Das am 20. Oktober 2014 berichtigte Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. September 2014 wird geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
I
Die Klägerin ist eine Handwerksinnung im Bezirk der beklagten Handwerkskammer. Sie begehrt die Genehmigung der Beklagten für eine Satzungsänderung, mit der eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (sogenannte OT-Mitgliedschaft) eingeführt werden soll.
Bereits 2007 beantragte die Klägerin die Genehmigung einer Neufassung ihrer Satzung, mit der eine auf den jeweiligen Tarifvertrag bezogene OT-Mitgliedschaft eingeführt werden sollte. Die gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 17. März 2010 ab.
Die Innungsversammlung der Klägerin hielt an ihrer Absicht der Einführung einer OT-Mitgliedschaft fest. Sie beschloss zunächst am 6. März 2012 sowie - nachdem diese Satzungsänderung von der Beklagten mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 auch wegen anderer, hier nicht streitgegenständlicher Bestimmungen abgelehnt worden war - erneut am 14. November 2012 jeweils einstimmig eine Neufassung ihrer Satzung. Sie lautet dazu auszugsweise:
§ 6a
(1) Die Innung führt zwei Gruppen von Mitgliedern, nämlich Mitglieder mit der Bindung an die von der Innung abgeschlossenen Tarifverträge ("T-Mitglieder") und Mitglieder ohne Bindung an die von der Innung abgeschlossenen Tarifverträge ("OT-Mitglieder").
(2) Die Mitglieder, die der Innung als OT-Mitglieder angehören wollen, haben dies gegenüber dem Innungsvorstand zusammen mit ihrem Beitrittsantrag zu erklären. Innungsmitglieder können beantragen, ihre Mitgliedschaft von einer solchen mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung oder auch umgekehrt zu wechseln. Der Wechsel bedarf der satzungsgemäßen Annahme. Die Art der Mitgliedschaft kann nicht rückwirkend begründet oder gewechselt werden.
(3) OT-Mitglieder nehmen an Willens- und Entscheidungsbildungen der Innung über Innungstarifverträge oder Arbeitskämpfe, welche die Innung oder deren Mitglieder betreffen, sowie an hiermit im Zusammenhang stehenden sozialpolitischen Maßnahmen nicht teil. Im Übrigen haben sie dieselben Rechte und Pflichten wie Innungsmitglieder mit Tarifbindung.
§ 37
(...)
(4) Die Innungsversammlung errichtet einen sozialpolitischen Ausschuss. Der Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden sowie aus zwei weiteren Mitgliedern. Der Ausschuss kann zur Erörterung und zur Willensbildung weitere von der sozialpolitischen Maßnahme betroffene T-Mitglieder heranziehen. Der Ausschuss kann sich eine Geschäftsordnung geben. Ihm können nur Mitglieder mit Tarifbindung (T-Mitglieder) angehören. Dem sozialpolitischen Ausschuss obliegen die Willens- und Entscheidungsbildungen über Innungstarifverträge oder Arbeitskämpfe, welche die Innung oder deren Mitglieder betreffen, sowie über hiermit im Zusammenhang stehenden sozialpolitischen Maßnahmen. Er kann Rücklagen für sozialpolitische Maßnahmen organisieren. OT-Mitglieder sind ausgeschlossen von der Verfügungsgewalt über etwaige Streik- und/oder Aussperrungsfonds. Die Geschäftsordnung des sozialpolitischen Ausschusses sowie deren Ergänzungen, Änderungen oder Aufhebung werden von den Mitgliedern mit Tarifbindung (T-Mitglieder) beschlossen. Diese Beschlüsse sind für den Ausschuss und für alle Mitglieder mit Tarifbindung (T-Mitglieder) verbindlich.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2013 lehnte die Beklagte eine Genehmigung der Satzungsänderungen ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2013 abgewiesen. Die
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit dem am 20. Oktober 2014 berichtigten Urteil vom 25. September 2014 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte zur Genehmigung der Satzungsänderung verpflichtet. Die Satzungsbestimmungen hielten sich im Rahmen der gesetzlichen Regelungsermächtigung zur Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Mitglieder. Die Regelungen über die Voraussetzungen einer Vollmitgliedschaft sprächen nicht dagegen, eine Differenzierung zwischen Gruppen ordentlicher Mitglieder mit verschiedenen Rechten und Pflichten einzuführen. Es sei zulässig, die Willens- und Entscheidungsbildung über Tarifverträge und damit zusammenhängende Maßnahmen auf einen Ausschuss zu übertragen. Die Innung sei auch nicht verpflichtet, für alle ordentlichen Mitglieder Tarifverträge abzuschließen.
Die Beklagte macht zur Begründung Revision im Wesentlichen geltend, die Einführung neuer Mitgliedschaftsformen in Innungen sei dem Gesetzgeber vorbehalten. Die gesetzliche Vollmitgliedschaft und die der Innung verliehene Tarifbefugnis erforderten einen einheitlichen Abschluss von Tarifverträgen für alle Innungsmitglieder. Andernfalls werde die tarifliche Schlagkraft der Innung geschwächt. Tarifpolitische Entscheidungen dürften nicht lediglich einem Teil der Innungsmitglieder vorbehalten bleiben. Die tarifliche Situation drohe intransparent zu werden, wenn Innungsmitglieder an Tarifverträge des Innungsverbandes gebunden, gleichzeitig aber von der Tarifbindung an die Innungstarifverträge freigestellt seien.
Die Beklagte beantragt,
das am 20. Oktober 2014 berichtigte Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. September 2014 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2013 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Berufungsurteil und trägt im Wesentlichen vor, mit der OT-Mitgliedschaft werde keine handwerksrechtliche Differenzierung der Mitgliedschaft, sondern eine Option hinsichtlich der Tarifbindung der Mitglieder eingeführt. Dies könne der Innung weitere Mitglieder erschließen und damit die Erfüllung ihrer fachlichen Pflichtaufgaben stärken. Die Innung dürfe von ihrer Tarifbefugnis in sachlich differenzierender Weise Gebrauch machen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und unterstützt die Argumentation der beklagten Handwerkskammer.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das angegriffene Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung der Vorschriften der
1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Das zwischen den Beteiligten ergangene und rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. März 2010 steht der Zulässigkeit der Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2013 nicht entgegen. Es betrifft eine in ihrer rechtlichen Ausgestaltung wesentlich andere Satzungsregelung zur Einführung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung und damit einen anderen Streitgegenstand. Auch die Bestandskraft des Bescheides vom 26. Oktober 2012, durch den die Beklagte die Genehmigung einer Satzungsänderung der Klägerin abgelehnt hatte, die eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wortgleich mit der erneut im November 2012 beschlossenen und vorliegend streitgegenständlichen Fassung einführen sollte, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die Beklagte hat insoweit mit ihrem Bescheid vom 18. Januar 2013 eine erneute Sachentscheidung getroffen, die der Klägerin eine eigenständige Klagemöglichkeit eröffnet.
2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nach §
a) Nach der Satzung sollen sich die einzelnen Innungsmitglieder bei ihrem Eintritt oder während ihrer Mitgliedschaft für eine gegenüber der sonst bestehenden Vollmitgliedschaft gesonderte Mitgliedschaftsform ohne Bindung an Tarifverträge der Innung entscheiden können. Eine solche Wahlmöglichkeit ist mit der gesetzlichen Konzeption der Vollmitgliedschaft in einer Innung nach §
b) Die Innung kann ihre freiwillige Aufgabe, Tarifverträge abzuschließen, soweit und solange solche Verträge nicht durch den Innungsverband für den Bereich der Handwerksinnung geschlossen sind (§
Auch aus der Subsidiarität der Tarifbefugnis der Innung gegenüber der Tarifbefugnis des Landesinnungsverbandes folgt, dass die Innung innerhalb ihrer Zuständigkeit Tarifverträge nur für sämtliche Vollmitglieder abschließen darf. Die in der Rechtswirklichkeit vorrangig als Tarifpartner im Handwerksbereich auftretenden Landesinnungsverbände können nach §
c) Die von der Klägerin beschlossene Satzungsregelung, wonach tarifpolitische und mit ihnen in Zusammenhang stehende sozialpolitische Entscheidungen von einem sozialpolitischen Ausschuss getroffen werden, verletzt zudem die in §
Nach § 37 Abs. 4 der geänderten Satzung der Klägerin hätte ihre Innungsversammlung einen nur aus sogenannten T-Mitgliedern bestehenden Ausschuss zu schaffen, dem sämtliche tarifpolitische Entscheidungen übertragen würden. Eine solche umfassende Verlagerung einer gesamten in §
Zwar darf die Innungsversammlung besondere Ausschüsse zur Vorbereitung einzelner Angelegenheiten einsetzen (§
Danach ist eine Verlagerung tarifpolitischer Entscheidungen im Ganzen auf einen Ausschuss, dem zudem nur bestimmte (nämlich tarifgebundene) Mitglieder angehören dürfen, nicht zulässig. Auch wenn die Innung nach §
d) Darüber hinaus verstößt die in § 37 Abs. 4 der Satzung der Klägerin vorgesehene Befugnis des sozialpolitischen Ausschusses, Rücklagen für sozialpolitische Maßnahmen zu organisieren und über etwaige Streik- und/oder Aussperrungsfonds zu verfügen, gegen die in §
Mit der Zuständigkeit der Innungsversammlung für die Feststellung des Haushaltsplans und die Bewilligung von Ausgaben, die im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind, kommt ihr eine umfassende Verantwortung für die Einnahmen- und Ausgabenbewilligung in der Innung zu. Die Innung unterliegt als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Grundsätzen einer geordneten Haushaltsführung (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 -
3. Einem Genehmigungsanspruch der Klägerin steht zudem entgegen, dass ihre Satzung keinen ausreichenden Schutz der in Art.
Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 der Satzung der Klägerin wird der unter anderem mit der Führung von Tarifverhandlungen betraute sozialpolitische Ausschuss von der Innungsversammlung errichtet. Damit sind auch die tarifungebundenen Innungsmitglieder in der Innungsversammlung an der Auswahl der drei Mitglieder beteiligt, aus denen der sozialpolitische Ausschuss nach Satz 2 dieser Regelung besteht. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie müssen jedoch die Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifgebundenheit klar und eindeutig voneinander getrennt werden. Jegliche nach der Satzung auch nur möglichen unmittelbaren Einflussnahmen von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes müssen ausgeschlossen werden, um einen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich tarifpolitischer Entscheidungen zu gewährleisten (vgl. BAG, Urteile vom 4. Juni 2008 -
Dieser Anforderung wird die von der Klägerin beschlossene Satzungsänderung nicht gerecht. Eine Beschränkung des aktiven Wahlrechts tarifungebundener Mitglieder bei der Konstituierung des Ausschusses lässt sich namentlich nicht aus § 6a Abs. 3 der Satzung ableiten. Hiernach ist lediglich die Teilnahme von OT-Mitgliedern an Willens- und Entscheidungsbildungen der Innung über Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des sozialpolitischen Ausschusses ausgeschlossen, nicht aber ihre Mitwirkung an der Errichtung des Ausschusses. Im Übrigen ließe es die in §
Die Kostenentscheidung beruht auf §
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Verkündet am 23. März 2016