(einschließlich Abweichender Meinung[en])
A.
Die Vorlagen betreffen die Frage, ob es mit dem
I.
1. Über den Ehe- und Familiennamen bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch:
§ 1355
(1) Die Ehegatten führen einen gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen).
(2) Zum Ehenamen können die Ehegatten bei der Eheschließung durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Geburtsnamen des Mannes oder den Geburtsnamen der Frau bestimmen. Treffen sie keine Bestimmung, so ist Ehename der Geburtsname des Mannes. Geburtsname ist der Name, der in die Geburtsurkunde der Verlobten zur Zeit der Eheschließung einzutragen ist.
(3) Ein Ehegatte, dessen Geburtsname nicht Ehename wird, kann durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten dem Ehenamen seinen Geburtsnamen oder den zur Zeit der Eheschließung geführten Namen voranstellen; die Erklärung bedarf der öffentlichen Beglaubigung.
(4) Der verwitwete oder geschiedene Ehegatte behält den Ehenamen. Er kann durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten seinen Geburtsnamen oder den Namen wieder annehmen, den er zur Zeit der Eheschließung geführt hat; die Erklärung bedarf der öffentlichen Beglaubigung.
Mit der Wahl des Ehenamens ist zugleich der Name der aus der Ehe stammende Kinder festgelegt; nach §
2. Die in §
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (BGBl. 1986 I S. 1142) am 1. September 1986 gilt nach Art.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat die Entwicklung des ehelichen Namensrechts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195) bereits im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Prüfung des Art. 12 Nr. 13 Buchst. b des Ersten Eherechtsreformgesetzes wiedergegeben, der die Anwendung des §
II.
1. Vorlagebeschluß 1 BvL 9/85
a) Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens - im folgenden Antragsteller -, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und seine österreichische Verlobte haben anläßlich ihrer Eheschließung gegenüber einem inländischen Notar erklärt, daß sie gemäß § 93 Abs. 1 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs - ABGB - den Namen der Frau zu ihrem Familiennamen bestimmten. Eine Abschrift dieser Erklärung übersandten sie dem zuständigen Standesamt mit einem Begleitschreiben. In diesem betonten sie, daß die Erklärung hinsichtlich des Familiennamens nur gegenüber den österreichischen Behörden getroffen worden sei und keine Bestimmung nach §
Der Antragsteller beantragte beim Standesamt die Berichtigung des Heiratseintrags auf seinen Geburtsnamen. Dieses legte den Antrag zur Entscheidung dem Amtsgericht vor (§
b) Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob §
Die Vorlage sei zulässig, obwohl das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 26. November 1963 (BVerfGE 17,
Nach der derzeitigen Rechtslage sei der Berichtigungsantrag unbegründet.
Sowohl das deutsche als auch das österreichische Recht verlangten die Führung eines gemeinsamen Familiennamens. Bei der Eheschließung des Antragstellers sei dem Standesbeamten der Wille der Ehegatten zur Fortführung ihres Geburtsnamens bekannt gewesen; zugleich habe diesem aber die notarielle Urkunde vorgelegen, mit der sie den Geburtsnamen der Ehefrau zum gemeinsamen Familiennamen bestimmt hätten. Sie selbst hätten die Urkunde an das Standesamt übersandt. Damit liege eine durch die Eheleute gegenüber dem Standesbeamten wirksam abgegebene Erklärung vor. Der einschränkende Hinweis auf die Gültigkeit gegenüber den österreichischen Behörden vermöge daran nichts zu ändern. Zu Recht habe der Standesbeamte daher als gemeinsamen Ehenamen den Geburtsnamen der Ehefrau eingetragen.
Die Entscheidung hänge davon ab, ob §
Das Recht auf den eigenen Namen, das seine Wurzel im vorrechtlichen Bereich habe, sei Teil des durch Art.
Die Möglichkeit, den Geburtsnamen dem Ehenamen voranzustellen, führe zu keiner Lösung des verfassungsrechtlichen Konflikts: zum einen bleibe es bei der Tatsache, daß nur der gemeinsame Familienname Ehename sei, zum anderen werde der Ehegatte, der von dieser Möglichkeit Gebrauch mache, genötigt, vor aller Welt kundzutun, daß er verheiratet sei. Dies stelle zwar nichts Ehrenrühriges dar, möge von vielen sogar - gemäß ihrer Weltanschauung - mit Stolz verbreitet werden. Grundsätzlich müsse es aber dem Einzelnen vorbehalten bleiben, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebensverhältnisse offenbaren wolle.
Wenn die Verpflichtung zur Angabe personenbezogener Daten voraussetze, daß der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise bestimme und nur Angaben verlange, die für diesen Zweck geeignet und erforderlich seien, dann müsse auch im einzelnen ersichtlich sein, welcher konkrete, im Allgemeinwohl begründete Zweck es erfordere, von einem Teil der im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen die Führung eines Ehenamens zu verlangen. Weder der besondere Schutz von Ehe und Familie noch das "Wesen der Ehe als unteilbare Einheit" forderten die Führung eines gemeinsamen Ehenamens.
Ein Blick in ausländische Rechtsordnungen verdeutliche, daß ein gemeinsamer Familienname nicht notwendig sei. In 106 Staaten behielten die Ehegatten ihren Geburtsnamen entweder von vornherein in der Ehe bei oder sie hätten das Recht, die Beibehaltung ihres Geburtsnamens in der Ehe zu wählen. Es handele sich um Länder jeder Entwicklungsstufe; die Individualität der Bürger werde unabhängig von der Gesellschaftsordnung respektiert. Auch dem deutschen Recht sei der gemeinsame Ehename bis zum Preußischen Allgemeinen Landrecht fremd gewesen.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts am 1. September 1986 verbürge Art.
Nach Art.
2. Vorlagebeschluß 1 BvL 43/86
a) Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens haben vor dem zuständigen Standesbeamten die Ehe geschlossen. Beide besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei der Eheschließung erklärten sie, ihren jeweiligen Geburtsnamen als Familiennamen weiterführen zu wollen, und unter Bezugnahme auf eine zuvor abgegebene Erklärung, daß sie hilfsweise bis zur gerichtlichen Entscheidung über ihren Hauptantrag den Geburtsnamen der Frau als Ehenamen führen wollten. Der Ehemann erklärte ergänzend, er wolle - soweit nicht dem Hauptantrag entsprochen werde - seinen Geburtsnamen dem Ehenamen voranstellen.
Der Standesbeamte vermerkte im Heiratsbuch den Namen der Ehefrau als Ehenamen und beurkundete die Erklärung des Ehemannes über die Voranstellung seines Geburtsnamens.
Noch am Tag der Eheschließung beantragten die Eheleute die Berichtigung des Eintrags im Heiratsbuch dahingehend, daß jeder Ehegatte seinen jeweiligen Geburtsnamen als Familiennamen fortführt.
b) Das Amtsgericht hat das Berichtigungsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht dieselbe Frage zur Entscheidung vorgelegt wie im Verfahren 1 BvL 9/85. Die Begründung seiner Entscheidung ist mit der des dortigen Vorlagebeschlusses weitgehend inhaltsgleich.
III.
Im Verfahren 1 BvL 9/85 haben sich der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung, das Standesamt Tübingen sowie der Antragsteller des Ausgangsverfahrens und seine Ehefrau geäußert, im Verfahren 1 BvL 43/86 liegt eine Stellungnahme des Bürgermeisteramts der Universitätsstadt Tübingen vor.
1. Der Bundesminister der Justiz hält die Vorlage für unbegründet. Der Gesetzgeber habe, ohne gegen Verfassungsrecht zu verstoßen, die Ehepartner zur Führung eines gemeinsamen Ehenamens verpflichtet und damit die Beibehaltung der bisherigen Geburts- oder Familiennamen beider Ehegatten ausgeschlossen.
Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei das Ehenamensrecht von dem Grundsatz bestimmt, daß die Ehegatten einen gemeinsamen Namen führen, der auch auf die ehelichen Kinder übertragen werde. Dieser Grundsatz des einheitlichen Ehenamens sei in der rechtspolitischen Diskussion nicht ernsthaft in Frage gestellt worden. Äußerst umstritten sei lediglich gewesen, welcher der beiden in Frage kommenden Geburtsnamen von den Ehegatten geführt werden solle und ob dies kraft Gesetzes zu bestimmen sei oder die Auswahl den Ehegatten überlassen bleiben solle. Der Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 1. Juni 1973 (BTDrucks. 7/650), nach dem die Ehegatten auch einen aus beiden Geburtsnamen zusammengesetzten Doppelnamen hätten wählen können, sei davon ausgegangen, daß beide Ehegatten diesen Namen führten.
Der Gesetzgeber habe sich bei der Gestaltung des Ehenamensrechts an Art.
Der Bedeutung des Namens als Teil des Persönlichkeitsrechts habe der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß er die Bestimmung des Ehenamens den Verlobten überlassen und die Fortführung des Geburtsnamens in Verbindung mit dem Ehenamen gestattet habe. Weitergehende, aus Art.
2. Das Standesamt Tübingen hält demgegenüber §
Die derzeitige gesetzliche Regelung könne nicht durch die angeblich bestehende Ordnungsfunktion eines gemeinsamen Ehe- und Familiennamens gerechtfertigt werden. Eine solche sei zwar wiederholt behauptet worden; jedoch zeige bereits die Tatsache, daß zahlreiche andere Länder in der gleichen tatsächlichen Situation eine andere rechtliche Lösung gewählt hätten, daß dieser Gesichtspunkt nicht überzeuge. Die verfassungsmäßige Lösung könne nur so aussehen, daß jeder Ehepartner seinen eigenen Familiennamen während der Ehe auch weiterhin behalte und daß die Kinder die beiden Familiennamen der Eltern in Gestalt eines Doppelnamens erhielten, wobei die Eltern die Reihenfolge einvernehmlich zu regeln hätten.
Der aus §
3. Das Bürgermeisteramt bezieht sich auf die Stellungnahme des Standesamts und weist ergänzend darauf hin, daß durch Art.
4. Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens 1 BvL 9/85 und seine Ehefrau äußern Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlage, weil die Auffassung, sie hätten eine Bestimmung im Sinne des §
Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm unterstützen und vertiefen sie die Ausführungen des Amtsgerichts.
B.
Die Vorlagen sind zulässig.
I.
Bei der Eheschließung, die zum Vorlagebeschluß 1 BvL 9/85 geführt hat, ist der Standesbeamte davon ausgegangen, die Verlobten hätten hilfsweise den Geburtsnamen der Frau zum gemeinsamen Ehenamen gewählt, obschon sie in einem Begleitschreiben an das Standesamt betont hatten, die abschriftliche Mitteilung der notariellen Erklärung vom 3. September 1984 solle nur gegenüber den österreichischen Behörden gelten. Wäre das vorlegende Gericht dem einschränkenden Hinweis der Beteiligten des Ausgangsverfahrens gefolgt, hätte es wegen §
II.
Der Zulässigkeit der Vorlagen steht ebenfalls nicht entgegen, daß das Bundesverfassungsgericht bereits durch Beschluß vom 26. November 1963 (BVerfGE 17,
Das Amtsgericht hat seine Vorlagebeschlüsse - auf entsprechenden Hinweis - ergänzt und ausgeführt, der Gesetzgeber habe das eheliche Namensrecht seit der Entscheidung vom 26. November 1963 durch das Erste Eherechtsreformgesetz neu geregelt. Es ist im übrigen ausführlich auf die nach seiner Ansicht wesentliche Entwicklung des gesellschaftlichen Verständnisses zum ehelichen Namensrecht eingegangen.
III.
Das Gericht hat zwar nach dem Wortlaut der Vorlagefrage §
C.
Die Vorlagefrage ist zu verneinen. Die Verpflichtung der Ehegatten, einen gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) zu führen, verstößt nicht gegen das
I.
§
1. Der Geburtsname eines Menschen wird vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfaßt. Er dient nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal, sondern ist darüber hinaus Ausdruck der Identität und Individualität (vgl. BVerfGE 59,
2. Dieser Schutzanspruch ist jedoch nicht uneingeschränkt gewährleistet. Das Namensrecht bedarf gesetzlicher Ausgestaltung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Name als Unterscheidungsmerkmal auch eine gesellschaftliche Funktion hat, so daß die Belange der Allgemeinheit berücksichtigt werden müssen. Deshalb hat der Einzelne kein uneingeschränktes Recht auf Beibehaltung seines bisher geführten Namens. Allerdings dürfen Eingriffe angesichts des hohen Werts, der dem Recht am eigenen Namen zukommt, nicht ohne gewichtige Gründe geschehen und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts genügt die gesetzliche Regelung diesen Anforderungen.
3. Bei der Ausgestaltung des ehelichen Namensrechts ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Insbesondere gebietet Art.
4. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den der Gesetzgeber bei dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu beachten hat, ist nicht verletzt. Er besagt, daß eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein muß; sie ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und erforderlich, wenn der Gesetzgeber kein anderes, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ferner darf der mit der Maßnahme verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen (BVerfGE 70,
a) Die Geeignetheit der gesetzlichen Regelung zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks steht außer Zweifel. Dagegen spricht nicht die Erwägung des vorlegenden Gerichts, bei Doppelnamen könne der Ehename nicht einwandfrei identifiziert werden, weil nach früherem Recht der Geburtsname angefügt wurde. Solche Fälle, die nur noch in einer Übergangszeit auftreten können, spielen für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung keine entscheidende Rolle. Auch ist nicht erkennbar, mit welchem milderen Mittel der Gesetzgeber die Einheit der Familie im Bereich des Namensrechts hätte dokumentieren können.
b) Schließlich belastet die Führung des einheitlichen Ehenamens nicht den Ehegatten unzumutbar, der seinen Geburtsnamen nicht mehr als alleinigen Namen führen darf.
aa) Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung kommt dem in §
Allerdings begründet die Führung eines Doppelnamens nach außen die Vermutung, daß der Namensträger verheiratet ist. Das Interesse am Verschweigen des Familienstandes gehört jedoch nicht zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Eheschließung wird ohnehin für die Allgemeinheit dadurch erkennbar, daß sie unter amtlicher Mitwirkung geschlossen und ihr Bestand amtlich registriert wird (vgl. BVerfGE 62,
bb) Von Bedeutung ist ferner, daß das deutsche Namensrecht keine starre Namensführungspflicht vorschreibt, sondern individuellen Gestaltungen Raum läßt (vgl. Raschauer, Namensrecht, S. 248). Bürgerlich-rechtlich kann eine unvollständige Namensangabe nur in Ausnahmefällen Rechtsfolgen auslösen. Solange die Identität des Namensträgers feststeht, bleibt die unvollständige Namensangabe bedeutungslos. So wird für die zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform notwendige Namensunterschrift (§
Gegenüber Behörden, namentlich im Bereich der amtlichen Registerführung, besteht allerdings die Verpflichtung zum Führen des vollständigen Namens. Das gilt für das Personenstandswesen (§
Abweichende Meinung des Richters Henschel zu der Senatsentscheidung vom 8. März 1988 - 1 BvL 8/85 und 43/86 -
Ich stimme dem Ergebnis zu; der dogmatische Weg, auf dem es der Senat gefunden hat, ist jedoch nicht gangbar.
1. Die Prüfung der Vorschriften am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, wie der Senat sie vornimmt, wirft nicht unerhebliche Probleme auf. Während sich die Fragen der Geeignetheit der Regelung sowie ihrer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zumutbarkeit) leicht beantworten lassen, erweist sich das dritte Element des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die Erforderlichkeit, als nahezu unüberwindlicher Prüfstein. Es ist schwer nachvollziehbar, warum gerade die Pflicht zur Führung eines gemeinsamen Familiennamens das "mildeste" Mittel sein soll, die Zusammengehörigkeit aller Familienmitglieder auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen (das ist der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, vgl. BTDrucks, 7/650, S. 96). Der Senat bewältigt dieses Problem, indem er nicht diesen - auch von ihm als Ziel der Regelung erkannten - Zweck in Beziehung zu den Individualinteressen des im Namen Weichenden setzt, sondern unzulässigerweise erst die Verwirklichung dieses Ziels auf dem Gebiet des Namensrechts. Um die Einheit der Familie in diesem Bereich herzustellen, mag die gemeinsame Namensführung das mildeste oder eines der mildesten Mittel sein. Damit ist jedoch nicht die Frage beantwortet, ob es notwendig war, gerade die Namensführung auszuwählen, um die Einheit der Familie zu dokumentieren. Dieses Problem läßt sich nicht mit dem Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Namensrechts lösen; denn es stellt sich bereits im Vorfeld, nämlich schon bei der Bestimmung des Regelungsbereichs, in dem der angestrebte Zweck umgesetzt werden soll, Bei einer konsequenten Handhabung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit ist eine Erforderlichkeitsprüfung an dieser Stelle unvermeidbar.
Das entscheidende Problem liegt bei der Abgrenzung von Mittel und Zweck. Je stärker der mit dem Gesetz verfolgte Zweck präzisiert oder je weiter die Mittel zu seiner Umsetzung in die Zwecksetzung selbst einbezogen werden, desto geringer wird die Auswahl der zu Gebote stehenden Möglichkeiten seiner Verwirklichung, Wie sinnvoll eine Erforderlichkeitsprüfung ist, richtet sich daher ausschließlich danach, wie genau der Gesetzgeber seine Zwecke definiert. Da er in der Bestimmung seiner Ziele autonom ist und diese naturgemäß dem Verhältnismäßigkeitsgebot nicht unterliegt, kann er sich in der Tat weitgehend der Verhältnismäßigkeitsprüfung entziehen. So könnte er im vorliegenden Fall die Absicht verfolgen,
- die Einheit der Familie zu fördern (sehr weit)
- die Einheit der Familie nach außen zu verdeutlichen (weit)
- die Einheit der Familie auf dem Gebiet des Namensrechts zu dokumentieren (eng)
- die Einheit der Familie durch gemeinsame Namensführung zum Ausdruck zu bringen (sehr eng).
Dieses Beispiel zeigt, daß Mittel und Zweck sich annähern und schließlich verschmelzen, je stärker die Zielsetzung präzisiert wird.
Das führt jedoch nur scheinbar dazu, daß der Gesetzgeber die Intensität der verfassungsrechtlichen Kontrolle beliebig steuern kann. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß er seine Ziele zwar autonom setzen kann, diese aber ihrerseits verfassungsmäßig sein müssen. Je präziser er sie formuliert, desto wirksamer setzt er sich bereits hier einer verfassungsrechtlichen Kontrolle aus. Der Schwerpunkt der Prüfung verlagert sich also von der Verwirklichung der verfolgten Ziele auf die Zielsetzung selbst.
Will er, wie hier, die Einheit der Familie zum Ausdruck bringen, ist dieser Zweck für sich gesehen eingriffsneutral und daher verfassungsrechtlich unproblematisch. Erst die Umsetzung dieses Ziels auf dem Gebiet des Namensrechts muß zwangsläufig zu einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht betroffener Namensträger führen. Wird das Ziel dagegen enger dahin formuliert, die Zusammengehörigkeit der Familie auf dem Gebiet des Namensrechts zum Ausdruck zu bringen, hat bereits dieser Zweck Grundrechtsrelevanz, weil schon er mit den Belangen der einzelnen Familienmitglieder kollidiert. Also muß bereits hier die verfassungsrechtliche Kontrolle ansetzen und nicht erst - wie in der Senatsentscheidung - bei der gesetzlichen Ausgestaltung dieses Ziels. Die Wahl des Namensrechts als Regelungsgegenstand ist also, gleichgültig ob man die Zielsetzung des Gesetzgebers eng oder weit versteht, in jedem Fall am Persönlichkeitsrecht des einzelnen Namensträgers zu messen, Dabei erweist sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als untauglicher Prüfungsmaßstab. Versteht man die Zielvorgabe in einem engeren, auf das Namensrecht ausgerichteten Sinne, ist er schon deswegen nicht einschlägig, weil es um die Überprüfung der Zielsetzung geht; versteht man sie dagegen entsprechend den Motiven (aaO.) in einem weiteren Sinne, stellen sich die eingangs dargelegten Probleme bei der Erforderlichkeitsprüfung.
2. Diese Schwierigkeiten ergeben sich nicht, zieht man den von mir für richtiger gehaltenen Lösungsweg über die Herstellung praktischer Konkordanz heran. Zwar spielen Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit auch bei ihr eine Rolle, weil sie die "verhältnismäßige" Zuordnung von Grundrechten und grundrechtsbegrenzenden Rechtsgütern erfordert (vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 15. Aufl., Rdnrn. 317 ff.). Gleichwohl haben beide Wege zur Lösung von Konfliktlagen ihren eigenständigen, nicht vollständig deckungsgleichen Anwendungsbereich. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip gewonnene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat seinen angestammten Platz bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum von hoher Hand, wenn Individualinteressen und staatliche Interessen miteinander kollidieren, also Anliegen der Allgemeinheit gegenüber dem Einzelnen durchgesetzt werden sollen, Demgegenüber erfaßt die Herstellung praktischer Konkordanz auch die Fälle des Widerstreits zweier, einander begrenzender Grundrechte. Auch wenn es dort ebenso wie bei der Kollision von staatlichem und Individualinteresse um die verhältnismäßige Zuordnung von Grundrechten und grundrechtsbegrenzenden Rechtsgütern geht, besteht die Besonderheit darin, daß das grundrechtsbegrenzende Rechtsgut seinerseits ein Grundrecht ist, also Individualinteresse gegen Individualinteresse steht. In dieser Situation müssen beide Grundrechtspositionen in einen optimalen Ausgleich gebracht werden. Im Vordergrund steht nicht der Eingriff in einen Grundrechtsbereich, sondern die Verwirklichung beider in Rede stehenden, miteinander kollidierenden Grundrechte.
Gegen die Anwendung dieses Lösungsmodells im vorliegenden Fall scheint auf den ersten Blick die Tatsache zu sprechen, daß es der Staat ist, der durch seine Vorschriften über das Namensrecht in Belange des Individuums eingreift, und damit die typische Situation gegeben ist, für die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entwickelt wurde, Eine nähere Untersuchung erweist jedoch, daß dies nicht zutrifft. Übersehen werden darf nicht, daß der Gesetzgeber für sich in Anspruch nimmt, in Erfüllung des Auftrags aus Art.
Zu prüfen ist mithin zunächst, ob die getroffene Regelung vom Verfassungsauftrag des Art.
Die Frage der Erforderlichkeit der Regelung stellt sich logischerweise nicht. Sie setzte voraus, daß das Recht auf Beibehaltung des bisherigen Namens keiner Rechtfertigung bedürfte und sich nur der Angriff auf diese Position besonders rechtfertigen müßte. So verhält es sich gerade nicht. Mit derselben Berechtigung ließe sich nämlich das Gegenteil vertreten, weil auch der gemeinsame Familienname der Verwirklichung eines Grundrechts dient. Die bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unvermeidliche Frage nach der Erforderlichkeit ist daher nicht geeignet, diesen Konflikt zu lösen, Bewältigt werden kann er nur, indem beide verfassungsrechtlich geschützten Positionen zueinander in Konkordanz gebracht werden. Dafür, daß dies dem Gesetzgeber gelungen ist, kann ich auf die in der Senatsentscheidung wiedergegebenen Argumente verweisen.
Anmerkungen und Entscheidungsbesprechung: Bosch, FamRZ 1988, 591; ders., FamRZ 1988, 809; Dethloff, FamRZ 1988, 808; Hohloch, JuS 1989, 135