I. Die 1982 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) faßt die wirtschaftlichen Aktivitäten des X zusammen. Eine vergleichbare Organisation besteht beim Y in Gestalt der A-AG. Die Klägerin und die A-AG waren --teilweise neben weiteren Mitgesellschaftern-- an der B-GmbH beteiligt. Die jeweiligen Beteiligungen betrugen in den Streitjahren 1983 bis 1986 (in v.H.):
1982/1983 - 1984 - 1985-1987
Klägerin - 50 - 49 - 48
A-AG - 50 - 49 - 48
andere - - 2 - 4
Die Gewinne der B-GmbH wurden an die Anteilseigner wie folgt ausgeschüttet (in v.H.):
1982 - 1983 - 1984 - 1985 - 1986 - 1987
Klägerin - 50 - 12,5 - 3,2 - 1,5 - 23,5 - 48
A-AG 50 - 37,5 - 96,8 - 98,4 - 73,8 - 48
andere - - - - - - 0,1 - 2,7 - 4
Die Beteiligungserträge beinhalteten Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben; die B-GmbH stellte den Anteilseignern Steuerbescheinigungen gemäß §
Die nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden (sog. inkongruenten, disproportionalen, disquotalen oder gespaltenen) Gewinnausschüttungen gingen mit ebenfalls nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden Kapitalzuführungen der A-AG und der Klägerin an die B-GmbH einher. Die A-AG hatte sich gegenüber der Klägerin und der B-GmbH zu einer Kapitalzuführung in Höhe von 156,25 v.H. der über das anteilige Soll hinausgehenden Dividende verpflichtet. Die Kapitalzuführungen beruhten auf Gesellschafterbeschlüssen und erfolgten in Form von Einstellungen in die Reserven und in die offenen Rücklagen oder von unverzinslichen Darlehen. Soweit die Gesellschafter der B-GmbH unverzinsliche Darlehen gewährten, wurden diese zu einem späteren Zeitpunkt durch Einstellungen in offene Rücklagen in Eigenkapital umgewandelt, wobei die Gesellschafter Vereinbarungen zum Ausgleich der jeweiligen Nachteile trafen. Die zivilrechtliche Grundlage für Gewinnausschüttungen abweichend von den Beteiligungsverhältnissen war Mitte 1983 durch Ergänzung des Gesellschaftsvertrages der B-GmbH geschaffen worden. Zugleich wurden Beschlüsse über die Kapitalzuführungen gefaßt und außerdem Vereinbarungen für den Fall der steuerlichen Nichtanerkennung der beschlossenen inkongruenten Gewinnausschüttungen getroffen.
Entsprechend den an sie geleisteten Gewinnausschüttungen und von ihr geleisteten Kapitalzuführungen erstellte die Klägerin in den Streitjahren ihre Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte diesen nach Durchführung einer Betriebsprüfung nicht. Er sah in den inkongruenten Gewinnausschüttungen einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Art der Rückführung von Kapital durch die A-AG unter Mitwirkung der Klägerin entspräche im Ergebnis der Bildung einer steuerfreien Rücklage. Die steuerliche Begünstigung eines nicht verteilten oder nicht entnommenen Gewinns sei vom Gesetzgeber weder gewollt noch beabsichtigt. Der Steueranspruch gegenüber der Klägerin entstehe in der Höhe, in der er bei Vornahme einer kongruenten Gewinnausschüttung entstanden wäre. Der Differenzbetrag einer kongruenten und der erfolgten inkongruenten Gewinnausschüttung sei in der Bilanz der Klägerin als Forderung zu aktivieren.
Ihrer hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997,
Seine hiergegen gerichtete Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die --zulässige (vgl. Zwischenurteil des Senats vom 13. August 1997
1. Die Vorinstanz hat bei ihrer Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten aufgegriffen und den streitgegenständlichen Sachverhalt --ausschließlich-- unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmißbrauchs des Rechts (§ 42 AO 1977) geprüft. Es hat einen solchen Mißbrauch verneint. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
a) Nach § 42 Satz 1 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 3. Februar 1993
Unangemessen ist danach im allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 1991
b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung weder in ihren einzelnen Etappen noch in ihrer Gesamtheit als unangemessen beurteilt werden.
Allerdings zielte diese Gestaltung im Ergebnis erkennbar (nur) darauf ab, den an die A-AG inkongruent ausgeschütteten Mehrbetrag zzgl. die bei dieser aus der Inanspruchnahme des Verlustabzuges erzielte Steuerersparnis beiden Anteilseignern --der Klägerin ebenso wie der A-AG-- zugute kommen zu lassen und auf diese Weise zugleich die wirtschaftlich gebotene Kapitalerhöhung bei der B-GmbH für alle Beteiligten in vorteilhafter Weise zu bewirken. Gleichwohl besteht, jedenfalls was die Person der Klägerin anbelangt, kein Grund, die Gestaltung als unangemessen und steuermißbräuchlich zu verwerfen.
aa) Dies gilt zunächst für den Vorgang der inkongruenten Gewinnausschüttung.
aaa) Gesellschaftsrechtlich sind derartige inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig; die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen (vgl. § 29 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG --; Goerdeler/W. Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 29 Rz. 59; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 29 Rz. 52; Emmerich in Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 29 Rz. 135 ff.). Grundsätzlich und für sich genommen bestehen keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), stellt zugleich eine inkongruente dar (vgl. auch BFH-Urteile vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248, und vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, 600). Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln.
Der Umstand, daß Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG regelmäßig der Anteilseigner als derjenige erzielt, dem die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1992
bbb) Ebensowenig ist es --bei isolierter Betrachtung-- steuerrechtlich bedenklich, wenn durch eine derartige Ausschüttung erreicht werden soll (und im Ergebnis erreicht wird), das Verlustausgleichspotential eines Anteilseigners (hier der A-AG) möglichst umfassend auszunutzen. Das FG ist in zutreffender Weise davon ausgegangen, daß die Ausschöpfung von Verlusten dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit einem Verfassungsgebot entspricht (vgl. im einzelnen von Groll in Kirchhof/Söhn, aaO., § 10d Rdnr. A 70, m.w.N.). Zwar läßt sich ein fortwährender Verlustausgleich wegen der Erfordernisse des Periodizitätsprinzips zum Zwecke einer geordneten staatlichen Haushaltsführung nicht durchführen (vgl. von Groll in Kirchhof/Söhn, aaO., § 10d Rdnr. A 11 ff., m.w.N.). Dennoch entspricht es der steuergesetzlichen Konzeption in § 10d EStG und ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn durch Sachverhaltsgestaltung ein möglichst vollständiger Verlustausgleich im Rahmen der durch § 10d EStG bestimmten gesetzlichen Vorgaben erreicht wird. Soweit der Verlustausgleich eingeschränkt wird, ergeben sich diese Einschränkungen unmittelbar und abschließend aus den einschlägigen Steuergesetzen; andere Einschränkungen bestehen nicht. Eine derartige Gestaltung ist deshalb für sich genommen von vornherein ungeeignet, um die Anwendung von § 42 AO 1977 zu begründen. Da die Gestaltung mit den gesetzlichen Zielen letztlich übereinstimmt, bedarf es weiterer, insbesondere außersteuerlicher Motive hierfür grundsätzlich nicht.
bb) Es begegnet --ebenfalls für sich genommen-- auch keinen durchgreifenden Bedenken, daß die Anteilseigner sich verpflichtet haben, die ausgeschütteten Beträge anschließend --gleichermaßen inkongruent-- wieder dem Kapital der B-GmbH zuzuführen. Letztlich entspricht dieses Verhalten dem sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren, das bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Körperschaftsteuergesetz 1977 angesprochen worden ist (vgl. Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BTDrucks 7/5310, S. 9), das deshalb auch von Seiten der Finanzverwaltung als im allgemeinen anzuerkennendes steuerliches Gestaltungsinstrument angesehen wird (vgl. Abschn. 77 Abs. 7 Satz 2 der
Auch der erkennende Senat sieht --insoweit wohl mit dem FA-- im Streitfall keine Veranlassung, diese Praxis als solche in Frage zu stellen. Das besagte Vorgehen ermöglicht es zwar, den Gewinn des Unternehmens in diesem zu binden, ohne ihn mit dem Körperschaftsteuersatz für thesaurierte Gewinne zu belasten. Dieser Effekt folgt jedoch aus dem körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren und ist insoweit system- und gesetzesimmanent. Ausschlaggebend ist, daß es sich bei der Verwendung der ausgeschütteten Gewinne um eine Einkommensverwendung der Anteilseigner handelt, bei der zuvorigen Ausschüttung der Gewinne aber um die Einkommensverwendung der Kapitalgesellschaft. Beide Vorgänge sind deshalb steuerlich gesehen im Ergebnis losgelöst voneinander zu betrachten.
Ob gleichwohl in Einzelfällen eine mißbräuchliche Gestaltung anzunehmen ist, wenn die Ausschüttungsmittel aus einer freien Rücklage herrühren, einem beherrschenden Gesellschafter zufließen und die Ausschüttung zeitlich mit der Wiedereinlegung in die freie Rücklage verbunden wird (so --noch zum alten Körperschaftsteuerrecht, vgl. § 19 KStG 1975-- Senatsurteil vom 11. Juli 1973
c) Letzten Endes ist es deshalb auch nicht die Verlustverwertung durch die A-AG als solche, welche insoweit Bedenken der Finanzverwaltung aufwirft, auch nicht das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren. Es sind dies vielmehr beide Maßnahmen in ihrer Gesamtheit und das vom FA als "konzertierte Aktion" bezeichnete Zusammenwirken der Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Gesamtplans.
Es erscheint zweifelhaft, daß dem angesichts der steuerlichen Akzeptanz der einzelnen Gestaltungsschritte im Rahmen des sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahrens beigepflichtet werden könnte. Der Senat braucht dies aber nicht abschließend zu beantworten. Sollte die inkriminierte Gesamtgestaltung tatsächlich als rechtsmißbräuchlich anzusehen sein, so könnte sie allenfalls, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, bei der A-AG und/oder bei der B-GmbH rückgängig gemacht werden. Die Ausschüttung wäre insoweit als nicht erfolgt anzusehen, der Verlustausgleich zu versagen, die inkongruente Kapitalzuführung nicht anzuerkennen. Bei der Klägerin ergäben sich jedenfalls keine (unmittelbaren) steuerlichen Auswirkungen. Denn § 42 Satz 2 AO 1977 bestimmt, daß im Falle eines Mißbrauchs der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Abzustellen ist immer nur auf den Steueranspruch aus dem konkreten Steuerschuldverhältnis des einzelnen Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 1994
Daraus folgt, daß --lediglich-- die Ausschüttung in jenem Umfang, in dem sie bei der A-AG steuerlich nicht akzeptiert werden könnte, einer wirtschaftlich angemessenen Gestaltung weichen muß (vgl. auch Senatsbeschluß vom 10. November 1993
An dieser Einschätzung vermag im Streitfall der Umstand nichts zu ändern, daß der Klägerin das steuerlich bei der A-AG ausgeglichene Verlustpotential über die kongruente (Wieder-)Einlage der ausgeschütteten Beträge gleichermaßen zugute gekommen ist. Zum einen kann nicht verhindert werden, daß ein Steuerpflichtiger, der sich einen Steuervorteil zunutze macht, einen Dritten an diesem Vorteil oder dessen Wirkungen teilhaben läßt. Derartige Begünstigungen ziehen keinen Gestaltungsmißbrauch nach sich. Zum weiteren führt bei der im Streitfall in Rede stehenden Gestaltung eine etwaige Wertsteigerung der Anteile an der B-GmbH infolge der Wiedereinlage der ausgeschütteten Beträge nicht zu einem greifbaren Vermögensvorteil bei den Anteilseignern, also auch nicht bei der Klägerin. Solche Wertsteigerungen, so sie denn bestehen, wären lediglich Reflexwirkungen (vgl. Senatsurteil vom 27. Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155,
2. Der Senat hat unabhängig davon erwogen, ob der streitgegenständliche Sachverhalt Anhaltspunkte für schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der A-AG über die inkongruente Gewinnausschüttung und die anschließenden ihrerseits inkongruenten Kapitalzuführungen enthält. Es erschien ihm als denkbar, daß die Klägerin ihren zukünftigen Gewinnanspruch an die A-AG anteilig --im Umfang der disquotalen Ausschüttung-- abgetreten (vgl. dazu Senatsurteile vom 21. Mai 1986 I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794; vom 17. Dezember 1997
Solche Vereinbarungen lassen sich den vom FG verbindlich festgestellten Gegebenheiten indes --wie letztlich auch das FA einräumt-- nicht entnehmen. Vielmehr ist die disquotale Gewinnausschüttung von den Beteiligten als solche gewollt, demnach beschlossen und auch durchgeführt worden. Gleichermaßen hat die Klägerin sich auch nicht vorab --entgeltlich-- zu einem bestimmten (Verzichts-)Verhalten bei der Beschlußfassung über die disquotale Gewinnausschüttung verpflichtet. Zwar steht außer Frage, daß sowohl die Klägerin als auch die A-AG ihr Verhalten aufeinander abgestimmt haben. Insbesondere hat die A-AG sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen zur Wiedereinlage der an sie ausgeschütteten Beträge verpflichtet. Dem liegt jedoch keine synallagmatische schuldrechtliche Verknüpfung zugrunde. Letztlich zielte das aufeinander abgestimmte Verhalten der Beteiligten --nur-- darauf ab, der B-GmbH das benötigte Kapital zuzuführen. Dies ist durch die A-AG im Wege der disquotalen Wiedereinlage bewirkt worden, und zwar im Eigeninteresse und mit der Folge entsprechender nachträglicher Anschaffungskosten auf ihre Beteiligung an der B-GmbH. Daß die Kapitalzuführung zugleich erfolgte, um der zuvor eingegangenen Verpflichtung Rechnung zu tragen, und daß sie überdies möglicherweise eine Wertsteigerung auch der von der Klägerin gehaltenen Beteiligung mit sich brachte, ändert daran nichts. Der Klägerin (als für die A-AG fremder Dritter) ist dadurch nichts --weder als Entgelt noch unentgeltlich-- zugewendet worden, sie hat den fraglichen Betrag sonach auch nicht ihrerseits in die B-GmbH eingelegt (vgl. zur Abgrenzung auch BFH-Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, 312; Groh, DStR 1999,
3. Schließlich hat das FA Überlegungen angestellt, wonach die in Rede stehende Gewinnausschüttung der B-GmbH in jenem Umfang, in dem sie inkongruent beschlossen worden ist, der Klägerin als eigener Gewinnanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Gewinnausschüttung an eine nahestehende Person zuzurechnen sei. Denn nach allgemeinen Grundsätzen sei der fragliche Ertrag nicht vom "Nahestehenden" zu versteuern, sondern vom Gesellschafter, hier also von der Klägerin. Das "Nahestehen" ergebe sich aus dem übereinstimmenden Interesse der Beteiligten, nämlich die maximale Eigenkapitalstärkung bei der B-GmbH herbeizuführen.
Auch aus diesen Überlegungen läßt sich für den Streitfall nichts herleiten. Es ist nicht erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage sich eine derartige "Spaltung" des einheitlichen Gewinnausschüttungsanspruchs stützen können sollte. Offen ausgeschüttete Gewinne werden stets --nur-- bei demjenigen Anteilseigner der Besteuerung unterworfen, dem sie auch in dieser Eigenschaft als Anteilseigner zufließen. Unabhängig davon werden mehrere Anteilseigner dadurch, daß ihrem Ausschüttungsverhalten eine "gleichgelagerte" Motivation zugrunde liegt, nicht zu einander nahestehenden Personen.
Die Klägerin und die A-AG waren an der B-GmbH beteiligt. Die zugunsten der A-AG nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden Gewinnausschüttungen gingen mit ebenfalls nicht mit den Beteiligungsverhältnissen übereinstimmenden Kapitalzuführungen der A-AG und der Klägerin an die B-GmbH einher. Die A-AG hatte sich gegenüber der Klägerin und der B-GmbH zu einer Kapitalzuführung von 156,25 % der über das anteilige Soll hinausgehenden Dividende verpflichtet. Diese Zuführungen beruhten auf Gesellschafterbeschlüssen und erfolgten durch Einstellungen in die Reserven und in die offenen Rücklagen oder von unverzinslichen Darlehen.
Die zivilrechtliche Grundlage für Gewinnausschüttungen war abweichend von den Beteiligungsverhältnissen durch Ergänzung des Gesellschaftsvertrages der B-GmbH geschaffen worden. Zugleich wurden Beschlüsse über die Kapitalzuführungen gefaßt und außerdem Vereinbarungen für den Fall der steuerlichen Nichtanerkennung der beschlossenen inkongruenten Gewinnausschüttungen getroffen.
Entsprechend den an sie geleisteten Gewinnausschüttungen und von ihr geleisteten Kapitalzuführungen erstellte die Klägerin in den Streitjahren ihre Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Das Finanzamt folgte diesen nicht. Es sah in den inkongruenten Gewinnausschüttungen einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 AO 1977. Die Art der Rückführung von Kapital durch die A-AG unter Mitwirkung der Klägerin entspräche im Ergebnis der Bildung einer steuerfreien Rücklage. Die steuerliche Begünstigung eines nicht verteilten oder nicht entnommenen Gewinns sei vom Gesetzgeber weder gewollt noch beabsichtigt. Der Steueranspruch gegenüber der Klägerin entstehe in der Höhe, in der er bei Vornahme einer kongruenten Gewinnausschüttung entstanden wäre. Der Differenzbetrag einer kongruenten und der erfolgten inkongruenten Gewinnausschüttung sei in der Bilanz der Klägerin als Forderung zu aktivieren.
Der BFH lehnte die Anwendung des § 42 AO ab. Er hält es steuerrechtlich für unschädlich, daß die Ausschüttung des Unterbetrags an die A-AG erfolgte, um deren Verlustausgleichspotential zu nutzen und auf diese Weise zugleich die wirtschaftlich gebotene Kapitalerhöhung bei der B-GmbH für alle Beteiligten in vorteilhafter Weise zu bewirken.