I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein Geflügelverwertungsunternehmen. Im Jahre 1975 bezog sie von der "Interessengemeinschaft Hähnchenmastbetrieb" Masthähnchen. Über diese Lieferungen rechnete die Klägerin, die allein im Besitz der Abrechnungsunterlagen war, mit Gutschriften ab, in denen die Umsatzsteuer in Höhe von 9 v.H. gesondert ausgewiesen war. Die Klägerin ging davon aus, der Hähnchenmastbetrieb sei ein landwirtschaftlicher Betrieb. In ihrer am 14. November 1977 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -FA-) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 1975 berücksichtigte die Klägerin die in den Gutschriften gesondert ausgewiesene Steuer als abziehbare Vorsteuerbeträge. Nachdem festgestellt worden war, daß der Hähnchenmastbetrieb einen Gewerbebetrieb darstellte, kürzte das FA mit dem auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (
Der Einspruch der Klägerin blieb im wesentlichen erfolglos. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung aus, der Lieferer (Hähnchenmastbetrieb) habe dem Betriebsprüfer mitgeteilt, er wolle die in den Gutschriften zu hoch ausgewiesenen Steuerbeträge nicht an das FA abführen. In sinngemäßer Anwendung des an sich unwirksamen § 5 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. Juli 1967 (1. UStDV) entfalle mit dem Widerspruch des Lieferers der Vorsteuerabzug der Klägerin, weil die Gutschriften die Wirkung von Rechnungen dadurch verloren hätten. Aufgrund einer die Klägerin begünstigenden Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung könne jedoch in Höhe der gesetzlich geschuldeten Steuerbeträge der Vorsteuerabzug der Klägerin anerkannt werden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte -
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), §
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf das angefochtene Urteil, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§
1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. § 5 Abs. 1 Satz 1 der 1. UStDV bestimmte hierzu, daß Gutschriften, die im Geschäftsverkehr an die Stelle von Rechnungen treten, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 dieser Vorschrift als Rechnungen des Unternehmers gelten, der steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen an den Aussteller der Gutschrift ausführt. Gemäß Abs. 3 des § 5 der 1. UStDV verliert die Gutschrift die Wirkung einer Rechnung nach § 14 Abs. 1 UStG 1967, soweit der Empfänger der Gutschrift dem in ihr enthaltenen Steuerbetrag widerspricht.
a) Die Regelung des § 5 der 1. UStDV ist gemäß §
Die am 14. November 1977 beim FA eingegangene Umsatzsteuererklärung für 1975 (Steueranmeldung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967) stand gemäß §
b) Die Frage nach der zivilrechtlichen Abrechnungslast (siehe hierzu BFH-Urteil vom 4. März 1982 V R 107/79 , BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309) der Klägerin als Voraussetzung für die Berechtigung zur Abrechnung durch Gutschriften (mit gesondertem Steuerausweis) braucht der Senat nicht zu erörtern (zur Kritik an der Rechtsprechung siehe Padberg in Festgabe für G. Felix, 1989, S. 239/249 ff.). Denn jedenfalls hat das FG festgestellt, die Klägerin habe zu Recht mit Gutschriften abrechnen können. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Entgegen der Ansicht des FG beschränkt § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Verbindung mit dem im Streitfall zu beachtenden § 5 der 1. UStDV den Vorsteuerabzug auf der Grundlage von Gutschriften nicht auf den Abzug der gesetzlich geschuldeten Steuer. Hat der Aussteller einer Gutschrift einen höheren Betrag ausgewiesen, als nach dem Gesetz für den Umsatz geschuldet wird (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967), so kann der Aussteller grundsätzlich den gesamten Betrag als Vorsteuer abziehen. Diese Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 5 der 1. UStDV ergibt sich zunächst auf der Grundlage des Wortlauts dieser Vorschriften. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der im Rechnungsausstellungsverfahren auch den Abzug zu hoch ausgewiesener Steuer zuläßt, enthält i.V.m. § 5 der 1. UStDV keine diesbezügliche ausdrückliche Einschränkung für das Gutschriftenverfahren. § 5 der 1. UStDV schließt den Vorsteuerabzug aus, wenn die Leistungen nicht steuerbar oder steuerbefreit sind (Abs. 1 Satz 1) oder wenn der leistende Unternehmer nicht zum gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung nach § 14 Abs. 1 UStG 1967 berechtigt ist (Abs. 2 Nr. 1; Kleinunternehmer) oder wenn die Gutschrift nicht die in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 geforderten Angaben enthält (Abs. 2 Nr. 3). Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß ein zu hoher Steuerausweis in einer Gutschrift den Vorsteuerabzug nicht hindert.
Diesem Auslegungsergebnis stellt das FG systematische Bedenken entgegen. Es ist der Auffassung, das Auslegungsergebnis widerspreche, da der Empfänger der Gutschrift die zu hoch ausgewiesene Steuer nicht gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1967 schulde, dem Grundsatz vom Gleichgewicht zwischen abziehbaren Vorsteuerbeträgen und geschuldeter Umsatzsteuer. Der Senat kann offenlassen, ob der Empfänger einer Gutschrift die darin vom Aussteller zu hoch ausgewiesene Steuer gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1967 schuldet oder nicht. Denn die Bedenken des FG greifen bereits deshalb nicht durch, weil der vom FG herangezogene Grundsatz vom Gleichgewicht zwischen abziehbaren Vorsteuerbeträgen und geschuldeter Umsatzsteuer im Gesetz nicht lückenlos verwirklicht ist. Die materiell-rechtliche Regelung der Steuerschuld des leistenden Unternehmers und der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sind zwar von dem systematischen Ausgangspunkt her erfolgt, in der Unternehmerkette sollten sich Steuer und Vorsteuer betragsmäßig gegeneinander aufheben. Im Gesetz sind die entsprechenden Regelungen aber nicht materiell im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit miteinander verknüpft worden. Steuerschuld des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sind jeweils getrennt in deren Steuerschuldverhältnissen nach eigenen Grundsätzen zu prüfen (BFH-Beschluß vom 26. Februar 1987 V S 4/86 , BFH/NV 1987, 604, 607).
2. Da das Urteil des FG mit den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht im Einklang steht, war es aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat offengelassen, ob der Lieferer (Hähnchenmastbetrieb) den Gutschriften widersprochen hat (§ 5 Abs. 3 der 1. UStDV). Die Sache geht zurück, damit das FG die entsprechenden Feststellungen nachholen kann.