu auf, ist auf die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Jahres abzustellen. Beispiel:
Eine Kurzzeitpflegeeinrichtung wird am 1. September eröffnet. Der Betreiber der Einrichtung geht nach sorgfältiger Prüfung davon aus, daß in 50 v.H.der Pflegefälle die Kosten überwiegend von den Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe getragen werden. Nach Ablauf des Jahres wird festgestellt, daß eine überwiegende Kostenübernahme nur in 35 v.H. der Fälle erfolgte. Für dieses Jahr kann die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG in Anspruch genommen werden. Für das Folgejahr besteht Umsatzsteuerpflicht.
(8) 1 Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen für jede gepflegte Person einer Pflegeeinrichtung im Sinne von Absatz 1 beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden. 2 Hierzu gehören insbesondere der Nachweis der Pflegebedürftigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer durch eine Bestätigung der Krankenkasse, der Pflegekasse, des Sozialhilfeträgers, des Gesundheitsamtes oder durch ärztliche Verordnung, der Nachweis der Kosten des Pflegefalles durch Rechnungen und der Höhe der Kostenerstattung der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe durch entsprechende Abrechnungsunterlagen sowie die Aufzeichnung des Namens und der Anschrift der gepflegten Person, die Aufzeichnung des Entgelts für die gesamte Pflegeleistung und der Höhe des Kostenersatzes durch den Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe für den einzelnen Pflegefall und der Summe der gesamten Pflegefälle eines Kalenderjahres und der Summe der Pflegefälle dieses Jahres mit überwiegender Kostentragung durch die Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe. 3 Dies gilt auch für Kooperationspartner. (9) 1 1Schulungskurse und Beratungen, die Pflegeeinrichtungen im Auftrag der Pflegekassen durchführen , sowie Pflichtpflegeeinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI sind eng mit den Pflegeleistungen verbundene Umsätze. 2 Sie werden grundsätzlich nicht als "Fall" angesehen und bei der Berechnung der 40-v.H.-Grenze außen vor gelassen. 3 Diese Umsätze sind danach steuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 v.H. der Fälle der Einrichtung ganz oder zum überwiegenden Teil von der Sozialversicherung oder Sozialhilfe getragen worden sind.