Problem

Autorin: Diplom-Finanzwirtin Rabea Schwarz

Grundsätzlich ist das vom Leistungsempfänger tatsächlich aufgewendete Entgelt abzgl. der darin enthaltenen Umsatzsteuer die Bemessungsgrundlage bei steuerpflichtigen Umsätzen.

Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen, die

Körperschaften und Personenvereinigungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1-5 KStG (Kapitalgesellschaften z.B. in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Aktiengesellschaft, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, sonstige juristische Personen des Privatrechts, nichtrechtsfähige Vereine, Stiftungen und andere Zweckvermögen des Privatrechts),

Personenvereinigungen (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, stille Gesellschaft),

Gemeinschaften (Erbengemeinschaft, Arbeitsgemeinschaften),

im Rahmen ihres Unternehmens gegen Entgelt an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, ist gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG das gezahlte Entgelt mit der nach § 10 Abs. 4 UStG zu ermittelnden Bemessungsgrundlage zu vergleichen.

Ebenso ist gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG auch bei Umsätzen eines Einzelunternehmers gegen Entgelt an diesem nahestehende Personen das gezahlte Entgelt mit der nach § 10 Abs. 4 UStG zu ermittelnden Bemessungsgrundlage zu vergleichen.

Nahestehende Personen

Nahestehende Personen in diesem Sinn sind insbesondere Angehörige nach § 15 AO, beispielsweise

der Verlobte,

der Ehegatte,

Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie,

Geschwister, auch Halbgeschwister,

Kinder der Geschwister (nicht jedoch die Kinder der Geschwister als Cousins/Cousinen untereinander),

Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten (nur jeweils bezogen auf die zu beurteilende Person, die Ehegatten der Geschwister untereinander sind keine Angehörigen i.S.d. § 15 AO),

Geschwister der Eltern,

Pflegeeltern und Pflegekinder.

Auch bei Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer gegen Entgelt an sein Personal oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt, ist das gezahlte Entgelt gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG mit der nach § 10 Abs. 4 UStG zu ermittelnden Bemessungsgrundlage zu vergleichen.

Hinsichtlich der Frage, ob die umsatzsteuerliche Mindestbemessungsgrundlage bei Leistungen an zwar nahestehende, aber vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ebenfalls anzuwenden ist, hat der BFH in dem Revisionsverfahren XI R 44/12 mit seinem Urteil vom 05.06.2014 (Vorinstanz FG München, Urt. v. 27.11.2012 - 2 K 3380/10) verneint. Die Umsätze der Klägerin aufgrund der steuerpflichtigen Verpachtung eines Gebäudes (Schweinemaststall) an eine ihr nahestehende Person (Sohn) - der seinerseits einen land- und forstwirtschaftlichen, der Regelbesteuerung unterliegenden Betrieb führt - sind nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage zu besteuern, sondern nach dem tatsächlichen entrichteten (niedrigeren) Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG). Die Ermittlung eines marktüblichen Entgelts und der Vergleich mit dem tatsächlich entrichteten Entgelt könne unterbleiben, da es sich hier ungeachtet des Tatbestandmerkmals der "nahestehenden Personen" um zwei voll vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer handele und der Leistungsempfänger (Sohn) mit dem fraglichen Umsatz keiner Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG unterliegt.

Die Prüfung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 UStG wird nur bei Entgeltlichkeit der zu beurteilenden Leistung durchgeführt. Erfolgt keine Zahlung durch den Leistungsempfänger, ermittelt sich die Bemessungsgrundlage ausschließlich nach § 10 Abs. 4 UStG.

Das tatsächlich entrichtete Entgelt wird bei der Berechnung der Umsatzsteuer nach § 10 Abs. 1 UStG nur dann zugrunde gelegt, wenn

es dem nach § 10 Abs. 4 UStG in Betracht kommenden Wert bzw. dem Aufwand für eine vergleichbare unentgeltliche Leistung entspricht oder sogar höher ist oder

es unter dem nach § 10 Abs. 4 UStG ermittelten Wert liegt, jedoch marktüblich ist (EuGH, Urt. v. 29.05.1997 - Rs. C-63/96, Skripalle, BStBl II, 841; BFH, Urt. v. 08.10.1997, BStBl II, 840).

Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 UStG ist der Umsatz aber höchstens mit dem marktüblichen Entgelt zu bemessen, wenn das tatsächlich entrichtete Entgelt unter dem nach § 10 Abs. 4 UStG ermitteltem Betrag liegt (BMF-Schreiben v. 23.02.2016 - III C 2 - S 7208/11/10001, 2016/0119987). Übersteigt das tatsächlich gezahlte Entgelt in den Fällen des § 10 Abs. 5 UStG das marktübliche Entgelt, ist das tatsächlich gezahlte der Besteuerung zugrunde zu legen (siehe auch Arbeitshilfe Mindestbemessungsgrundlage).

Der BFH hat mit Urteil vom 07.10.2010 - V R 4/10 entschieden, dass die Überlassung von Zimmern in Erholungsheimen eines Berufsverbands an seine Mitglieder zu Preisen unter den Selbstkosten und dem marktüblichen Entgelt zu Recht der Mindestbemessungsgrundlage unterworfen wurde. Einer weiteren Entscheidung des BFH (Urt. v. 17.11.2015 - XI B 52/15) ist zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen ein Kfz-Händler seinen Mitarbeitern das Leasing von Neuwagen zu Sonderkonditionen ermöglicht, als Vergleich diejenigen Leasingraten heranzuziehen sind, zu deren Zahlung auch der Endkunde bei vergleichbaren Bedingungen verpflichtet wäre; unmaßgebend sind insoweit besondere Konditionen, von denen regelmäßig nur Großkunden Gebrauch machen können.

Praxistipp

Bei entgeltlichen Umsätzen, die durch das Gesellschafts- oder Dienstvertragsverhältnis sowie eine persönliche Beziehung des Unternehmers zum Leistungsempfänger beeinflusst sein können, ist für die zutreffende Umsatzsteuerermittlung stets eine Wertermittlung nach § 10 Abs. 4 UStG durchzuführen. Der sich nach § 10 Abs. 4 UStG (je nach Art des Umsatzes) ergebende Betrag kann gleichzeitig Anhaltspunkt für die vom Leistungsempfänger zu entrichtende Zahlung sein.