I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR, in der sich eine Rechtsanwältin und drei Rechtsanwälte zu gemeinsamer Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Ihre Einnahmen stammen überwiegend aus Tätigkeiten als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren.
Der Hauptsitz der Klägerin befand sich in A. Ferner unterhielt die Klägerin im Streitjahr 1995 in B eine Zweigniederlassung bzw. ein Büro, in C und D jeweils ein Büro, das von Gesellschaftern der Klägerin geleitet wurde, ferner in E, F und G Insolvenzabteilungen. Ausweislich der vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung beschäftigte sie 1995 insgesamt 70 Mitarbeiter. Hierzu gehörten u.a. zwei angestellte Rechtsanwälte, ein Betriebswirt, ein Büroverwalter, 11 Reno-Gehilfinnen sowie 6 Buchhalterinnen. Die Gehaltsaufwendungen betrugen 1995 1,98 Mio. DM, die Aufwendungen für Fremdarbeiten u.a. für Korrespondenzanwälte und gutachterlich tätige Wirtschaftsprüfer rd. 337 000 DM.
Einer der angestellten Rechtsanwälte war nach den Feststellungen des FG im Streitjahr im Büro in D unter Leitung zweier Gesellschafter tätig. Seine Aufgabe bestand darin, Geschäftsunterlagen für den Forderungseinzug im Gesamtvollstreckungsverfahren in Abstimmung mit dem jeweiligen Verwalter zu sichten, die Liste der "offenen Posten" zu berichtigen, den Forderungseinzug durch Schriftsatzentwürfe vorzubereiten und nach Weisung Gerichtstermine, Akteneinsicht u.ä. wahrzunehmen. Der andere angestellte Rechtsanwalt war mit entsprechenden Aufgaben (ohne Fertigung von Schriftsatzentwürfen) in der Zweigniederlassung bzw. ab 1. September 1995 dem Büro der Klägerin in B nach Weisung zweier Gesellschafter tätig.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr 1995 --wie schon in den Erhebungszeiträumen 1993 und 1994-- als gewerbliche. Die Klägerin habe im Wesentlichen Insolvenztätigkeiten und damit keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt und in einer für § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG schädlichen Weise eine Vielzahl von qualifizierten Mitarbeitern beschäftigt (sog. Vervielfältigungstheorie).
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt. Die Wahrnehmung von Aufgaben eines Verwalters im Gesamtvollstreckungsverfahren durch einen Rechtsanwalt sei Ausübung eines freien Berufs gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Unschädlich sei, dass sich die Klägerin der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient habe; denn die Gesellschafter der Klägerin seien nach wie vor leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen. Aufgrund des unstreitigen und glaubhaften Vortrags der Klägerin stehe fest, dass die beiden im Streitjahr angestellten Rechtsanwälte nur nach Weisung und nur vorübergehend tätig geworden seien (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999,
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 EStG sowie des § 96 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens erging ein Änderungsbescheid (§ 68 FGO), der die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes nicht berührt.
II. Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Entgegen der Auffassung des FG ist die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig, da sie nicht nur in geringfügigem Umfang gewerbliche Einkünfte bezieht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 IV R 67/96, BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254; vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Ihre Einkünfte als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren sind nicht solche aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 18 EStG (ebenso Steinhauff in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 18 EStG Rdnr. 175 a; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 18 EStG Rdnr. 153; Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 1994,
1. Die Tätigkeit eines Konkurs-, Zwangs- und Vergleichsverwalters ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine vermögensverwaltende i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 29. März 1961
Dasselbe gilt für den Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren, der vergleichbar einem Konkurs- oder Insolvenzverwalter das der Gesamtvollstreckung unterliegende Vermögen in Besitz nimmt, verwaltet und durch Verkauf oder in anderer Weise verwertet (vgl. §
2. Wird ein Rechtsanwalt (überwiegend) als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren tätig, gilt nichts anderes; auch ein Rechtsanwalt kann Vermögensverwaltung i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG betreiben.
a) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit solche, die durch eine selbständige Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts erzielt werden. Die Zugehörigkeit zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufsgruppen ist danach zwar Voraussetzung für die Annahme freiberuflicher Einkünfte. Sie reicht allein jedoch nicht aus. Vielmehr muss, wie § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zu entnehmen ist, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit freiberuflicher Art sein. Sie muss für den genannten Katalogberuf berufstypisch, d.h. in besonderer Weise charakterisierend und dem Katalogberuf vorbehalten sein (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1986
Die Tätigkeit eines Verwalters im Gesamtvollstreckungsverfahren ist für einen Rechtsanwalt nicht berufstypisch:
Nach §
b) Eine Tätigkeit ist nicht allein deswegen eine freiberufliche, weil sie mit dem Berufsbild eines Katalogberufs nach den berufsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist (vgl. BFH in BFHE 160,
Der Senat verkennt nicht, dass der BFH bei Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf berufsrechtliche Regelungen zurückgegriffen hat (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 3. Oktober 1985
Entgegen der Auffassung des FG kommt es daher für die Auslegung des Begriffs freiberufliche Tätigkeit nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Art und Umfang der Rechtsanwaltstätigkeit (z.B. BGH-Urteil vom 17. September 1998
c) Der uneingeschränkte Rückgriff auf berufsrechtliche Bestimmungen würde zudem, wie der Streitfall zeigt, dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) widersprechen. So führt die Auffassung der Klägerin dazu, wie sie selbst vorträgt, dass Rechtsanwälte, die als Konkursverwalter tätig sind, aufgrund ihres umfassenden Berufsbildes freiberuflich tätig wären, dieselbe Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters aufgrund engerer berufsrechtlicher Regelungen jedoch nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu beurteilen wäre und damit eher der Gewerbesteuer unterläge (vgl. so auch ausdrücklich Stuhrmann in Kirchhof/Söhn, aaO., § 18 Rdnr. B 229; Schick, NJW 1991,
d) Der erkennende Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von den Urteilen des BFH vom 28. Juni 1973
Die Entscheidung des Senats widerspricht auch nicht dem Urteil des IV. Senats des BFH vom 6. September 1990
3. Die somit der Art nach selbständige vermögensverwaltende Tätigkeit der Klägerin i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist nach der sog. Vervielfältigungstheorie unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG. Das FG hat insoweit zu Unrecht auf seine zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG angestellten Überlegungen zurückgegriffen und damit Bedeutung und Inhalt der Vervielfältigungstheorie außer Acht gelassen.
a) Nach der vom RFH und BFH entwickelten Vervielfältigungstheorie, die für vermögensverwaltende Tätigkeiten nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach wie vor gilt (Umkehrschluss aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; vgl. BFH-Urteil vom 11. August 1994
b) Aufgrund der Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Klägerin als Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren gewerblich tätig war:
Die Klägerin beschäftigte mehrere Angestellte, die die gleiche (Rechtsanwälte) oder eine vergleichbar qualifizierende (Betriebswirt) Berufsausbildung wie ihre Gesellschafter abgeschlossen hatten (vgl. ähnlich BFH-Urteile vom 5. Juli 1957
1. Nach der von RFH und BFH entwickelten Vervielfältigungstheorie, die für vermögensverwaltende Tätigkeiten nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach wie vor gilt, gehört es zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Tätigkeit, dass sie in ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruht. Nimmt die Tätigkeit einen Umfang an, der die ständige Beschäftigung mehrerer Angestellter oder die Einschaltung von Subunternehmern erfordert, und werden den genannten Personen nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende oder mechanische Arbeiten übertragen, so beruht sie nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und ist deshalb steuerrechtlich als eine gewerbliche zu qualifizieren. Die Tatsache, dass die Gesellschafter der Klägerin im Streitfall durch die in gleicher oder ähnlicher Weise qualifizierten Mitarbeiter oder Subunternehmer von Arbeit entlastet wurden, stützt nicht die Annahme, die Tätigkeit beruhe auf der persönlichen Arbeitskraft der Berufsträger. Aber auch dann, wenn nur Hilfskräfte beschäftigt werden, die ausschließlich untergeordnete Arbeiten erledigen, kann der Umfang des Betriebs im Einzelfall den gewerblichen Charakter der Tätigkeit begründen. Allein die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger "selbständig und eigenverantwortlich" i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig war, reicht im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht aus, die Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren. Anderenfalls ginge die vom Gesetz beabsichtigte Unterscheidung zwischen § 18 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG verloren.
2. Aufgrund der Feststellungen des FG ist der BFH davon ausgegangen, dass die Klägerin als Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren gewerblich tätig war. Sie beschäftigte mehrere Angestellte, die die gleiche (Rechtsanwälte) oder eine vergleichbar qualifizierende (Betriebswirt) Berufsausbildung wie ihre Gesellschafter abgeschlossen hatten. Sie hatte ferner 67 Personen angestellt, die teilweise eine Fachausbildung als Reno-Gehilfinnen bzw. Buchhalterinnen durchlaufen hatten. Die Zahl der insgesamt Beschäftigten (70) ist ein gewichtiges Indiz, das gegen die individuelle Leistung der Gesellschafter der Klägerin spricht. Die Klägerin hat ferner mit einem Gesamtaufwand von rd. 337.000 DM u.a. nicht angestellte Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer mit Arbeiten betraut.
Anmerkung Frank M. Welsch DZWIR 2002, 112