Gestaltungsmissbrauch bei gezielt herbeigeführten Verlusten nach § 17 EStG

Autor: Ott

Einführung

In zwei Entscheidungen hat sich der BFH jüngst mit Fragen zur Anwendung des §  42 AO im Zusammenhang mit der gezielten Herbeiführung von Veräußerungsverlusten bei Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. §  17 EStG beschäftigt. Mit Urteil vom 20.09.2022 hat der BFH erneut zu einer sogenannten Anteilsrotation Stellung genommen und Verlusten aus der wechselseitigen Veräußerung von GmbH-Anteilen die steuerliche Anerkennung versagt. Dagegen hat er mit Urteil vom 03.05.2023 einen Gestaltungsmissbrauch bei einem in der Vergangenheit praktizierten Gestaltungsmodell verneint, bei dem ein Verlust aus der Veräußerung eines GmbH-Anteils realisiert wurde, nachdem zuvor dessen Anschaffungskosten durch eine Kapitalerhöhung mit Aufgeld (sog. Überpari-Emission) erhöht worden waren. Die beiden vorgenannten Entscheidungen werden im Folgenden analysiert.

Gestaltungsmissbrauch bei Anteilsrotation

Nach dem Urteil des BFH vom 20.09.20221)führt ein "Verlust" i.S.d. §  17 Abs.  1 Satz 1 EStG, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil und stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.v. §  42 Abs.  1 Satz 1 i.V.m. Abs.  2 Satz 1 AO dar.