I. Vorlagebeschluß des IV. Senats
Der IV. Senat hat durch Beschluß
1. Ist im Fall der echten oder sogenannten unechten Betriebsaufspaltung Voraussetzung für die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens, daß an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen gegeben sind (Urteile des BFH
2. Für den Fall, daß der Große Senat der abweichenden Auffassung des vorlegenden Senats nicht folgt, wird nach § 11 Abs. 4 FGO folgende Frage vorgelegt: Inwieweit sind Beteiligungen von Familienangehörigen des Unternehmers dessen Beteiligungen hinzuzurechnen?
II. Sachverhalt
In dem dem IV. Senat vorliegenden Revisionsverfahren ist streitig, ob die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen) gewerbesteuerpflichtig ist.
Die Steuerpflichtige ist eine Bruchteilsgemeinschaft an einem Fabrik- und Bürogrundstück. An ihr sind beteiligt W.M. zu 20 v.H. und seine volljährige Tochter E.M. zu 30 v.H., A.St. zu 30 v.H. und seine beiden volljährigen Söhne B.St. und K.St. zu je 10 v.H. . Die Hausgemeinschaft wurde durch notariellen Vertrag vom 25. Juli 1960 rückwirkend zum 1. Januar 1960 durch Übertragung von Miteigentumsanteilen durch die beiden Väter W.M. und A.St., die bis dahin je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks waren, an ihre Kinder gegründet. Das Grundstück war bis zum 31. Dezember 1959 Betriebsvermögen einer OHG, an der W.M. und A.St. allein beteiligt waren. Die OHG stellte Kartonagen her und vertrieb sie. Mit Wirkung vom 1. Januar 1960 gründeten die beiden Gesellschafter eine GmbH unter Aufnahme naher Angehöriger und Übertragung des Betriebsvermögens von der OHG auf die GmbH mit Ausnahme des Fabrik- und Bürogrundstücks. Am Stammkapital der GmbH waren beteiligt: W.M. zu 20 v.H., E.M. zu 15 v.H., die Ehefrau des W.M. zu 15 v.H. und A.St. zu 50 v.H. . Das Grundstück wurde von der Steuerpflichtigen an die GmbH verpachtet. Diese nutzte es in gleicher Weise für den Betrieb wie vorher die OHG. Das Finanzamt (FA) sah die Grundstücksverpachtung als gewerbliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen an und erließ einen Gewerbesteuermeßbescheid 1960. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Mit der Revision begehrt die Steuerpflichtige Freistellung von der Gewerbesteuer.
III. Begründung des Vorlagebeschlusses
Der IV. Senat beabsichtigt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, daß es für die Annahme einer Betriebsaufspaltung nicht erforderlich sei, daß an der Besitzfirma und der Betriebs-GmbH dieselben Personen mit denselben Beteiligungsverhältnissen beteiligt seien. Er hält es vielmehr für ausreichend, daß in beiden Gesellschaften die die Geschicke der Unternehmen beherrschende Mehrheit identisch ist, weil von deren Beschlüssen die Identität der wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Unternehmen abhänge. An einer Entscheidung im Sinn dieser Ausführungen sehe sich der IV. Senat durch die Entscheidungen des I. Senats des BFH
IV. Beitritt des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen zum Verfahren Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) ist dem Verfahren beigetreten. Er übt die Funktion des in § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Bundesministers der Finanzen (BdF) aus und erlangt damit nach § 122 Abs. 2 letzter Satz FGO die Rechtsstellung eines Beteiligten.
V. Entscheidung des Großen Senats
1. Der Vertreter der Steuerpflichtigen hat in der mündlichen Verhandlung das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung überhaupt angegriffen. Die beiden beteiligten Senate, der IV. Senat in seinem Vorlagebeschluß und der I. Senat in den Urteilen, von denen der IV. Senat abweichen will, gehen von der Rechtmäßigkeit dieses Instituts aus. Auch der Große Senat legt die Anerkennung dieses Instituts seiner Entscheidung zugrunde. Er sieht keine Veranlassung, auf die Einwendungen des Vertreters der Steuerpflichtigen einzugehen, weil sich darauf die vorgelegten Rechtsfragen nicht erstrecken.
2. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen. Eine gesetzliche Definition des Begriffs "Gewerbebetrieb" enthält § 1 Abs. 1 GewStDV. Aus dieser Definition geht allerdings nicht hervor, daß für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs auch Voraussetzung ist, daß die Tätigkeit über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Das ergibt sich aber daraus, daß der Begriff "Gewerbebetrieb" ein Unterbegriff ist, der unter den Oberbegriff "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" fällt. Deswegen gilt das für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in § 8 Abs. 1 und 2 GewStG aufgestellte Erfordernis des Hinausgehens über den Rahmen einer Vermögensverwaltung auch für den Gewerbebetrieb. Das gilt auch, soweit das Besitzunternehmen kein Einzelunternehmen ist, sondern in Form einer OHG, einer KG oder eines anderen bürgerlich-rechtlichen Personenzusammenschlusses (Gesellschaft oder Gemeinschaft des bürgerlichen Rechts) betrieben wird. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG gilt die Tätigkeit dieser Gesellschaften nur dann in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn ihre Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind. Dazu ist aber auch bei der OHG und bei der KG erforderlich, daß sich die Gesellschaft gewerblich betätigt (vgl. Urteil des BFH
3. Vermögensverwaltung liegt nach § 9 GewStDV in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, z.B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird. Danach stellt die Vermietung von Grundbesitz (und anderem Anlagevermögen) in der Regel eine bloße Vermögensverwaltung dar. Nach ständiger Rechtsprechung kann sie jedoch bei Vorliegen besonderer Umstände auch als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Daß dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt die Vorschrift des § 21 Abs. 3 EStG, nach der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne der §§ 2 Abs. 3 Nr. 6, 21 Abs. 1 und 2 EStG anderen Einkunftsarten, also auch den Einkünften aus Gewerbebetrieb, zuzurechnen sind, soweit sie zu diesen gehören (vgl. die in Abschn. II 2a des Urteils des BFH
Als besondere Umstände, die bei einer Betriebsaufspaltung die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens rechtfertigen, hat die Rechtsprechung sowohl sachliche als auch personelle Gegebenheiten angesehen. In sachlicher Beziehung gilt es als besonderer Umstand, daß bei der echten Betriebsaufspaltung wohl der bisher von dem Besitzunternehmen geführte Betrieb als solcher auf die neugegründete Betriebsgesellschaft übergeht, daß aber Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundbesitz, die zu den wesentlichen Grundlagen des übergegangenen Betriebs gehören, bei dem Besitzunternehmen verbleiben. In personeller Beziehung gilt als besonderer Umstand die auch nach der Betriebsaufspaltung bestehende enge personelle Verflechtung beider Unternehmen. Entsprechende Erwägungen gelten bei der sogenannten unechten Betriebsaufspaltung (vgl. Urteil des BFH
4. Während in der Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH über die sachlichen Voraussetzungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens auch nach der Betriebsaufspaltung keine unterschiedlichen Auffassungen bestehen, sind solche Differenzen bei der Frage aufgetreten, unter welchen Voraussetzungen von einer engen personellen Verflechtung des Besitzunternehmens mit der Betriebsgesellschaft gesprochen werden kann. In den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (RFH) und in den früheren Entscheidungen des BFH sind diese unterschiedlichen Auffassungen allerdings noch nicht hervorgetreten. Die enge personelle Verflechtung beider Unternehmen wird in diesen Entscheidungen damit begründet, daß der oder die Inhaber des Betriebsunternehmens auch die Betriebsgesellschaft "beherrschen" oder daß sie an ihr "maßgebend beteiligt" seien. Das gilt auch für frühere Entscheidungen des I. Senats (vgl. z.B. Urteile
Der Große Senat ist der Auffassung, daß es bei der Frage, ob sich das Besitzunternehmen gewerblich betätigt, nicht darauf ankommt, ob dieses Unternehmen mit der Betriebsgesellschaft wirtschaftlich ein einheitliches Unternehmen bildet. Er geht von dem Vorhandensein zweier Unternehmen aus. Er hält es aber für entscheidend, ob die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben. Denn dann unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmens von der Tätigkeit eines normalen Vermieters (so auch Beschluß des BVerfG
Im Fall der echten oder sogenannten unechten Betriebsaufspaltung ist es nicht Voraussetzung für die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens, daß an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen gegeben sind. Es genügt, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. An diese Voraussetzung sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine Beantwortung der zweiten vom IV. Senat gestellten Rechtsfrage erübrigt sich damit.