BMF: Neuigkeiten zur Abgeltungsteuer

Seit 2009 gilt bei Kapitalerträgen – sowohl für laufende Erträge als auch für Veräußerungsgewinne – ein Steuersatz von 25 %. Diese Einkünfte sind durch den pauschalen Steuersatz vom progressiven Steuertarif ausgenommen.

Lediglich für bestimmte gesetzlich definierte Fälle von Kapitalerträgen gilt die tarifliche Einkommensteuer (z.B. im Rahmen des Veranlagungswahlrechts nach § 32d Abs. 6 EStG oder bei den Tatbeständen nach § 32d Abs. 2 EStG). Die Finanzverwaltung hat die Anwendung der Regelungen zur Abgeltungsteuer durch umfangreiche Verwaltungsanweisungen konkretisiert.

Im Jahr 2016 wurde der umfangreiche Anwendungserlass zu den Einzelfragen der Abgeltungsteuer neugefasst (BMF-Schreiben v. 18.01.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85). Seither sind hierzu verschiedene Ergänzungsschreiben ergangen. Zuletzt hat das BMF mit dem Schreiben vom 10.05.2019 - IV C 1 - S 2252/08/10004 eine weitere Ergänzung vorgenommen. Im Folgenden erhalten Sie einen kurzen Überblick zu den wichtigsten Änderungen bei der Abgeltungsteuer in der jüngsten Vergangenheit.

BMF-Schreiben vom 12.04.2018

Mit dem Schreiben vom 12.04.2018 - IV C 1 - S 2252/08/10004 (BStBl I 2018, 624) wurden nach der Neufassung des o.g. Anwendungsschreibens aus dem Jahr 2016 umfassende Ergänzungen vorgenommen. Die Änderungen gelten ab dem 01.01.2018. Insbesondere waren folgende Bereiche berührt:

  • Stillhalterprämien bei Kauf- oder Verkaufsoptionen und Verfall: Übt der Inhaber die Kaufoption aus und liefert der Stillhalter den Basiswert, führt dies beim Stillhalter zu einem Veräußerungsgeschäft. Die vereinnahmte Optionsprämie ist jedoch bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht zu berücksichtigen. Ist der Stillhalter zum Barausgleich verpflichtet, führt dies zu Verlusten aus einem Termingeschäft. Außerdem führt der Verfall von Kauf- bzw. Verkaufsoptionen beim Inhaber zu gewinnmindernden Aufwendungen. Ein Verkauf vor dem Verfall ist hierzu nicht erforderlich.
  • Barausgleich bei Anteilstausch: Erhält ein Steuerpflichtiger anlässlich eines Anteilstauschs für vor dem 01.01.2009 erworbene Anteile einen Barausgleich, muss dieser nicht in eine einkommensteuerpflichtige Dividende umqualifiziert werden, wenn die Anteile wegen Ablaufs der einjährigen Haltefrist bereits steuerentstrickt waren.
  • Kapitalerhöhung gegen Einlage: Bei der Ausübung eines Bezugsrechts wird zwischen Anschaffungen vor und nach dem 01.01.2009 unterschieden. Beruht das Bezugsrecht auf Anteilen, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden, wird bei Ausübung das Bezugsrecht mit 0 € bei den Anschaffungskosten der jungen Aktien berücksichtigt. Im Fall von vor dem 01.01.2009 angeschafften Anteilen ist bei der Ausübung des Bezugsrechts zusätzlich zum Kaufpreis der Aktien der Wert des Bezugsrechts bei den Anschaffungskosten der jungen Aktien anzusetzen.

Hinweis: Hinsichtlich der Regelungen zum Anteilstausch und zu den Bezugsrechten wird es nicht beanstandet, wenn diese erst ab dem 01.01.2019 angewendet werden.

BMF-Schreiben vom 17.01.2019

Auch im laufenden Jahr gab es durch ein ergänzendes BMF-Schreiben vom 17.01.2019 - V C 1 - S 2252/08/10004 (BStBl I 2019, 51) bereits einige Änderungen. Insbesondere sind hier folgende Bereiche zu nennen:

  • Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug bei Erstattung von Darlehenszinsen auf darlehensfinanzierte Kreditbearbeitungsgebühren, die nicht zu Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen.
  • Änderungen bei Devisentermingeschäften aufgrund des BFH-Urteils vom 24.10.2017 - VIII R 35/16 (BStBl II 2018, 189). Hiernach kann ein auf Differenzausgleich gerichtetes Devisentermingeschäft auch dann vorliegen, wenn das Gegengeschäft dem Eröffnungsgeschäft nachfolgt.
  • Die vollständige oder teilweise Erstattung von Bestandsprovisionen durch Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute kann zu besonderen Entgelten i.S.d. § 20 Abs. 3 EStG führen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen.
  • Weitere Änderungen betrafen die Behandlung von Prämien bei der Übertragung eines Wertpapierdepots als Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG sowie die Berücksichtigung von NV-Bescheinigungen ohne die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer.

BMF-Schreiben vom 10.05.2019

Das neue Schreiben ist recht kurz und regelt im Schwerpunkt einen Streitpunkt (BMF -Schreiben v. 10.05.2019 - IV C 1 - S 2252/08/10004).

Der Veräußerungsbegriff in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist breit gefasst. Nicht nur die entgeltliche Übertragung ist erfasst, sondern auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung und verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft sind zu berücksichtigen.

Entgegen der bisherigen Sichtweise der Finanzverwaltung hat der BFH mit Urteil vom 12.06.2018 - VIII R 32/16 klargestellt, dass eine Veräußerung im Sinne der Vorschrift auch dann vorliegt, wenn die tatsächlichen Transaktionskosten den Veräußerungspreis übersteigen.

Entsprechend kann ein Veräußerungsverlust berücksichtigt werden. Das Finanzamt hatte im Rahmen der Realisierung von Verlusten bei nahezu wertlosen Aktien einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten angenommen. Seiner Ansicht nach wäre es der sinnvolle Weg gewesen, die Aktien im Depot zu belassen und ggf. gewinnneutral auszubuchen. Dies sah der BFH anders.

Die Finanzverwaltung hatte dies bisher ausdrücklich verneint (BMF-Schreiben v. 18.01.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85, Rdnr. 59). Die Regelung wurde nun dahingehend angepasst, dass eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungen abhängt (BMF-Schreiben v. 10.05.2019 - IV C 1 - S 2252/08/10004, Rdnr. 59).

Laut BMF wird es nicht beanstandet, wenn diese Änderung für die Kapitalertragsteuererhebung erstmals auf Kapitalerträge angewendet wird, die ab dem 01.01.2020 zufließen (BMF-Schreiben v. 10.05.2019 - IV C 1 - S 2252/08/10004, Rdnr. 324).

Tipp: Das Urteil des BFH vom 12.06.2018 - VIII R 32/16 wird nun im BStBl veröffentlicht. Da die Verwaltung sich insoweit der Ausweitung des Begriffs der Veräußerung angeschlossen hat, ist die Anwendung der Urteilsgrundsätze in der Praxis unproblematisch (siehe aber den folgenden Abschnitt zu den im Rahmen des "JStG 2019" geplanten Änderungen).

Exkurs: Im Rahmen des „JStG 2019“ geplante Änderungen

Am 08.05.2019 hat das BMF einen Referentenentwurf für ein „JStG 2019“ veröffentlicht, das die amtliche Bezeichnung „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ trägt.

Im Rahmen des Gesetzes sind auch Änderungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und zum Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen.

  • Crowdlending: Ergänzend zu dem neuen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. c EStG-E bestimmt der neue § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. c EStG-E den inländischen Betreiber einer Internetdienstleistungsplattform oder die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Betreibers zur auszahlenden Stelle. Künftig soll der Kapitalertragsteuerabzug vom inländischen Betreiber oder der inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Betreibers einer Internetdienstleistungsplattform vorgenommen werden, der die Kapitalerträge für den Gläubiger ausweist oder eine Übersicht über die Kapitalerträge anderweitig zur Verfügung stellt.
  • Verfall von Optionen im Privatvermögen: In einem neuen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG-E soll geregelt werden, dass der Verfall von Optionen im Privatvermögen einkommensteuerrechtlich nicht von Bedeutung ist.
  • Endgültiger Ausfall einer Kapitalforderung: Gerade im Kontext der neuesten Änderung des Anwendungsschreibens ist auch die geplante Änderung des § 20 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 2 und 4 EStG-E zu erwähnen: Hiernach soll insbesondere der durch den Ausfall einer Kapitalforderung oder die Ausbuchung einer Aktie entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich sein.
  • „Umgehungsgeschäfte“: In § 20 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 EStG-E soll festgeschrieben werden, dass auch die Veräußerung von wertlosen Wirtschaftsgütern steuerlich unbeachtlich ist. Diese geplante Regelung ist somit als Reaktion auf das Urteil des BFH vom 12.06.2018 - VIII R 32/16 anzusehen.

Fazit

Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und den Regelungen zur Abgeltungsteuer bleibt alles in Bewegung, wie die umfangreichen Veröffentlichungen des BMF in letzter Zeit belegen.

Das „JStG 2019“ wirft bereits seine Schatten voraus; auch von Seiten des Gesetzgebers ist mit einigen Änderungen in diesem Bereich zu rechnen.

Dies alles sind jedoch nur untergeordnete Aspekte, wenn man die nach wie vor im Raum stehende Abschaffung der Abgeltungsteuer, die auch Gegenstand der Koalitionsvereinbarungen der derzeitigen Regierung war, im Blick hat.

Dieses Vorhaben soll dem Vernehmen nach noch vor 2021 ernsthaft angegangen werden. Interessant werden in diesem Zusammenhang dann insbesondere die Übergangs- und Bestandschutzregelungen werden.

Thorsten Wagemann, Steuerberater, Dipl.-Wirtschaftsjurist

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