Die Klägerin nimmt die Beklagten als frühere Geschäftsführer der E. GmbH auf Ausgleich des Schadens in Anspruch, der ihr als zuständiger Einzugsstelle aus der Vorenthaltung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung entstanden ist.
Der Beklagte zu 1) war im Mai 1987 zum alleinigen Geschäftsführer der neugegründeten E. GmbH bestellt worden. Im September 1987 wurde ihm der Beklagte zu 2) als zweiter Geschäftsführer zur Seite gestellt. Nachdem der Beklagte zu 2) dem Beirat der Gesellschaft seine Absicht erklärt hatte, sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Stellung als Geschäftsführer zurückzuziehen, fand am 30. März 1990 vor dem Notar eine Gesellschafterversammlung statt, auf der seine Abberufung als Geschäftsführer rückwirkend zum 1. März 1990 beschlossen wurde und die Prokuristen Sch. für den kaufmännischen und M. für den technischen Bereich zu weiteren Geschäftsführern bestellt wurden. Über die Wirksamkeit dieses Gesellschafterbeschlusses herrscht zwischen den Parteien Streit. Die darin enthaltenen Änderungen wurden in der Folgezeit nicht im Handelsregister eingetragen.
Am 15. August 1990 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung statt, in deren Verlauf beschlossen wurde, daß der Beklagte zu 1) seine Funktion als Geschäftsführer aus gesundheitlichen Gründen niederlege und der Beklagte zu 2) seine Funktion aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt habe. Zum neuen Geschäftsführer der Gesellschaft wurde der Kaufmann S. bestellt. Diese Änderungen wurden am 31. August 1990 im Handelsregister eingetragen.
Die E. GmbH befand sich seit 1989 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Wiederholt traten Liquiditätsengpässe auf, Gläubigerbanken hatten zur Auflage gemacht, eine Abwicklungsbilanz zu erstellen, aus dieser ergab sich ein Fehlbetrag in zweistelliger Millionenhöhe. Die E. GmbH traf mit der Klägerin mehrfach Stundungsvereinbarungen wegen fällig werdender Beiträge, zuletzt für die Monate April und Mai 1990.
Für den Zeitraum vom 25. April bis 31. Juli 1990 führte die E. GmbH die Arbeitnehmeranteile zu den satzungsmäßig jeweils am 15. des Folgemonats fällig werdenden Sozialversicherungsbeiträgen in einer Gesamthöhe von 351.082,64 DM nicht ab. Im Zuge der Sanierungsbemühungen wurden Kooperationsverhandlungen mit einem anderen Unternehmen geführt. Ein Beauftragter dieses Unternehmens nahm eine geschäftsleitende Tätigkeit bei der E. GmbH auf. Er vereinnahmte im August 1990 die zu Gunsten der Gesellschaft eingehenden Zahlungen. Die Beklagten bemühten sich erfolglos, ihn zum Ausgleich der Beitragsforderungen der Klägerin aus den ein gegangenen Mitteln zu bewegen. Spätestens am 8. August 1990 stellte die Gesellschaft ihre Zahlungen ein. Am 1. Oktober 1990 wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung der Beitragsausfälle in der genannten Höhe verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Beklagten für die Vorenthaltung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für die Monate April bis Juli 1990 strafrechtlich und damit auch haftungsrechtlich nicht verantwortlich. In einem mehrgliedrigen Unternehmen nehme nicht jedes Mitglied der Geschäftsleitung die Arbeitgeberfunktion gemäß §
a) Der Beklagte zu 1) habe sich ausschließlich mit technisch-wissenschaftlichen Fragen und auf dieser Ebene mit der Anknüpfung internationaler Kontakte befaßt. Für die kaufmännischen einschließlich der Personal- und Sozialversicherungsangelegenheiten seien die Prokuristen Sch. und B. zuständig und verantwortlich gewesen. Nur ausnahmsweise habe er als Geschäftsführer die notwendigen Unterschriften in diesem Bereich geleistet. Insoweit könne ihm auch kein Eigenverschulden angelastet werden, denn in einem Unternehmen mit zwei Geschäftsführern entspreche es durchaus einer sachgerechten Verteilung von Verantwortlichkeiten, die Personal- und Sozialversicherungsangelegenheiten der zweiten Leitungsebene anzuvertrauen. Abgesehen davon könne auch nicht festgestellt werden, daß der Erstbeklagte tatsächlich überhaupt in der Lage gewesen sei, die eingegangenen und von dem Sanierungsbeauftragten in Beschlag gelegten Gelder freizubekommen und an die Klägerin weiterzuleiten.
b) Auch in Bezug auf den Beklagten zu 2) habe die Klägerin eine Zuständigkeit für Personal- und Sozialversicherungsangelegenheiten nicht dargetan. Eine faktische Zuständigkeit könne nicht allein deswegen angenommen werden, weil der Beklagte zu 2) das vom Prokuristen Sch. verfaßte Schreiben vom 6. Juli 1990, in dem die Klägerin um nochmalige Stundung gebeten wurde, mitunterzeichnet habe, denn dies habe der "Eintragungslage" im Handelsregister entsprochen und stehe auch nicht im Widerspruch zu dem Vortrag des Beklagten zu 2), er habe seine Tätigkeit für die Gesellschaft nach der Gesellschafterversammlung vom 30. März 1990 nur noch als die eines Nothelfers verstanden.
Es habe für den Beklagten zu 2) auch kein Anlaß zum Eingreifen bestanden, denn er habe, nachdem sich der Prokurist Sch. in der Vergangenheit immer erfolgreich mit der Klägerin arrangiert habe, annehmen dürfen, daß ihm dies wiederum gelingen werde. Abgesehen davon könne dem Beklagten zu 2) das Nichteingreifen auch nicht als strafrechtlich relevantes vorsätzliches Unterlassen zugerechnet werden. Da für die E. GmbH der Eingang größerer Zahlungen zu erwarten gewesen sei, habe er damit rechnen dürfen, daß die Klägerin - wie in der Vergangenheit immer wieder geschehen - erneut Stundung gewähren werde und die eingehenden Gelder zur Ablösung der gestundeten Beitragsaußenstände verwendet würden. Schließlich sei dem Beklagten zu 2), der nach ärztlichem Rat jede Aufregung habe vermeiden müssen, ein Eingreifen in der angespannten Finanzlage der E. GmbH in der damaligen Situation auch nicht zumutbar gewesen.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Klägerin als die nach §
Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der E. GmbH setzt freilich voraus, daß diese in eigener Person die strafrechtlichen Voraussetzungen für ein vorsätzliches Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß §
1. Die nach Gewährung von Stundung bzw. Zahlungsaufschub am 6. Juli 1990 fällig gewordenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für die Monate April und Mai 1990 sowie die entsprechenden, in den Monaten Juni und Juli erarbeiteten Beiträge, die am 15. Juli bzw. 15. August 1990 fällig wurden, sind nicht an die Klägerin abgeführt worden. Damit ist der objektive Straftatbestand des §
2. Die sozialversicherungsrechtliche (§
a) Der Beklagte zu 1) war im maßgeblichen Zeitpunkt Geschäftsführer der Gesellschaft. Ob dies auch bei dem Beklagten zu 2) der Fall war, läßt sich dem Berufungsurteil dagegen nicht zweifelsfrei entnehmen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde der Zweitbeklagte auf seine Bitte zum 1. März 1990 von seinem Amt als Geschäftsführer "abberufen". Im Gesellschaftsbeschluß vom 15. August 1990 ist demgegenüber festgehalten, daß er sein Amt damals "niedergelegt" habe.
Welche Form der Amtsbeendigung hier gewollt war, hat das Berufungsgericht nicht geklärt. Sollte der Beklagte zu 2) sein Amt niedergelegt haben, was durch einseitige Erklärung geschehen kann (BGHZ 121,
b) Soweit das Berufungsgericht eine Verantwortlichkeit der Beklagten deshalb verneint, weil nicht festgestellt werden könne, daß sie für Personal- und Sozialversicherungsangelegenheiten zuständig oder faktisch damit befaßt gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, änderte dies an der grundsätzlichen Verantwortlichkeit der Beklagten nichts.
Die Geschäftsführer einer GmbH sind kraft ihrer Amtsstellung grundsätzlich für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig. Deshalb trifft, auch wenn wie hier mehrere zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt sind, im Grundsatz jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung und damit auch für die Geschäftsführung im ganzen, denn die Führung der Geschäfte umfaßt nicht in erster Linie die Besorgung bestimmter Geschäfte, sondern die verantwortliche Leitung der Geschäfte in ihrer Gesamtheit (BFH, Urteil vom 26. April 1984 - V R 128/79 - BFHE 141,
Dieser Pflichten können sich die Geschäftsführer weder durch Zuständigkeitsverteilungen innerhalb der Geschäftsleitung noch durch Delegation besonderer Aufgaben auf Personen außerhalb der Geschäftsleitung entledigen. Was die - vom Gesetz umfassend ausgestaltete - rechtsgeschäftliche Vertreterstellung angeht, ist eine Beschränkung mit Außenwirkung ohnehin nicht möglich (§ 37 GmbHG). Hier geht es indessen um die deliktische Verantwortlichkeit.
aa) Insoweit können interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung, wie sie in größeren Unternehmen üblich sind, deren Vorhandensein das Berufungsgericht in Bezug auf die E. GmbH freilich nicht festgestellt hat, zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Das beruht auf dem Gedanken, daß der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. So kann er etwa an einer Regelung mitwirken, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Auf diese Weise trägt er durch organisatorische Maßnahmen zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten bei. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im allgemeinen kann er sich darauf verlassen, daß der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Erfüllung der der Gesellschaft obliegen den Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist (BGH, Urteil vom 20. März 1986 -
bb) Erst recht können sich die Beklagten nicht damit entlasten, daß die Bearbeitung von Personal- und Sozialversicherungsangelegenheiten den Prokuristen Sch. und B. übertragen worden sei, denn durch eine solche Delegation ist ihre eigene Verantwortung als Geschäftsführer nicht erloschen. Der Geschäftsführer braucht die in sein Ressort fallenden Aufgaben nicht in eigener Person zu erledigen, sondern er kann sie auf andere Personen delegieren. Kraft seiner Organisationsgewalt muß er dann aber sicherstellen, da die der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch die damit beauftragten Arbeitnehmer auch tatsächlich erfüllt werden. Auch hier wird er sich bei ordnungsgemäßer Organisation im allgemeinen auf die Erledigung durch die dazu berufenen Personen verlassen können, solange zu Zweifeln kein Anlaß besteht. Jedoch trifft ihn auch insoweit eine Überwachungspflicht, die ihn zum Eingreifen verpflichten kann, wovon das Berufungsgericht in Bezug auf den Zweitbeklagten auch ausgegangen ist.
Eine solche Überwachungspflicht kommt vor allem in finanziellen Krisensituationen zum Tragen, in denen die laufende Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet erscheint (BFH, Entscheidungen vom 26. April 1984 und vom 4. März 1986 - jeweils aaO., vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Juli 1990 aaO. S. 346). Vor allem bei der Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung müssen die Anforderungen an die Pflicht zum Eingreifen des Geschäftsführers besonders streng sein, da es sich bei den Beitragsanteilen um Gelder handelt, die nicht der freien Verfügung des Arbeitgebers, sondern seiner Pflicht zur pünktlichen Abführung unterliegen (vgl. - zur früheren Rechtslage - BGHZ 58,
Eine derartige krisenhafte Situation, in der sich die Beklagten nicht mehr auf eine pünktliche Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Prokuristen verlassen konnten, war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier gegeben. Die E. GmbH befand sich seit 1989 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wiederholt zu Liquiditätsengpässen geführt hatten. Im Frühjahr 1990 war die Finanzlage bereits so angespannt, daß schon vor April des öfteren Stundung für die Sozialversicherungsbeiträge gewährt wurde. Für die Monate April und Mai wurde mit der Klägerin erneut eine Stundungsvereinbarung getroffen. In dieser Lage waren die Beklagten verpflichtet, sich um die rechtzeitige Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu kümmern und durften dies nicht allein den damit beauftragten Prokuristen überlassen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sie sich jedoch erst im August 1990 mit der Sache befaßt. Zu dieser Zeit waren die Beiträge für April, Mai und Juni jedoch längst fällig, und die Beiträge für Juli wurden am 15. August 1990 fällig, für deren pünktliche Abführung Vorsorge getroffen werden mußte.
3. Ein strafbares und damit haftungsrechtlich relevantes Unterlassen fällt den Beklagten freilich dann nicht zur Last, wenn ihnen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge im Zeitpunkt der Fälligkeit wegen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder aus anderen Gründen tatsächlich unmöglich gewesen sein sollte, denn die Unmöglichkeit normgemäßen Handelns läßt die Tatbestandsmäßigkeit bei Unterlassungsdelikten entfallen (BGHSt 2, 129,
Die Beiträge für April und Mai 1990 waren aufgrund von Stundung spätestens am 6. Juli 1990 und diejenigen für Juni am 15. Juli 1990 fällig geworden, zu einer erneuten Stundung, die mit Schreiben vom 6. Juli 1990 beantragt war, ist es offenbar nicht gekommen. Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft schon vor diesen Fälligkeitszeiten hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Der Verlust der Liquidität war vielmehr erst "im August 1990" gegeben, spätestens am 8. August 1990 stellte die Gesellschaft ihre Zahlungen ein. Die Löhne des Monats Juli wurden jedenfalls noch ausbezahlt, ohne daß die abzuführenden Beitragsanteile zurückgehalten wurden (vgl. RGSt 3O, 161, 162; 40, 235, 237, BGHSt 30,
Auch das Eingreifen des im Einvernehmen mit der E. Gmbh von dritter Seite in die Geschäftsleitung entsandten Sanierungsbeauftragten, der die eingehenden Gelder "annektierte", rechtfertigt nicht die Annahme, die Beklagten seien zur Abführung der fälligen Beiträge nicht in der Lage gewesen. Unstreitig vereinnahmte der Sanierungsbeauftragte die im August zu Gunsten der Gesellschaft eingehenden Gelder. Dies konnte jedoch nur für die am 15. August 1990 abzuführenden Juli-Beiträge von Bedeutung sein. Insoweit kann allerdings eine die Strafbarkeit ausschließende Unmöglichkeit normgemäßen Handelns vorgelegen haben. Das setzt jedoch voraus, daß der Sanierungsbeauftragte die verfügbaren Gelder schon vor dem Fälligkeitstage an sich genommen hat. Da zu fehlt es indessen an hinreichenden Feststellungen.
4. Die Beklagten haften als Geschäftsführer für den der Klägerin entstandenen Schaden freilich nur dann, wenn sie das rechtzeitige Abführen der Beiträge vorsätzlich unterlassen haben, wobei bedingter Vorsatz genügt (Senatsurteil vom 1. Oktober 1991 aaO.). In bezug auf den Erstbeklagten hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - dazu keine Feststellungen getroffen. Dies wird auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Senats nachzuholen sein.
In bezug auf den Zweitbeklagten hat das Berufungsgericht ein vorsätzliches Vorenthalten der Beiträge mit der Begründung verneint, der Zweitbeklagte habe im Hinblick auf den zu erwartenden Eingang größerer Geldbeträge darauf vertrauen dürfen, daß die Klägerin, mit der in der Vergangenheit immer wieder eine Einigung habe erzielt werden können, erneut eine Stundung gewähren werde. Dabei verkennt das Berufungsgericht indessen, daß der Vorsatz durch das Vertrauen auf nach Eintritt der Fälligkeit eingehende Gelder und auf eine nach diesem Zeitpunkt zu gewährende Stundung nicht ausgeschlossen wird.
a) Vorsätzliches Vorenthalten gemäß §
Nicht erforderlich ist hingegen das Bewußtsein, selbst zum Handeln verpflichtet zu sein. Es genügt vielmehr, wie allgemein bei echten Unterlassungsdelikten, daß der Täter diejenigen Umstände kennt, die seine Handlungspflicht begründen. Glaubt er, nicht zum Eingreifen verpflichtet zu sein und für die Abführung der Beiträge Sorge tragen zu müssen, so unterliegt er keinem tatbestandsausschließenden Tatbestandsirrtum, sondern einem Verbots- bzw. Gebotsirrtum, der ihn nur bei Unvermeidbarkeit entschuldigt (BGHSt 16,
Ob die Beklagten es bei Anwendung dieser Grundsätze vorsätzlich unterlassen haben, für die Abführung der Beiträge Sorge zu tragen, läßt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Bisher steht lediglich fest, daß die Beiträge für April und Mai am Fälligkeitstage, nämlich am 6. Juli 1990 nicht abgeführt wurden und stattdessen die Gesellschaft in einem von dem Prokuristen Sch. gefertigten und vom Zweitbeklagten "gegengezeichneten" Schreiben vom gleichen Tage erneut um Stundung bat. Doch deutet dies darauf hin, daß zumindest der Zweitbeklagte die den Vorsatz begründenden Tatsachen kannte, weil er von der Krisensituation sowie der Fälligkeit Kenntnis hatte und die Nichtabführung auch wollte. Die Absicht, die Beiträge auf Dauer vorzuenthalten, ist nicht erforderlich (BGH, Beschluß vom 10. August 1990 aaO.), es genügt der Wille, sie am Fälligkeitstage nicht abzuführen.
b) Die Bitte um erneute Stundung und das Vertrauen des Zweitbeklagten darauf, daß sie auch weiterhin gewährt werde, können den Vorsatz im strafrechtlichen Sinne nicht ausschließen, weil das Vertrauen auf nochmalige Stundung bzw. Zahlungsaufschub lediglich zu einem Verbotsirrtum führen kann, der nur bei Unvermeidbarkeit die Schuld entfallen (§
5. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Zweitbeklagten sei nicht zuzumuten gewesen, sich um die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu kümmern, wird von den Feststellungen nicht getragen.
Keineswegs hätte es dazu, wie das Berufungsgericht annimmt, einer eigenverantwortlichen Übernahme der Personal- und Beitragsangelegenheiten durch den Beklagten zu 2) bedurft. Für die Erfüllung seiner Direktionspflichten hätte es ausgereicht, wenn er sein Augenmerk auf die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge im Fälligkeitszeitpunkt gerichtet und den Prokuristen die notwendigen Anweisungen erteilt hätte.
Die Erfüllung dieser Pflichten mag angesichts der angespannten Situation der Gesellschaft schwierig gewesen sein. Der Beklagte zu 2) war dieser Pflichten aber nicht schon deshalb enthoben, weil er ständig unter Kopfschmerzen litt und mit Morphiumspritzen behandelt werden mußte. Abgesehen davon, daß das ärztliche Attest, auf das sich das Berufungsgericht beruft, erst aus der Zeit nach Konkurseröffnung am 1. Oktober 1990 stammt, hätte es dazu näherer Feststellungen bedurft, zumal an die Unzumutbarkeit des Handelns strenge Anforderungen zu stellen sind. Soweit das Berufungsgericht darauf hinweist, der Beklagte sei wegen seiner Erkrankung auf seine Bitte aus der Geschäftsführung entlassen worden und habe nur noch als "Nothelfer" einspringen sollen, stellt das Berufungsgericht nicht fest, ob er noch Geschäftsführer war oder nicht. War er es noch, dann trafen ihn auch weiterhin die Pflichten eines Geschäftsführers, die er zwar weitgehend delegieren konnte, die ihn aber nicht von seinen Überwachungspflichten befreiten (vgl. oben 2 a am Ende).
III. Nach alledem muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, damit die weiteren Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Haftung beider Beklagten getroffen werden können.
Anmerkung Bente wistra 102