Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 58 Fällen sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
A. Verfahrensgang
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluß vom 5. April 2000 -
2. Wegen der hier gegenständlichen Vorwürfe der Umsatzsteuerhinterziehung in 19 Fällen wurde das Verfahren bereits in dem Beschluß vom 5. April 2000 zur gesonderten Entscheidung abgetrennt, da insoweit ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 EG durchzuführen war (Vorlagebeschluß vom 5. April 2000 - 5 StR 169/00, abgedruckt in wistra 2000, 267 mit Anm. Keller).
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob der Angeklagte dadurch Umsatzsteuern verkürzt hat, daß er entgegen seinen Verpflichtungen gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG, §§ 51 ff. UStDV (a. F.) als Leistungsempfänger für steuerpflichtige Umsätze, die im Ausland ansässige Unternehmer ihm gegenüber erbracht haben, keinen Steuerabzug vorgenommen hat (Fälle III D 4 Nr. 3 bis 6 und 8 bis 22 der Urteilsgründe Landgericht Mannheim vom 22. Dezember 1998).
Der Schuldspruch beruht insoweit im einzelnen auf folgenden Feststellungen:
a) Der Angeklagte betrieb seit 1971 ein Konzertbüro für Popmusik- und später auch für Klassikkonzerte. Anfang der neunziger Jahre wurde er zu einem der bedeutendsten Konzertveranstalter Deutschlands. Seine Geschäfte wickelte er über vier Unternehmen ab, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er im Tatzeitraum war. In den Jahren 1992 bis 1997 trat der Angeklagte im wesentlichen als Veranstalter klassischer Konzerte auf. Bei diesen wurden vor allem Lieder und Opernarien dargeboten, bei denen jeweils der Einzelvortrag der auftretenden Sänger im Vordergrund stand. In den Jahren 1996/1997 organisierte er die Welttournee der drei Tenöre Luciano Pavarotti, Placido Domingo und José Carreras. Für sämtliche Veranstaltungen hatten die zuständigen Kulturbehörden dem Angeklagten Bescheinigungen darüber ausgestellt, daß die "Veranstaltungsumsätze" solchen nach § 4 Nr. 20 lit. a UStG "gleichwertig" seien.
Der Angeklagte zog allerdings in erheblichem Umfang von den in den Jahren 1993 bis 1997 an ausländische Künstler gezahlten Gagen keine Einkommensteuern und Umsatzsteuern ab, meldete diese bei den Finanzbehörden nicht an und führte sie auch nicht ab. Ihm war hierbei bekannt, daß er als Geschäftsführer der als Konzertveranstalter auftretenden vier Unternehmen gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG, §§ 51 ff. UStDV grundsätzlich zum Abzug, zur Anmeldung und zur Abführung der anfallenden Umsatzsteuern verpflichtet war.
b) Hinsichtlich der auf die Konzertveranstaltungen entfallenden Umsatzsteuern stellte sich der Angeklagte auf den Standpunkt, daß er keine Umsatzsteuern für solche Konzerte einbehalten und abführen müßte, die von den Landesbehörden als "gleichartige Einrichtungen" mit "gleichen kulturellen Aufgaben" im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG anerkannt worden seien und damit wie andere begünstigte Einrichtungen, die von Gesetzes wegen von der Umsatzsteuer befreit seien, hätten behandelt werden müssen.
c) Das Landgericht hielt demgegenüber eine solche Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 lit. a UStG nicht für gegeben, weil es sich bei den Solisten nicht um Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe.
Bei den Auftritten hätte die jeweilige Einzelpersönlichkeit der Künstler im Vordergrund gestanden und nicht eine Gesamtdarbietung der Künstler; auch sei das musikalische Arrangement auf den Vortrag des einzelnen Künstlers zugeschnitten gewesen. Schließlich seien die Verträge mit den Künstlern als Einzelpersonen abgeschlossen worden, so daß die vertraglich geschuldete Leistung nicht die eines Duos oder Trios gewesen sei. Selbst bei Zugrundelegung der weit gefaßten Umsatzsteuerrichtlinie Nr. 107 Abs. 1 könnten Einrichtungen im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG nur Musik- und Gesangsgruppen sein, die aus zwei oder mehr Mitwirkenden bestehen. Nur sie könnten die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen wie die in § 4 Nr. 20 lit. a UStG genannten Einrichtungen wie z. B. Orchester, Kammermusikensembles oder Chöre.
Einen Verstoß der vorgenannten Auslegung von § 4 Nr.
II. Mit Beschluß vom 5. April 2000 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 234 Abs. 3 EG vorgelegt:
1. Ist Art. 13 Teil A Absatz 1 lit. n der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. EG 1977 Nr. L 145, 1) dahin auszulegen, daß der dort verwendete Begriff der "anderen ... anerkannten Einrichtung" auch einen Solisten erfaßt, der kulturelle Dienstleistungen erbringt?
2. Falls Frage 1 bejaht wird:
Ergeben sich Einschränkungen aus der in Art. 13 Teil A gewählten Überschrift "... dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten", etwa wenn die Solisteneinsätze vorrangig Vermarktungszwecken dienen?
III. Mit Urteil vom 3. April 2003 (C-144/00, H., DStR 2003, 638) hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) auf diese Fragen wie folgt entschieden:
1. Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, daß der Begriff der "anderen ... anerkannten Einrichtungen" als Einzelkünstler auftretende Solisten nicht ausschließt.
2. Aus der Überschrift des Artikels 13 Teil A dieser Richtlinie als solcher ergeben sich keine Einschränkungen der Möglichkeiten der Steuerbefreiung nach dieser Bestimmung.
B. Auf der Grundlage dieser Entscheidung des Gerichtshofs ist der Angeklagte vom Vorwurf der Umsatzsteuerverkürzung in den hier noch verfahrensgegenständlichen 19 Fällen (Fälle III D 4 Nr. 3 bis 6 und Nr. 8 bis 22 der Urteilsgründe) freizusprechen.
Zwar läßt es das Gemeinschaftsrecht in Art. 13 Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) zu, die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen für kulturelle Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. n der Sechsten Richtlinie von bestimmten, im einzelnen aufgeführten Bedingungen abhängig zu machen. Zu diesen möglichen Bedingungen zählt u.a., daß eine systematische Gewinnerzielung nicht angestrebt wird (vgl. dazu