Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Januar 2015 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.780,20 EUR für die Zeit vom 20.08.2013 bis zum 01.09.2014 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es Bestand hat, sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. betrifft.
A)
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß §
Durch dieses hat das Landgericht die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2), der zum maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer der Beklagten zu 1) war, als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung in Höhe von 921,70 € nebst Zinsen verurteilt, nachdem die Beklagte zu 1) auf die Kosten der Abmahnung 1.780,20 € gezahlt hat. Ferner hat es die Beklagte zu 1) verurteilt, insgesamt sieben veränderte Produkte, die mit der Marke X® gekennzeichnet sind und die im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben sind, zurückzurufen, sie endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen und solche, die sich in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, zu vernichten. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe von den Beklagten Unterlassung verlangen können, weshalb die Abmahnung berechtigt gewesen sei. Die Beklagten hätten die mit einem Aufkleber mit der Anschrift und der Pharmazentralnummer der Beklagten zu 1) sowie einem Barcode versehenen Pflaster in Deutschland nicht Verkehr bringen dürfen, ohne dies der Klägerin vorher anzuzeigen und auf Verlangen Muster vorzulegen, weil sich die Klägerin dem Vertrieb ohne diese Anzeige nach §
Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Sie machen geltend, es liege schon keine Neuetikettierung im Sinne der Rechtsprechung vor, weshalb eine Anzeigepflicht nicht bestanden habe. Der Streitwert der Abmahnung sei überzogen, wie der unstreitige geringe Schaden von nur rund 5.000,00 € zeige. Der Anspruch auf Vernichtung gehe ins Leere, weil die Beklagte zu 1) unstreitig keine entsprechende Ware mehr besitze und jedenfalls seit der Vertriebsanzeige vom 19. August 2013 zum Vertrieb berechtigt sei, weshalb es unverhältnismäßig sei, im Mai 2014 den Rückruf zu verlangen. Es habe sich um Originalware gehandelt und nach der Anzeige habe sich die Klägerin dem Vertrieb nicht widersetzt. Im Übrigen könne die Klägerin auch keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) geltend machen, weil sie zu dessen Handlungen nichts vorgetragen habe. Sie meinen ferner, die Klägerin habe die Klagemarke, die nur für Vliesstoff-Wundschnellverbände Schutz beanspruche, nicht rechtserhaltend benutzt. Unter Vlies sei Schafsfell oder Rohwolle zu verstehen, daraus könne ein steriler Wundverband nicht hergestellt werden.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Der Beklagte zu 2) hafte, weil er die Kennzeichenverletzungen nicht verhindert habe. Bei Vliesstoff handele es sich um Textilverbundstoffe, bei denen die Gewebebindung nicht durch Kette und Schuss oder Maschenbildung, sondern durch Verschlingung oder kohäsive oder adhäsive Verbindung hergestellt werde. Die von ihr vertriebenen Wundschnellverbände seien danach Vliesstoff-Wundschnellverbände.
Der Senat hat mit den Parteien ergänzend zu den von den Parteien erörterten Fragen erörtert, dass die besonderen Umstände des Falles eine Unverhältnismäßigkeit nahe legen könnten, zumal der Bundesgerichtshof hinsichtlich der markenrechtlichen Nebenansprüche mit Beschluss vom 5. März 2015 (
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
B)
Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Wesentlichen Erfolg. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 2) keine Ansprüche und gegen die Beklagte zu 1) lediglich noch Ansprüche auf Verzugszinsen auf die von ihr gezahlten Abmahnkosten für die Zeit zwischen Verzugseintritt und Zahlung zu.
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen auf den von ihr gezahlten Betrag für die Abmahnung vom 13. August 2013 für die Zeit von der Zahlungsverweigerung (Verzugseintritt) bis zur Zahlung, denn der Klägerin stand ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 1.780,20 € zu.
Die Abmahnung war nämlich berechtigt. Die Beklagte zu 1) hat durch den Vertrieb der mit Aufklebern versehenen Ware, ohne diesen vorher anzuzeigen, die Klagemarke der Klägerin X® verletzt. Wie im Termin erörtert, hat die Klägerin die Klagemarke rechtserhaltend benutzt, weil Vliesstoff unabhängig von dem Material jeder Textilverbundstoff sei, bei dem die Gewebebindung nicht durch Kette und Schuss oder Maschenbildung, sondern durch Verschlingung oder kohäsive oder adhäsive Verbindung hergestellt wird, und die unter der Bezeichnung X® vertriebenen Wundschnellverbände nach der Augenscheinnahme dementsprechend Vliesstoff-Wundschnellverbände darstellen. Dass der Umfang des Absatzes für eine ernsthafte Benutzung ausreicht, stellen die Parteien nicht in Frage.
Der Vertrieb mit den streitigen Aufklebern, ohne vorherige Anzeige und auf Verlangen Übersendung eines Musters, verletzte auch die Rechte der Klägerin, weil sich die Beklagte gemäß §
Der Senat hat in dem den Parteien bekannten Urteil aus einem ParallelverfahrenI-
"Dem Vorliegen einer durch die Beklagte begangenen Markenverletzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin die streitgegenständlichen Produkte ursprünglich in den Verkehr gebracht hat. Denn der Grundsatz, dass der Inhaber einer Marke nicht das Recht hat, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind (§
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. GRUR Int 1998,
a) es ist nachgewiesen, dass es zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt, wenn der Inhaber der Marke sein Markenrecht verwendet, um die Vermarktung erneut mit dieser Marke etikettierten Erzeugnissen zu verhindern,
b) es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand des Erzeugnisses nicht berührt,
c) dass die Aufmachung des neuetikettierten Erzeugnisses dem guten Ruf der Marke und ihres Inhabers nicht schaden kann, und
d) dass derjenige, der die Neuetikettierung vornimmt, den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neuetikettierten Erzeugnisse unterrichtet.
Neuetikettierung in dem genannten Sinn ist jedes Aufbringen eines Aufklebers auf die Verpackung der Markenware, das seinem Wesen nach tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie der Marke birgt, ohne dass in diesem Zusammenhang bereits zu prüfen ist, welche konkreten Auswirkungen die vom Parallelimporteur vorgenommene Handlung hat; hierzu rechnet regelmäßig bereits das Aufbringen eines Aufklebers mit wichtigen Informationen in der Sprache des Einfuhrlandes (vgl. EuGH GRUR 2007,
Die Beklagte war aber - neben einer Anzeige - auch verpflichtet, der Klägerin auf Verlangen ein Muster der Ware zu liefern, weshalb die diesbezügliche Verurteilung seitens des Landgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Die Übersendung auf Verlangen ist ein Erfordernis, das vom Europäischen Gerichtshof im Falle der Neuetikettierung von Arzneimitteln aufgestellt worden ist (vgl. GRUR 2007,
Den Besonderheiten der Arzneimittel vergleichbare Besonderheiten sind bei Medizinprodukten gegeben, so dass die Interessen des Markeninhabers auch hier eine Übersendungspflicht auf Verlangen gebieten.
Die Besonderheit von Arzneimitteln ist die mit ihrer Herstellung und ihrem Vertrieb verbundene hohe Verantwortung, welche sich in entsprechenden gesetzlichen Anforderungen niederschlägt. Unter Arzneimitteln versteht man nach der Definition in §
Der Begriff "Medizinprodukt" bezeichnet demgegenüber sinngemäß einen Gegenstand oder einen Stoff, der zu medizinisch therapeutischen oder diagnostischen Zwecken verwendet wird, wobei die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im Unterschied zu Arzneimitteln primär nicht pharmakologisch, metabolisch oder immunologisch, sondern meist physikalisch oder physikochemisch erfolgt. Konkret definiert wird das Medizinprodukt in §
Medizinprodukte der Klasse I durchlaufen mithin zwar kein Zulassungsverfahren wie Arzneimittel. Das zu ihrer Verkehrsfähigkeit notwendige Konformitätsbewertungsverfahren macht sie jedoch sowohl aus der Sicht der Hersteller als auch aus der Perspektive der Verbraucher zu ebenfalls besonders sensiblen Produkten, bei denen die Herkunftsgarantie der auf dem Produkt angebrachten Marke aufgrund der ebenfalls hohen Verantwortlichkeit des Herstellers eine besondere Bedeutung erlangt. Dies gilt auch und gerade für die Verpackung, auf der die CE-Kennzeichnung als Erklärung des Herstellers, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt, aufgebracht ist.
Vergleichbare Anforderungen sind für Lebensmittel, wie sie in den oben genannten Entscheidungen "Loendersloot/Ballantine" und "Barilla" zur beurteilen waren, nicht vorgesehen. Maßgeblich sind insofern das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (
An dieser Bewertung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest, so dass die Abmahnung jedenfalls berechtigt war.
Zu Recht machen die Beklagten indes geltend, dass der Streitwert der Abmahnung richtigerweise mit 100.000,00 € zu bemessen war, weshalb der Klägerin nur ein Anspruch in Höhe der gezahlten 1.780,20 € zustand. Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der begehrten Unterlassung. Dieser Wert wird bestimmt durch den Wert des verletzten Zeichens einerseits und die Gefährlichkeit der Verletzung andererseits (Ingerl/Rohnke,
II.
Ein Anspruch auf Zahlung der Adressermittlungskosten in Höhe von 14,30 € besteht nicht. Es ist schon nicht ersichtlich welche Pflicht die Beklagten verletzt haben sollen. Es handelt sich vielmehr um völlig normale außergerichtliche Kosten, die im Rahmen der Kostenausgleichung im vorliegenden Rechtsstreit in Ansatz zu bringen wären, wenn denn die Klägerin obsiegen würde.
III.
Ein Anspruch auf Zahlung der Zinsen auf die Abmahnkosten gegen den Beklagten zu 2) besteht nicht, weil die Klägerin die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers nicht dargetan hat. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 2) von dem Vertrieb Kenntnis hatte und diesen nicht unterband, begründet seine Haftung nicht.
Der Grundsatz, dass der Geschäftsführer für Kennzeichenverletzungen haftet, wenn er von ihnen Kenntnis hat und sie nicht verhindert, wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrecht erhalten (BGH GRUR 2014,
IV.
Zu Recht wendet sich die Beklagte zu 1) auch gegen ihre Verurteilung zu Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen und Vernichtung aus §
Nach Absatz 3 sind die Ansprüche ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Der Vernichtungsanspruch - und ebenso der Rückrufanspruch - hat über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. So kann die Möglichkeit, den durch die Rechtsverletzung verursachten Zustand auf andere Weise zu beseitigen, der Verhältnismäßigkeit ebenso entgegenstehen, wie schuldloses Handeln des Verletzers, zumal wenn der ihm durch die Vernichtung entstehende Schaden den durch die Verletzung eingetretenen Schaden des Schutzrechtsinhabers erheblich übersteigt (BGH, GRUR 2006,
Hier ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten nach der Vertriebsanzeige in Verkehr gebrachten Produkte nicht zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Es ist daher schon nicht zu erwarten, dass jetzt, aber auch schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung in nennenswertem Umfang vor dem 19. August 2013 in Verkehr gebrachte Produkte bei den gewerblichen Abnehmern vorhanden sind. Die Beklagte zu 1) selber hat unstreitig keine derartigen Produkte mehr in Besitz. Der Rückrufanspruch läuft damit auf eine reine Selbstbezichtigung der Beklagten zu 1) hinaus, ohne dass ein erkennbares wirtschaftliches Interesse der Klägerin ersichtlich wäre, zumal für die bereits vertriebene Ware die Beklagte vorgerichtlich den geforderten Schadensersatz geleistet hat.
Unter den gegebenen Umständen ist es unverhältnismäßig, den Rückruf und die Vernichtung anzuordnen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
Die Revision war nach §
Darüber hinaus ist auch die Frage, unter welchen Umständen die Verfolgung von Rückruf- und Vernichtungsansprüchen unverhältnismäßig ist, wenn - wie vorliegend - umetikettierte Originalware vertrieben wurde, höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 8.10.2015 und der Beklagten vom 13.10.2015 geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Streitwert: 13.421,70 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)