Auf die Revision des Angeklagten Bu. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Dezember 2019, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über
a)die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 134 der Urteilsgründe,
b)die Gesamtstrafe und
c)die Einziehung, soweit sie einen Betrag von 255.534,30 € übersteigt.
2.Auf die Revision des Angeklagten He. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über
a)die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 77 und 79 bis 134 der Urteilsgründe und
b)die Gesamtstrafe.
3.Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten Bu. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 78 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn im Umfang der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge sowie verkürzten Lohn- und Umsatzsteuern die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit einem Betrag in Höhe von 1.117.169,40 € angeordnet. Gegen den Angeklagten He. hat das Landgericht wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 77 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in 60 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung materiellen Rechts beanstanden, haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte Bu. im Wachdienstgewerbe zunächst seine Einzelfirma ʺBu. S. ʺ (B. ) betrieben. Nachdem im Februar 2009 das Hauptzollamt wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, ließ der Angeklagte Bu. den Neffen seiner Ehefrau, den Mitangeklagten He. , die Einzelfirma H. He. S. gründen. Die H. führte die Geschäfte der B. fort; faktisch bestimmte der Angeklagte Bu. die wesentlichen Firmenentscheidungen. Indes war der Angeklagte He. neben seiner Stellung als formeller Alleininhaber vor allem für die Steuerangelegenheiten zuständig (UA S. 16 f.). Die H. führte vornehmlich Subunternehmeraufträge aus, die ihr die Firmen I. M. GmbH sowie A. erteilten. Die I. GmbH zahlte das Entgelt auf ein seit Mitte November 2009 bei der C. bank geführtes Bankkonto, dessen Inhaber der Angeklagte He. war und über welches neben ihm der Angeklagte Bu. nach Belieben verfügen konnte. Gemäß dem gemeinsamen Tatplan erfassten die Angeklagten Bu. und He. die auf diesem Bankkonto eingehenden Erlöse nicht in der Buchhaltung der H. , sondern zahlten hieraus u.a. ʺSchwarzlöhneʺ in bar an die Angestellten der H. . Dementsprechend waren die über das vom Angeklagten He. beauftragte Steuerberaterbüro abgegebenen Meldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern sowie Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen unvollständig.
1. Im Zeitraum von Juli 2009 bis März 2014 führten die Angeklagten 711.813,58 € an Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen gegenüber der K. kasse nicht ab, gegenüber der AO. im Zeitraum von März 2011 bis November 2013 21.908,28 € (Fälle 1 bis 77). Der Angeklagte Bu. entrichtete darüber hinaus – ohne Beteiligung des Angeklagten He. – zugunsten der H. Ha. UG, der Nachfolgerin der H. , für den März 2014 gegenüber der AO. fällige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 7.838,11 € nicht (Fall 78). Das Landgericht hat die festgestellten Hinterziehungsbeträge jeweils um einen Sicherheitsabschlag von 5 % gemindert.
2. Zudem verkürzten die Angeklagten nach den Berechnungen des Landgerichts unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabzugs 157.153,13 € an Lohnsteuern inklusive Solidaritätszuschlag (Fälle 79 bis 134). Die sich aus den am 28. Februar 2011, 30. Dezember 2011, 3. September 2012 und 30. September 2013 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2009 bis 2012 ergebenden Zahllasten waren um 3.155,78 €, 43.352,30 €, 111.458,56 € und 97.567,66 € (Fälle 135 bis 138) zu gering.
II.
1. Die Revisionen der Angeklagten sind teilweise begründet.
In den Fällen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (dazu unter a; §
a) Die Berechnung der Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ist nicht nachzuvollziehen. Deren Darstellung in den Urteilsgründen ermöglicht dem Senat nicht, nachzuprüfen, ob das Landgericht die Nettolöhne rechtsfehlerfrei auf die den – offensichtlich von der Deutschen Rentenversicherung erstellten – Berechnungstabellen zu entnehmenden Bruttolöhne hochgerechnet hat (§
Die monatlich ausgezahlten Arbeitslöhne, die als Bemessungsgrundlage anzugeben sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 8. Januar 2020 –
b) Die Feststellungen zu den monatlichen Lohnsummen widersprechen den Arbeitsentgelten in den Tabellen zur Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge. Die ausgezahlten Arbeitslöhne müssen als jeweils maßgebliche Ausgangsgröße übereinstimmen, wie das Landgericht selbst erkannt hat (UA S. 162 f.). Dies ist jedoch ausgehend von den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht der Fall. So beträgt etwa für den Monat Oktober 2009 die verschwiegene Lohnsumme 9.868,25 €, das verschwiegene Bruttoarbeitsentgelt 11.867,93 € (= 15.541,80 € - 3.673,87 €). Diese Differenz lässt sich nicht mit der fehlenden Hochschleusung im Abtastverfahren erklären.
Zwar lassen sich die jährlichen Summen der monatlichen Löhne für die Jahre 2010 bis 2012 unschwer mit den festgestellten Zahlungseingängen auf dem ʺSchwarzgeldkontoʺ vereinbaren; denn die addierten Jahreslohnsummen liegen deutlich unter den jeweiligen jährlichen Gesamtüberweisungsbeträgen. Die Finanzierung der Schwarzlöhne aus dem Schwarzgeldkonto ist mithin plausibel. Insgesamt ist jedoch nicht nachzuvollziehen, aufgrund welcher Zahlen das Landgericht die ausgezahlten Monatslöhne als Ausgangsgröße für die – zu die Angeklagten nicht beschwerenden Mindestverkürzungsbeträgen führende – Anwendung eines Eingangssteuersatzes von 14 % ermittelt hat. Der Verweis auf die Berechnung der Sozialversicherungsbeitragsschäden (UA S. 163) geht ins Leere, da, wie aufgezeigt, auch dort die tatsächlich ausgezahlten Löhne nicht festgestellt sind.
c) Die Feststellungslücken und Widersprüche bedingen die Aufhebung der Einzelstrafen und der Einziehungsanordnung in den Fällen 1 bis 134 sowie der Gesamtstrafe nebst den zugehörigen Feststellungen (§
2. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet.
a) Die Verurteilung der Angeklagten jeweils wegen Umsatzsteuerhinterziehung in vier Fällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Variante 3, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO; § 18 Abs. 3 UStG; §
aa) Die aus den ʺSchwarzgeldeingängenʺ geschuldeten und verschwiegenen Umsatzsteuern hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmt.
(a) Der Tabelle auf UA S. 31 sind die Einzahlungen, die die Auftraggeberin I. GmbH an die H. leistete, auf dem ʺSchwarzgeldkontoʺ zu entnehmen. Diese Überweisungsbeträge hat das Landgericht zutreffend als ʺBruttoumsätzeʺ angesehen, mithin hieraus die Nettoumsätze sowie die hierauf entfallenden Umsatzsteuerbeträge herausgerechnet.
(b) Die Feststellungen zur ʺUmsatzsteuer vor Prüfungʺ enthalten bereits die von der H. abgezogenen Vorsteuern (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG), wie sich aus dem Abgleich mit den erklärten Nettoumsätzen ergibt. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angeklagten weitere Vorsteuerabzüge aus Eingangsumsätzen nicht geltend gemacht haben könnten, um eine Unstimmigkeit zu den erklärten Ausgangsumsätzen zu vermeiden. Das Verhältnis der Vorsteuern zu den Umsatzsteuerbeträgen ist auch plausibel. Denn die werbende Tätigkeit der H. war durch das Erbringen von Dienstleistungen im Bereich der Objektüberwachungen geprägt, nicht etwa durch den Umsatz von Gütern. Zudem setzte die H. überwiegend keine Subunternehmer ein.
(c) Der vom Landgericht in der Beweiswürdigung (UA S. 163) angedeutete Betriebsausgabenabzug für Personalaufwendungen, die die Angeklagten mit den Geldeingängen vom C. bankkonto ʺschwarzʺ bestritten, betrifft ersichtlich nicht die Ermittlung der hinterzogenen Umsatzsteuern. Auch wenn dieser Satz, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, überflüssig ist und den Leser eher verwirrt, ist auszuschließen, dass er sich auf die Berechnung der Höhe der verkürzten Umsatzsteuer ausgewirkt hat; er betrifft allein die – hier nicht relevante – ertragsteuerliche Lage der Einzelfirma. Es ist – auch unter Berücksichtigung der lückenhaften und widersprüchlichen Feststellungen zu den ausgezahlten Löhnen – nicht zu besorgen, dass das Landgericht im Hinblick auf diesen Satz die Zahlungseingänge auf dem C. bankkonto als Bemessungsgrundlage für die Hinterziehung der Umsatzsteuer rechtsfehlerhaft zu Lasten der Angeklagten festgestellt haben könnte.
bb) Der Senat schließt zudem aus, dass die Straffindung in den von der Aufhebung betroffenen Fällen die Strafzumessung in den vier Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung, denen überwiegend deutlich höhere Hinterziehungsbeträge zugrundeliegen, beeinflusst hat. Die für diese Taten verhängten Einzelstrafen einschließlich der Einsatzfreiheitsstrafe bleiben mithin bestehen.
b) Die Verurteilung der Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens (§
aa) Sowohl den Angeklagten He. als Inhaber des Einzelunternehmens (dazu BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 –
Im Übrigen sind die vom Angeklagten He. veranlassten unrichtigen Angaben in den monatlichen Meldungen gegenüber den Einzugsstellen (§
bb) Die jeweiligen monatlichen Hinterziehungen von Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitraum von März 2011 bis November 2013 gegenüber der K. kasse auf der einen Seite und gegenüber der AO. auf der anderen Seite stehen zueinander in Tatmehrheit (§
c) Die gegen den Angeklagten Bu. gerichtete Einziehungsanordnung ist in Höhe der bei den Zahllasten ersparten Umsatzsteuer mit einem Betrag von 255.534,30 € (§
aa) Der Angeklagte Bu. ist als tatsächlicher Firmeninhaber um die ersparten Sozialversicherungsbeiträge bereichert. Als faktischer Arbeitgeber hatte er die Sozialversicherungsbeiträge als originär Zahlungsverpflichteter (§
bb) Gleiches gilt für die hinterzogenen Umsatzsteuern.
(a) Bei dem ʺquasi-bereicherungsrechtlichenʺ Charakter der Abschöpfung (BT-Drucks. 18/11640, S. 86) ist eine gegenständliche Betrachtungsweise geboten (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 62). Nicht anders als bei der Einziehung von durch Straftaten erlangten Vermögensgegenständen und Rechten setzt das Abschöpfen ersparter Aufwendungen voraus, dass der Tatbeteiligte über diese Ersparnisse tatsächlich verfügen kann; diese Vermögensvorteile müssen sich messbar in seinem Vermögen niederschlagen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 6. August 2020 –
Damit ist die Einziehung regelmäßig, aber nicht zwingend gegen den Steuerschuldner (§ 37 Abs. 1 AO) zu richten, dem schon begrifflich die Steuerersparnisse zugutekommen (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 –
(b) Hier führte der Angeklagte He. im Innenverhältnis die Einzelfirma H. auf Rechnung des Angeklagten Bu. ; dieser konnte nach Belieben auf das Firmenvermögen zugreifen und es verwalten. Für die Abschöpfung im Vermögen des Angeklagten Bu. kommt es nicht darauf an, ob im Außenverhältnis zum Fiskus allein der Angeklagte He. aufgrund seiner ʺoffiziellenʺ Inhaberschaft der Einzelfirma Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2020 – 1 StR 6/20 Rn. 17 und vom 15. Januar 2020 –
cc) Nach diesen Maßstäben hält auch die Anordnung der Einziehung der im Hinblick auf die verkürzte Lohnsteuer ersparten Aufwendungen gegen den Angeklagten Bu. als (faktischen) Arbeitgeber der Einzelfirma H. dem Grunde nach sachlichrechtlicher Nachprüfung stand (zur Einziehung bei Hinterziehung der Lohnsteuer vgl. bereits BGH, Beschluss vom 13. Mai 2020 –
(a) § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG normiert für den Arbeitgeber in Bezug auf die pauschale Lohnsteuer, die er auf Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 39b EStG) und in diesem Sinne zu übernehmen hat, eine ʺEntrichtungssteuerschuldʺ (BFH, Urteile vom 13. November 2012 –
(b) Der Einziehung steht nicht entgegen, dass nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist und den Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 42d Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 EStG (nur) eine Haftungsschuld (§ 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO) trifft. Zwar ist die anzumeldende, einzubehaltende und dann abzuführende Lohnsteuer arbeitsvertragsund einkommensteuerrechtlich dem Arbeitnehmer zuzuordnen; dies ändert aber nichts am Bestehen einer eigenen Entrichtungsschuld des Arbeitgebers. Diese ist von der Haftungsschuld abzugrenzen, auch von derjenigen aus § 71 AO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 1 StR 213/19 Rn. 31).
(c) Ohne Bedeutung ist insoweit, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Arbeitnehmer, die regelmäßig bei einer Schwarzlohnabrede an den ersparten Lohnsteuern im Wege höherer Auszahlungen partizipieren werden, in Form der Abschöpfung ersparter Einkommensteuer in Anspruch genommen werden können.
Von Rechts wegen