Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Februar 2016
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Abzinsung von Darlehensverbindlichkeiten.
Die im Dezember 2009 gegründete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin - seit 13. Juni 2016 firmiert sie unter ...) ist eine Unternehmergesellschaft. Sie betreibt das Halten und Veräußern von Beteiligungen sowie die Vermögensverwaltung. Alleingesellschafter ist X.
Am 22. Januar sowie am 25. Februar 2010 erwarb die Klägerin im Rahmen einer Kapitalerhöhung Inhaberaktien an der ... AG (AG) in Höhe von insgesamt 750.000 € zum Nominalwert. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien nahm die Klägerin bei ihrem Alleingesellschafter Darlehen in Höhe von 750.000 € auf. Eine Laufzeit dieser Darlehen war nicht ausdrücklich vereinbart; die Darlehen waren jedoch jederzeit mit einer Frist von 30 Tagen kündbar. Die Klägerin beabsichtigte zunächst, die erworbenen Aktien bis Mitte des Jahres 2010 weiter zu veräußern und die Darlehen aus dem Veräußerungserlös zu tilgen.
Die Darlehensverträge sahen vor, dass die Darlehensforderungen ab dem Tage des Geldeingangs bis zur Rückzahlung mit 3 % p.a. "aus den erhaltenen Dividenden der [AG]" zu verzinsen seien; die Verzinsung falle nur an, wenn die AG Dividenden zahle. Eine garantierte Mindestverzinsung sei ausgeschlossen, ebenso die Kumulation der in einem Jahr nicht gezahlten Zinsen.
Zu der beabsichtigten kurzfristigen Weiterveräußerung der Aktien kam es in der Folgezeit aufgrund einer nicht erwarteten negativen Entwicklung im Umfeld der AG nicht. Dementsprechend kam es auch nicht zu der beabsichtigten Tilgung der Darlehen. Auch Dividendenzahlungen seitens der AG blieben zunächst aus. Daraufhin wurden die Bedingungen der streitgegenständlichen Darlehensverträge am 24. November 2010 angepasst und eine Mindestverzinsung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 festgelegt.
In ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 passivierte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeiten in voller Höhe. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte für 2010 zunächst mit Bescheiden vom 20. Februar 2012 die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag erklärungsgemäß —auf der Grundlage eines Jahresfehlbetrags in Höhe von 366 €— fest. Nach einer Überprüfung der Darlehensverträge gelangte das FA zu der Auffassung, die bei der Klägerin passivierte Darlehensverbindlichkeit sei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Annahme einer Darlehenslaufzeit von zwölf Jahren mit einem Faktor von 0,503 um 372.750 € abzuzinsen. Das Jahresergebnis der Klägerin erhöhte sich dementsprechend auf einen Jahresüberschuss von ... €. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 2. Juli 2012 Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer sowie zum Gewerbesteuermessbetrag und zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils auf den 31. Dezember 2010, gegen die die Klägerin am 12. Juli 2012 jeweils Einspruch erhob.
Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2013 als unbegründet zurück. Hierbei stellte es auf die ursprüngliche (dividendenabhängige) Verzinsungsvereinbarung ab und führte aus, die streitgegenständlichen Darlehen seien "unstreitig unverzinslich" gewesen. Auf die vom Geschäftsführer der Klägerin angesprochene nachträgliche Vereinbarung einer (dividendenunabhängigen) Mindestverzinsung ging das FA nicht weiter ein. Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben.
Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Klage hinsichtlich der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2010 vom 2. Juli 2012 unzulässig und im Übrigen unbegründet sei. Die Darlehensverbindlichkeiten seien zum 31. Dezember 2010 nicht mit ihrem Nominalbetrag, sondern gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG in abgezinster Form zu passivieren. Es liege keine der Voraussetzungen für eine der drei Ausnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG vor. Insbesondere könne nicht am Bilanzstichtag 31. Dezember 2010 von einer verzinslichen Verbindlichkeit ausgegangen werden. Die Vereinbarung vom 24. November 2010 über eine dividendenunabhängige Mindestverzinsung beinhalte eine Verzinsung, die erst am 1. Januar 2011 und mithin nach dem Bilanzstichtag beginne. Es handele sich nicht um ein wertaufhellendes, sondern wertbegründendes Ereignis, das nicht auf den abgelaufenen Bilanzstichtag zurückwirke. Auch sei der Abzinsungsfaktor nicht zu beanstanden.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016,
Mit ihrer Revision greift die Klägerin die Vorentscheidung an, soweit das FG die Klage als unbegründet abgewiesen hat.
Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, es handele sich bei den Verbindlichkeiten um verzinsliche Darlehen. Bereits ab dem 24. November 2010 sei unstreitig eine unbedingte Verzinslichkeit der Darlehen vereinbart worden. Die Tatsache, dass nur wegen der unterbliebenen Dividendenzahlung zeitweise eine Verzinsung nicht erfolgt sei, könne nicht zu einer Qualifizierung als generell unverzinsliches Darlehen mit einer Laufzeit von zwölf Jahren führen. Dies widerspreche der Rz 17 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. Mai 2005 IV B 2 –S 2175– 7/05 (BStBl I 2005,
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG, die Bescheide für 2010 über die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag sowie die diesbezügliche Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2013 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es tritt der Revision der Klägerin entgegen und verteidigt die Vorentscheidung. Die von der Klägerin angeführte Verzinslichkeit des Darlehens sei davon abhängig gewesen, dass Dividenden aus dem erworbenen Aktienpaket gezahlt werden. Die Bedingung sei jedoch nicht eingetreten. Letztlich sei auch eine garantierte Mindestverzinsung ausgeschlossen worden.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt im Umfang des Revisionsbegehrens zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Durch die Sitzverlegung der Klägerin hat kein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden. Der infolge der Sitzverlegung der Klägerin erfolgte Übergang der örtlichen Zuständigkeit vom beklagten FA auf ein anderes Finanzamt wirkte sich nicht auf das bereits anhängig gewordene Revisionsverfahren aus. Das nach § 63 Abs. 1 FGO beklagte FA blieb passiv legitimiert (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ––BFH— vom 25. November 1986
2. Die Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2010 und zum Gewerbesteuermessbetrag 2010 vom 2. Juli 2012 sowie insoweit die diesbezügliche Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz liegen am Bilanzstichtag 31. Dezember 2010 verzinsliche Darlehen vor, so dass die Darlehensverbindlichkeiten zum 31. Dezember 2010 mit ihrem Nominalbetrag von insgesamt 750.000 € und nicht mit 377.250 € zu passivieren sind. Eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG kommt nicht in Betracht.
a) Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn für das Streitjahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes —hinsichtlich der Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes— i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor, so dass die Bewertung jenes Betriebsvermögens nach § 6 EStG vorzunehmen ist.
b) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen.
Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).
Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), liegen die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand einer Verbindlichkeit, deren Laufzeit weniger als zwölf Monate beträgt, im Streitfall nicht vor. Gleiches gilt für den Ausnahmefall einer Verbindlichkeit, die auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruht.
c) Die streitbefangenen Darlehen sind Verbindlichkeiten, die i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG verzinslich sind.
aa) Eine verzinsliche Verbindlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist (BFH-Urteil vom 27. Januar 2010 I R 35/09, BFHE 228,
bb) Die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226,
Es besteht daher im Ergebnis ein "Wahlrecht" (Groh, Der Betrieb —DB— 2007, 2275, 2277), eine Verzinsungsabrede mit dem Darlehensgeber zu treffen, mit der Folge, dass eine Abzinsung des Darlehens nicht zu erfolgen hat oder auf eine Verzinsung generell zu verzichten, so dass eine gesetzliche Abzinsung vorzunehmen wäre.
cc) Wird eine kurzzeitige Verzinsung von vornherein vereinbart, so ist nach Ansicht des BMF eine verzinsliche Verbindlichkeit gegeben. Eine Abzinsung soll dann unterbleiben (BMF-Schreiben in BStBl I 2005,
dd) Der Senat lässt im Streitfall offen, ob nicht schon vom Zeitpunkt der ursprünglichen Darlehensvereinbarungen an eine verzinsliche Verbindlichkeit vorlag (vgl. dazu Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 461). Dafür spricht, dass auch eine bedingte Verzinsung (im Streitfall 3 % im Falle einer Dividendenzahlung der AG) eine Zinsvereinbarung ist. Jedenfalls folgt er der Ansicht, dass eine spätere unbedingte Verzinsungsabrede zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt, die zum Zeitpunkt des folgenden Bilanzstichtages zu berücksichtigen ist (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2013,
ee) Im Streitfall liegt daher nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), aufgrund der getroffenen Vereinbarung vom 24. November 2010 spätestens ab diesem Zeitpunkt eine verzinsliche Verbindlichkeit vor, deren Verzinsungsbeginn nur nach dem Bilanzstichtag erfolgte.
Der Senat kann offen lassen, ob auch für Fälle einer kurzfristigen Verzinsung oder einer minimalen Verzinsung eine "verzinsliche Verbindlichkeit" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG angenommen werden kann. Im Streitfall ist eine solche Niedrigverzinsung jedenfalls nicht gegeben. Sie sollte der Höhe des effektiven Zinssatzes des bei der A–Bank aufgenommenen Refinanzierungsdarlehens entsprechen und die restliche Laufzeit der Darlehen erfassen.
d) Die nachträgliche Vereinbarung einer Verzinsung erfolgte auch nicht aufgrund missbräuchlicher Gestaltung. Wegen der geänderten Lage bei den Vertragsverhandlungen war mit einer kurzfristigen Rückzahlung der Darlehen nicht mehr zu rechnen, so dass man sich zu der Verzinsungsabrede am 24. November 2010 entschloss.
e) Soweit die Klägerin auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 5,5 % hat (s. hierzu das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren
f) Es stellt sich auch hinsichtlich der Verzinsung nicht die Frage —wie die Vorinstanz dies angenommen hat—, ob ein wertaufhellendes oder wertbegründendes Ereignis vorlag; denn die maßgebliche Vereinbarung vom 24. November 2010 war am Bilanzstichtag 31. Dezember 2010 bekannt. Nur bei Tatsachen, die nach dem Bilanzstichtag und bis zur Bilanzaufstellung eingetreten sind oder bekannt bzw. erkennbar werden, ist die Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Tatsachen beachtlich (ständige Rechtsprechung des BFH, s. z.B. Urteil vom 4. April 1973