Autorin: Diplom-Finanzwirtin Rabea Schwarz |
Bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung. Ausgeführt sind:
Lieferungen/Werklieferungen mit der Verschaffung der Verfügungsmacht - bei (unbewegten) Werklieferungen ist dies i.d.R. mit der Abnahme gegeben | |
Sonstige Leistungen/Werkleistungen mit ihrer Vollendung und ggf. Zuwendung |
Maßgebend für die Steuerentstehung ist allein die Leistungsausführung durch den leistenden Unternehmer; der Zeitpunkt der Leistungsvereinbarung, der Rechnungserteilung oder der Entgeltvereinnahmung sind grundsätzlich unerheblich (Ausnahme: Besteuerung von Anzahlungen erfolgt stets bei deren Vereinnahmung).
Geht die Steuerschuld nach § 13b Abs. 2 UStG auf den Leistungsempfänger über, entsteht die Umsatzsteuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Leistungsausführung folgenden Kalendermonats. In diesen Fällen bestimmt nicht § 13 UStG den Zeitpunkt der Steuerentstehung, sondern § 13b UStG greift insoweit als lex specialis ein.
Bei Teilleistungen wird eine wirtschaftlich teilbare Leistung nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt sowie das Entgelt für jeden Zeitraum gesondert vereinbart und gezahlt. Das Merkmal der wirtschaftlichen Teilbarkeit lässt sich aus Art. 64 MwStSystRL nicht direkt ableiten. Bei einer Berufung auf Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL erübrigt sich daher die Abgrenzungsfrage, ob wirtschaftliche teilbare Leistungen vorliegen. In seinem Urteil vom 26.06.2019 (BFH 26.06.2019 - V R 8/19 (V R 51/16)) hat der BFH deutlich gemacht, dass er zur Annahme von Teilleistungen weiterhin die wirtschaftliche Teilbarkeit der Leistung sowie das Schulden der Gegenleistung in Teilen voraussetzt. Der Zeitpunkt der Gesamtleistung ist bei vorhandenen Teilleistungen für die Entstehung der Umsatzsteuer unmaßgeblich. Die jeweilige Teilleistung ist zum Zeitpunkt der Leistungsausführung stets gesondert zu betrachten und mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Ausführung umsatzsteuerlich zu erfassen, beispielsweise bei
langjährigen Miet- und Pachtverträgen mit monatlichen Entgeltszahlungen (monatliche Teilleistungen), | |
langjährigen Wartungsverträgen mit vierteljährlicher Entgeltszahlung (vierteljährliche Teilleistungen), | |
Lieferung periodischer Druckschriften über einen längeren Zeitraum mit halbjährlicher Abrechnung der in diesem Zeitraum bezogenen Hefte (halbjährliche Teilleistungen). | |
Mit Schreiben vom 14.12.2022 hat das BMF (III C 2 - S 7270/19/10001 :003) sein Verständnis einer Teilleistung in Form einer Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter betont: Der EuGH (Urt. v. 28.10.2021 - Rs. C-324/20) und ihm nachfolgend der BFH (Urt. v. 01.02.2022 - V R 37/21 (V R 16/19)) haben entschieden, dass bei einer Ratenzahlung über fünf Jahre die Umsatzsteuer trotzdem bereits im Moment der Leistungserbringung entsteht. Er entscheidet damit anders als in der Rechtssache "baumgarten sports & more" (Urt. v. 29.11.2018 - |
Bei Vereinnahmung von Anzahlungen vor Ausführung der entsprechenden Leistung wird der Grundsatz der Soll-Versteuerung außer Kraft gesetzt. Die Umsatzsteuer entsteht insoweit bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vereinnahmung. Bezieht sich eine An-, Abschlags- oder Vorauszahlung auf mehrere Leistungen, so ist die Zahlung aufzuteilen und dem jeweiligen Umsatz zuzurechnen.
PraxistippAnzahlungen können beim Tausch/tauschähnlichen Umsatz neben Barzahlungen auch in Lieferungen oder sonstigen Leistungen bestehen. Auch hier ist die erhaltene Anzahlung im Zeitpunkt ihrer "Vereinnahmung" umsatzsteuerlich bereits zu erfassen. |
Wird eine Anzahlung für eine voraussichtlich steuerfreie Leistung erbracht, so wird diese nicht der Umsatzsteuer unterworfen (vgl. Abschn. 13.5 Abs. 4 Satz 1 UStAE).
PraxistippDer Leistungsempfänger kann - soweit die sonstigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind - bereits für die geleisteten Anzahlungen den Vorsteuerabzug geltend machen, sofern ihm eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung erteilt wurde. |
Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Entgeltsvereinnahmung. Der Zeitpunkt der Leistungsausführung und der Rechnungserteilung sind unmaßgeblich, allein die Vereinnahmung ist entscheidend. Daher werden auch erhaltene Anzahlungen, Abschlags- und Vorauszahlungen bereits zum Zugangszeitpunkt beim leistenden Unternehmer der Besteuerung unterworfen. Der Unternehmer muss wirtschaftlich über das Entgelt verfügen können, dies ist beispielsweise der Fall bei
Banküberweisung: Gutschrift auf dem Konto des Empfängers, | |
Gutschrift: am Fälligkeitstag bei tatsächlicher Verfügungsmöglichkeit, | |
Kontokorrentverkehr: Anerkennung des Saldos am Ende eines Abrechnungszeitraums, | |
Scheckzahlung: mit tatsächlicher Hingabe, wenn der sofortigen Einlösung keine Gründe entgegenstehen, | |
Wechselannahme: Tag der tatsächlichen Einlösung oder Weitergabe. |
Ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten besteht nicht, es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts. Der Antrag ist abzulehnen, wenn dies zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Steueranspruchs führen könnte (z.B. wenn eine Gesellschaft überwiegend an einen liquiditätsschwachen, vorsteuerabzugsberechtigten Gesellschafter Leistungen erbringt (BFH, Urt. v. 18.11.2015 - XI R 38/14).
Ein konkludenter Antrag des Unternehmers kann auch in Form einer beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung erfolgen, in der die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten besteuert werden und sich dies beispielsweise aus der eingereichten Einnahmenüberschussrechnung ergibt. Soweit die Umsatzsteuer dann entsprechend dem Erklärungsinhalt antragsgemäß festgesetzt wird, darf der Unternehmer von einer stillschweigenden Gestattung der beantragten Ist-Besteuerung ausgehen (BFH, Beschl. v. 23.12.2021 - V B 22/21).
Auf das gesonderte Stichwort zur "Steuerberechnung" wird verwiesen.
Bei der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 UStG)) entsteht der Steueranspruch in dem Zeitpunkt, in dem der Kraftomnibus bei Grenzübertritt in das Inland gelangt ist. In diesen Fällen stimmt die Entstehung mit der Fälligkeit der Steuer überein (vgl. § 18 Abs. 5 Nr. 2 UStG). Auf das gesonderte Stichwort "Beförderungseinzelbesteuerung" wird hingewiesen.
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) UStG entstand die Steuer für alle im Gemeinschaftsgebiet ausgeführten Umsätze mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind, wenn ein im Drittland ansässiger Unternehmen elektronische Dienstleistungen i.S.d. § 3a Abs. 5 UStG erbrachte und sich für die Einortregistrierung nach § 18 Abs. 4c UStG entschieden hat. Für einen im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer, der Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen erbrachte und das "MOSS-Verfahren" einsetzte, bestimmte § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) UStG für die Steuerentstehung den Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Leistungen erbracht worden sind.
Für nach dem 30.06.2021 ausgeführte Umsätze kommen die Vorschriften § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f)-i) UStG zur Anwendung.
Erklärt der Unternehmer seine Umsätze im besonderen Besteuerungsverfahren nach §§ 18i-18k UStG (OSS- bzw. IOSS-Verfahren), bestimmen die Regelungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f)-i) UStG folgende Zeitpunkte für die Steuerentstehung:
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f) UStG : Macht der Unternehmer vom OSS-Verfahren nach § 18i UStG Gebrauch, entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Kalendervierteljahres (Besteuerungszeitraum nach § | |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g) UStG : Handelt es sich um einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf, um Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle oder um von im Gemeinschaftsgebiet, nicht aber im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen, die nach § 18j UStG angemeldet werden, entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich mit Ablauf des Kalendervierteljahres (Besteuerungszeitraum nach § 16 Abs. 1d UStG), in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. | |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) UStG : Kommt das IOSS-Verfahren des § 18k UStG zur Anwendung, entsteht die Steuer mit Ablauf des Kalendermonats (Besteuerungszeitraum nach § 16 Abs. 1e UStG), in dem die Lieferungen ausgeführt worden sind. Die Gegenstände gelten als zu dem Zeitpunkt geliefert, zu dem die Zahlung angenommen wurde. | |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i) UStG : Abweichend von der Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g) UStG entsteht die Steuer in den Fällen des fiktiven Reihengeschäfts des § 3 Abs. 3a UStG in dem Zeitpunkt, in dem die Zahlung angenommen wurde. |
Die Umsatzsteuer entsteht bei der einer Lieferung gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgabe mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Entnahme oder unentgeltlichen Zuwendung aus dem Unternehmen. Bei der einer sonstigen Leistung gleichgestellten unentgeltlichen Wertabgabe entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Leistung für außerunternehmerische Zwecke. Die Steuer entsteht sowohl bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten als auch bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten insoweit zum gleichen Zeitpunkt. Auf das gesonderte Stichwort "Gleichgestellte Lieferung" wird verwiesen.
Beim unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14c Abs. 1 UStG entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem auch die Steuer für die abgerechnete Leistung entsteht. Die Steuer entsteht spätestens im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung, auch sofern über eine nicht steuerbare oder steuerfreie Leistung mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet wird. Auf das gesonderte Stichwort "Unrichtiger Steuerausweis" wird verwiesen.
Beim unberechtigten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14c Abs. 2 UStG, z.B. durch einen Kleinunternehmer, entsteht die Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
PraxistippDie Ausgabe einer Rechnung ist der Tag, an dem diese in den Verkehr gebracht wird. Der Zugang beim Adressaten ist für die Umsatzsteuerentstehung unmaßgeblich (BFH, Urt. v. 27.10.1993 - XI R 99/90). |
In seiner Entscheidung vom 27.11.2019 - V R 23/19, V R 62/17 hat der BFH festgestellt, dass eine Gutschrift, die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist, nicht einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG gleichsteht und demnach keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann. Auf das gesonderte Stichwort "Unberechtigter Steuerausweis" wird verwiesen.
Beim innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht die Umsatzsteuer mit der Rechnungsausstellung, spätestens jedoch mit dem Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats. Auf das gesonderte Stichwort "Innergemeinschaftlicher Erwerb" wird verwiesen.