I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine in den alten Bundesländern ansässige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, unterhält seit dem 1. Juli 1990 eine Zweigniederlassung im Beitrittsgebiet, die im Handelsregister eingetragen wurde. In der Steuererklärung für 1990 für die Zweigniederlassung beantragte die Klägerin die Gewährung einer Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 der Durchführungsbestimmung zum Steueränderungsgesetz vom 16. März 1990 --DB-StÄndG-- (Gesetz- und Verordnungsblatt der DDR --GBl DDR-- I, 195). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Juli 1991 IV B 3 - S 2259 C - 14/91 (BStBl I 1991,
Die Klägerin beantragt mit ihrer Revision sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils den Bescheid 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 17. September 1992 dahingehend zu ändern, daß die zusammengefaßte Steuer mit 10 891 DM festgesetzt werde.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Finanzgericht --FG-- (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die Klägerin ist im Streitjahr 1990 mit ihren Einkünften aus der Zweigniederlassung im Beitrittsgebiet auf dem Gebiet der ehemaligen DDR beschränkt steuerpflichtig. Dies ergibt sich aus § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes der DDR (KöStG) i.d.F. vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 671), geändert durch das Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögenssteuer --StÄndG-DDR-- vom 6. März 1990 (GBl DDR I, 136) und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Juni 1990 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 1427) i.v.m. § 49 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes DDR (EStG DDR) vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 670) i.d.F. der oben bezeichneten Änderungsgesetze und § 12 der Abgabenordnung DDR (AO DDR vom 22. Juni 1990; GBl DDR Sonderdruck Nr. 1428).
Diese Vorschriften des Beitrittsgebiets gemäß Art. 3 des Einigungsvertrages (EinigVtr) galten noch bis zum 31. Dezember 1990. Gemäß Art. 8 EinigVtr trat grundsätzlich zwar mit dem Wirksamwerden des Beitritts, d.h. am 3. Oktober 1990 (Art. 1 EinigVtr) im Gebiet der ehemaligen DDR Bundesrecht in Kraft. Hiervon abweichend gilt jedoch gemäß Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 EinigVtr u.a. das Recht der Besitz- und Verkehrsteuern der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ab 1. Januar 1991. Zu den Besitzsteuern gehören auch die Steuern auf Einkommen und Ertrag (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 2 AO 1977 Tz. 42; Scholtz in Koch, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 3 Rdnr. 34) und damit auch die Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, §
2. Gemäß § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR wird bei Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes dem Inhaber eine einmalige Steuerbefreiung für zwei Jahre höchstens bis zu 10 000 DM gewährt. Auch diese Vorschrift, auf die die Klägerin ihre Revision stützt, ist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO revisibel. Mit der gesetzlichen Bestimmung in Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Satz 2 EinigVtr, wonach für das Streitjahr 1990 das in der damaligen DDR geltende Recht weiter anzuwenden ist, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) die steuerrechtlichen Bestimmungen der ehemaligen DDR als partielles Bundesrecht übernommen (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 1993
3. § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR gilt auch für (beschränkt steuerpflichtige) Kapitalgesellschaften (ebenso Schreiben des BMF in BStBl I 1991,
4. § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR setzt die Neueröffnung eines B e t r i e b e s voraus. Die Eröffnung einer Betriebsstätte, die nicht die Merkmale eines Betriebes hat, genügt nicht. Dies entnimmt der Senat dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄnd DDR. Im Zuge der Wiedervereinigung mußten im Rahmen kurzer zeitlicher Vorgaben eine Vielzahl von Rechtsvorschriften erlassen werden, deren Sinn und Zweck im Einzelfall kaum dokumentiert wurde und deren Ziel ganz allgemein in der Vereinheitlichung zweier Rechts- und Wirtschaftssysteme lag. Da der Zweck dieser Normen im Einzelfall kaum faßbar ist, kommt dem Wortlaut der Bestimmung besonderes Gewicht zu.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR spricht von einer "Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes" und nicht von der Erweiterung eines bestehenden Betriebes um eine Betriebsstätte. Zweigniederlassungen galten nach §
Für die Eröffnung einer Betriebsstätte kann der Steuerabzugsbetrag auch nicht nach dem vom III. Senat des BFH zum Investitionszulagerecht entwickelten Grundsatz der Meistbegünstigung gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988
5. Eine Zweigniederlassung kann allerdings die Merkmale eines Teilbetriebes und damit die eines neueröffneten "Betriebes im Sinne des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR" aufweisen. Hierzu fehlen die notwendigen tatsächlichen Feststellungen, so daß die Sache an das FG zurückzuverweisen ist.
a) Betrieb im Sinne der steuerlichen Vorschriften des DDR-Rechts kann auch ein Teilbetrieb sein. Dies läßt sich nicht nur der Vorschrift über die Betriebsveräußerung nach § 16 Nr. 1 EStG DDR entnehmen, die Betrieb und Teilbetrieb in der Rechtsfolge grundsätzlich gleichstellt. Auch z.B. § 8 Nr. 1 GewStG DDR definiert den Betrieb durch Klammerzusatz im Sinne eines Teilbetriebes. Gleichermaßen sah § 116 Abs. 1 AO DDR eine Betriebsübernahmehaftung auch für die Übereignung eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes vor (vgl. auch § 75 Abs. 1 AO DDR vom 22. Juni 1990). Eine Gleichstellung von Betrieb und Teilbetrieb entspricht auch dem von § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR zu entnehmenden Zweck, die Eröffnung von Betrieben steuerlich zu begünstigen. Unter diesem Aspekt erscheint die formal-rechtliche Selbständigkeit eines Betriebes kein geeignetes Abgrenzungskriterium.
Ein Teilbetrieb erfüllt aber nur dann die Merkmale eines Betriebes, wenn er mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und organisatorisch ein geschlossener Teil des Gesamtbetriebes ist, der für sich allein lebensfähig ist (so ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 16 Anm. 15 m.w.N.). Ein bloßer unselbständiger Betriebsteil liegt hingegen vor, wenn ein Unternehmen nur organisatorisch nach örtlichen oder fachlichen Gesichtspunkten aufgeteilt ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155,
b) Die Eröffnung eines Teilbetriebes kann dann eine N e ueröffnung eines "Betriebes im Sinne des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR" sein, wenn der Betriebsinhaber auf dem Gebiet der ehemaligen DDR noch keinen Betrieb hatte. Für das Wirtschaftsjahr 1990 gilt in dem in Art. 3 EinigVtr genannten Gebiet das dort geltende Recht fort. In der ehemaligen DDR bestand daher 1990 eine selbständige Steuerhoheit, die der ausländischer Staaten ähnelte. Aus steuerlicher Sicht war daher 1990 ein in der Bundesrepublik ansässiger Betrieb kein in der DDR ansässiger und umgekehrt. Eröffnete daher ein in der Bundesrepublik ansässiger Betrieb 1990 in der DDR erstmals einen (Teil-)Betrieb, so stellte sich dieser aus der Sicht des DDR-Steuerrechts als Neueröffnung eines Betriebes auf dem Gebiet der DDR dar.
c) Das Urteil des FG ist aufzuheben, obgleich es die Voraussetzungen für die Bejahung eines selbständigen Betriebes ausdrücklich verneint hat. Eine Bindung an diese Feststellung tritt jedoch gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht ein, weil das FG nicht von den oben bezeichneten Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Insbesondere genügen zur Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse nicht die Feststellungen, wonach Haupt- und Zweigniederlassung nur einen einheitlichen Briefkopf verwendeten und die Gesellschafter-Geschäftsführer in beiden Niederlassungen Einfluß nehmen konnten. Zur Beurteilung der Gesamtverhältnisse bedarf es noch weiterer Feststellungen insbesondere dazu, ob die Zweigniederlassung von einem mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Leiter geleitet wurde, eigene Mandanten betreute, d.h. die Verträge über die Betreuung von Mandanten in der ehemaligen DDR mit der Zweigniederlassung bzw. dessen Leiter abgeschlossen wurden, die Angestellten ihre Verträge mit dem (selbständigen) Zweigniederlassungsleiter abgeschlossen wurden, die laufenden Unkosten der Zweigniederlassung aus eigenen Einnahmen beglichen wurden u.ä. und ob diese Voraussetzungen bereits im Streitjahr 1990 vorlagen. Mit der Zurückverweisung erhält die Klägerin auch Gelegenheit ggf. nachzuweisen, daß die Zweigniederlassung bereits 1990 unter einem eigenen Briefkopf nach außen auftrat, d.h. Verträge abschloß und Rechnungen erstellte und eine eigene Buchführung hatte.
Im Streitfall eröffnete eine in den alten Bundesländern ansässige Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1990 eine Zweigniederlassung im Beitrittsgebiet. Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, da dieses feststellen müsse, ob die Zweigniederlassung einen Teilbetrieb darstelle. Hierfür sei u.a. ausschlaggebend, ob die Niederlassung von einem mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Leiter geleitet werde, die Verträge über die Betreuung von Mandanten in der ehemaligen DDR sowie die Angestelltenverträge mit der Zweitniederlassung abgeschlossen wurde und die laufenden Kosten der Zweigniederlassung aus eigenen Einnahmen beglichen wurden.