Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10.07.2018 –
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die einem qualifizierten Anteilstausch nachfolgende formwechselnde Umwandlung der übernehmenden Gesellschaft einen Einbringungsgewinn II auslöst.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Alleingesellschafterin der C GmbH, D Alleingesellschafter einer spanischen Kapitalgesellschaft (B SLU). Die genannten Personen kamen überein, ihre jeweiligen Beteiligungen in einer gemeinsamen Holdinggesellschaft zusammenzuführen. Zu diesem Zweck brachten sie ihre Geschäftsanteile gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zum ...09.2007 in die B GmbH ein (qualifizierter Anteilstausch). Steuerlich setzte diese die eingebrachten Geschäftsanteile gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr (2007) geltenden Fassung (UmwStG 2006) mit einem Wert an, der unterhalb des gemeinen Werts lag.
Zum ...08.2008 wurde die B GmbH gemäß § 190 des Umwandlungsgesetzes in die B OHG formwechselnd umgewandelt. Die Eintragung des Formwechsels im Handelsregister erfolgte am ...09.2008. Steuerlich wurde der Formwechsel gemäß § 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG 2006 zu Buchwerten vollzogen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erblickte im Formwechsel eine innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist vollzogene Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006, änderte deshalb den gegenüber der Klägerin für das Jahr 2007 ergangenen Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und erfasste auf diese Weise einen Einbringungsgewinn II. Den Einspruch gegen den Bescheid wies das FA ebenso zurück wie den von der Klägerin gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.
Die Klage blieb erfolglos. Das Hessische Finanzgericht (FG) beanstandete weder die geänderte Steuerfestsetzung noch die Entscheidung des FA zur beantragten Billigkeitsmaßnahme (Urteil vom 10.07.2018 –
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung sachlichen Rechts.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2016 den Bescheid für 2007 über Einkommensteuer vom 18.07.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2007 ohne Ansatz eines Einbringungsgewinns II festgesetzt wird;
hilfsweise unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2016 das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2007 aus Billigkeitsgründen ohne Berücksichtigung eines Einbringungsgewinns II festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der gegenüber der Klägerin ergangene bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2007 vom 16.04.2010 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden durfte, um einen Einbringungsgewinn II zu erfassen. Ob die Änderung dieses Bescheids auf der Grundlage einer anderen Korrekturnorm zulässig ist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden.
1. Soweit im Rahmen eines Anteilstauschs i.S. des § 21 Abs. 1 UmwStG 2006 unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt durch die übernehmende Gesellschaft veräußert werden und der Einbringende keine durch § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) begünstigte Person ist, ist der Gewinn aus der Einbringung im Wirtschaftsjahr der Einbringung rückwirkend als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 zu versteuern (Einbringungsgewinn II). Aus der in § 22 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 angeordneten entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 folgt, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile insoweit als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gilt.
2. Das FG ist davon ausgegangen, dass der Formwechsel der B GmbH in die B OHG eine den Einbringungsgewinn II auslösende Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 darstelle und das FA verfahrensrechtlich ermächtigt gewesen sei, den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 16.04.2010 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Dies hat die Vorinstanz damit begründet, dass aufgrund der in § 22 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 angeordneten Fiktion unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses stets eine Änderungsmöglichkeit bestehe und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das die Besteuerung des Einbringungsgewinns II auslösende Ereignis vor oder nach dem Erlass des erstmaligen Steuerbescheids liege.
Dem ist nicht zu folgen. Die umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen fingieren lediglich, dass die Veräußerung der erhaltenen Anteile ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Sie entbinden nicht von der Prüfung der weiteren Voraussetzungen dieser Korrekturnorm.
a) § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass das Ereignis, dem steuerliche Rückwirkung zukommt, nachträglich eingetreten ist. Konnte das Ereignis bereits bei Erlass des zu ändernden Bescheids berücksichtigt werden, greift die Änderungsnorm nicht ein (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2002 –
Im Streitfall ist der vom FG als Anteilsveräußerung qualifizierte Formwechsel im September 2008 im Handelsregister eingetragen worden und hätte somit bei Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 16.04.2010 berücksichtigt werden können. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist danach im Streitfall nicht einschlägig.
Hätte das FA bei Erlass dieses Bescheids allerdings keine Kenntnis vom Formwechsel gehabt, dann wäre grundsätzlich der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnet.
b) Die umwandlungssteuerrechtlichen Normen führen zu keinem anderen Ergebnis. Nach ihrem Wortlaut ordnen sie allein an, dass eine Veräußerung als rückwirkendes Ereignis gilt. Durch diese Fiktion ist der Rechtsanwender von der im Einzelfall schwierigen Prüfung entbunden, ob einem Ereignis steuerliche Rückwirkung zukommt, da bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung die etwaige steuerliche Rückwirkung aus dem Sinn der jeweiligen materiellen Einzelsteuernorm abgeleitet werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 28.03.2018 –
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Formwechsel ist entgegen der Auffassung der Klägerin als Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 zu qualifizieren, so dass eine Klagestattgabe ausscheidet (nachfolgend unter a). Der Senat kann aber auch nicht durch Klageabweisung selbst in der Sache entscheiden. Denn dies würde das Eingreifen einer Korrekturnorm voraussetzen, was der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht prüfen kann (nachfolgend unter b).
a) Der Formwechsel stellt eine Veräußerung des eingebrachten Anteils an der C GmbH durch die B GmbH dar.
aa) Unter einer Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 ist —jedenfalls soweit unmittelbare Veräußerungen betroffen sind— grundsätzlich die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen. Zudem folgt aus dem Umstand, dass durch die —wenn auch negative— Bezugnahme auf § 8b Abs. 2 KStG dessen Definition des Veräußerungsgewinns —und damit auch der Begriff des Veräußerungspreises— für die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 vorausgesetzt wird und zugleich in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 2006 die entsprechende Anwendung des § 22 Abs. 2 Sätze 1 bis 5 UmwStG 2006 für die unentgeltliche Übertragung durch die übernehmende Gesellschaft angeordnet wird, dass die Veräußerung entgeltlich —d.h. gegen eine Gegenleistung— erfolgen muss. Tauschähnliche Vorgänge sind einer Veräußerung des von § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 angesprochenen eingebrachten Anteils gleichzustellen (vgl. Senatsurteil vom 24.01.2018 – I R 48/15, BFHE 261, 8, BStBl II 2019, 45, m.w.N.).
Aus diesem Grund hat der Senat die Aufwärtsverschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft aus Sicht der Muttergesellschaft als Veräußerung qualifiziert, obgleich diese im Gegenzug für das erhaltene Vermögen (der Tochtergesellschaft) keine unmittelbare Gegenleistung an die "untergehende" Tochtergesellschaft gewährt, aber in einer dem Tausch ähnlichen Weise mit dem Untergang ihrer bisherigen Beteiligung an der Tochtergesellschaft einen "Preis" gezahlt hat (Senatsurteil in BFHE 261, 8, BStBl II 2019, 45). Die Qualifikation einer Sacheinbringung gegen Gewährung von Rechten an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft als tauschähnlicher Vorgang beruht auf ähnlichen Wertungen. Auch hier tritt an die Stelle einer im Gegenzug für das erhaltene Vermögen "vollwertigen" Gegenleistung durch die Kapitalgesellschaft die "bloße" Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft, deren Vermögen durch den Wert der eingebrachten Gegenstände erhöht wurde (BFH-Urteil vom 23.01.1986 –
bb) Nach diesen Maßgaben ist auch der streitgegenständliche Formwechsel als tauschähnlicher Vorgang hinsichtlich des eingebrachten Anteils an der C GmbH zu werten. Denn dieser Anteil geht aus steuerrechtlicher Sicht zusammen mit dem sonstigen Vermögen der B GmbH auf die B OHG, mittelbar auf deren Gesellschafter, und damit auf andere Rechtsträger über. Als "Gegenleistung" verlieren dessen Gesellschafter zugleich ihre bisherige Beteiligung an der B GmbH (gleicher Auffassung z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11.11.2011, BStBl I 2011,
cc) Entgegen der Auffassung der Revision kommt im Streitfall eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 nicht in Betracht.
aaa) Mit § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die im Zeitpunkt des Anteilstauschs in den eingebrachten Kapitalgesellschaftsanteilen ruhenden stillen Reserven, die in der Hand des Einbringenden nach Maßgabe des § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) steuerverstrickt waren, bei einer binnen sieben Jahren erfolgten Veräußerung durch die übernehmende Gesellschaft der Besteuerung unterliegen (vgl. Senatsurteil vom 11.07.2019 – I R 13/18, BFHE 266,
bbb) Im Streitfall kommt es aber im Zuge des Formwechsels zu einem Transfer stiller Reserven zwischen der Klägerin und dem Mitgesellschafter D. Denn zunächst standen die stillen Reserven in den Anteilen an der B SLU und der C GmbH den jeweiligen Anteilsinhabern jeweils "exklusiv" zu. Es handelte sich also um bestimmte stille Reserven, die von einem Steuersubjekt leistungsfähigkeitserhöhend erwirtschaftet worden und diesem steuerlich persönlich zuzurechnen waren (zu dieser Subjektbindung der stillen Reserven vgl. Senatsurteil vom 30.05.2018 –
dd) § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 UmwStG 2006, wonach die Regelungen über die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II nicht anzuwenden sind, wenn der Einbringende die erhaltenen Anteile veräußert hat, ist im Streitfall nicht anzuwenden. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des FG im angegriffenen Urteil. Danach geht aus dem Gesetzeswortlaut "veräußert hat" klar hervor, dass § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 UmwStG 2006 nur eingreift, wenn der Einbringende (hier: die Klägerin) den erhaltenen Anteil (hier: an der B GmbH) zeitlich vor der sperrfristverletzenden Veräußerung des eingebrachten Anteils (hier: an der C GmbH) durch die übernehmende Kapitalgesellschaft (hier: die B GmbH) veräußert hat (Stangl in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 22 Rz 482). Auch wenn der Formwechsel, wofür einiges spricht, aus Sicht der Klägerin als Veräußerung des erhaltenen Anteils an der B GmbH zu qualifizieren wäre, ist im Streitfall zu konstatieren, dass diese Veräußerung zeitlich nicht vor der durch den Formwechsel bewirkten Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die B GmbH erfolgt ist. Auch im Übrigen hat die Klägerin nicht über den erhaltenen Anteil an der B GmbH verfügt.
b) Obgleich hiernach der Formwechsel als Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 zu qualifizieren ist, kann der Senat nicht durcherkennen und die Klage abweisen.
Zwar ist materiell-rechtlich vom Vorliegen eines Einbringungsgewinns II auszugehen. Dieser Gewinn könnte jedoch nur dann im Einkommensteuerbescheid 2007 erfasst werden, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturnorm erfüllt wären. Wie oben ausgeführt, scheidet § 175 Abs. 1 AO als Rechtsgrundlage aus. Es kommt aber im Streitfall die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht. Ob sämtliche Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind und ob, wie von der Klägerin bereits vorgerichtlich geltend gemacht, das FA seine Amtsermittlungspflicht verletzt hat, sind Fragen, die wiederum zuvörderst vom FG im zweiten Rechtsgang in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht zu prüfen sein werden.
4. Auch hinsichtlich des Billigkeitsantrages besteht keine Spruchreife. Die Klägerin hat diesbezüglich lediglich hilfsweise einen Revisionsantrag gestellt. Da die Revision aber bereits im Hauptantrag Erfolg hat, dies zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache führt und der Haupt- und der Hilfsantrag auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhen, musste der Senat über den Hilfsantrag nicht entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 26.02.2014 –
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.