19.4 Grunderwerbsteuer beim Share Deal

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19.4.8.2 Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Anteilserwerb der Zielgesellschaft (RETT-Blocker)

19.75

Wie vorstehend (Rdnr. 19.50 ff.) ausgeführt wurde, entsteht Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Anteilen an immobilienhaltenden Gesellschaften nach der seit dem 01.07.2021 geltenden Rechtslage insbesondere in folgenden Fällen:

bei Erwerb von Anteilen an immobilienhaltenden Personen- und Kapitalgesellschaften, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG). Hieraus folgt, dass keine Grunderwerbsteuer anfällt, wenn lediglich 89,9 % der Anteile an der Personengesellschaft erworben werden.

19.76

Die vor dem 01.07.2021 etablierten RETT-Blocker-Gestaltungen11) wurden durch die Reform der Grunderwerbsteuer12) zwar erschwert, können jedoch in abgewandelter Form nach wie vor praktiziert werden. Diese Strukturen finden allerdings in erster Linie dann Anwendung, wenn das Unternehmensvermögen fast ausschließlich aus Immobilien besteht. Beim "herkömmlichen" Unternehmenskauf sind solche grunderwerbsteuergetriebenen Erwerbsmodelle eher untypisch. Nachfolgend dargestellte Vorgehensweisen können bei Immobilien-Share-Deals zur Anwendung kommen:

19.77

Gestaltungsmöglichkeiten beim Erwerb von Anteilen an einer immobilienhaltenden Personengesellschaft:

Der Investor erwirbt in einem ersten Schritt 89,9 % der Gesellschaftsanteile, die übrigen Anteile verbleiben beim Verkäufer. Nach Ablauf der in § 1 Abs. 2a GrEStG geregelten Zehnjahresfrist erwirbt ein Co-Investor die restlichen 10,1 % der Anteile, so dass Investor und Co-Investor über 100 % der Gesellschaftsanteile verfügen.

19.78

Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Investor selbst die restlichen Anteile von 10,1 % erwirbt. In diesem Fall muss er allerdings die 15-Jahresfrist des zum 01.07.2021 speziell für diesen Fall neu eingeführten § 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG abwarten, damit für die durch die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer eine Steuerbefreiung im Umfang von 89,9 % in Anspruch genommen werden kann.

19.79

Gestaltungsmöglichkeiten beim Erwerb von Anteilen an einer immobilienhaltenden Kapitalgesellschaft:

Durch die Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG unterscheidet sich das Vorgehen bei einer Objektgesellschaft in der Rechtsform der GmbH/Kapitalgesellschaft nicht mehr gegenüber dem vorstehend dargestellten Vorgehen bei einer KG/Personengesellschaft. So kann auch bei einer Immobilienobjektgesellschaft in der Rechtsform der GmbH/Kapitalgesellschaft Grunderwerbsteuer nur dann vermieden werden, wenn der Verkäufer über einen Zeitraum von zehn Jahren mit einer Beteiligungsquote von mindestens 10,1 % in der Gesellschaft verbleibt. Nach Ablauf dieser zehn Jahre kann die Minderheitsbeteiligung bei einer GmbH/Kapitalgesellschaft indes immer nur von einem Co-Investor erworben werden, um den Anfall von Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Würde der Investor nach Ablauf der in § 1 Abs. 2b GrEStG geregelten Zehnjahresfrist die Minderheitsbeteiligung selbst erwerben, würde dies Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG auslösen, ohne dass insoweit eine Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG in Anspruch genommen werden kann, da diese Vorschriften nur auf Personengesellschaften Anwendung finden.

19.80

Hinweis

Es lässt sich ohne weiteres durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sicherstellen, dass der Erwerber in der Gesellschaft das "Sagen" hat und der Minderheitsgesellschafter für den Zeitraum der mindestens zehnjährigen "grunderwerbsteuerlichen Zwangskooperation" keinen ins Gewicht fallenden Einfluss ausüben kann. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass dem Minderheitsgesellschafter ausreichende Gesellschafterrechte (insbesondere Mitbestimmungsrechte und eine Gewinnbeteiligung) verbleiben, da andernfalls eine Zurechnung der Beteiligung beim Erwerber angenommen werden kann. Der BFH13) veranschaulicht in diesem Zusammenhang sehr deutlich, wie man es gerade nicht machen sollte: Bei einem ihm zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt wurde der Minderheitsgesellschafter vollständig rechtlich und wirtschaftlich entmachtet, so dass dem BFH vom Ergebnis her kaum etwas anderes übrig blieb, als den Anteil des Minderheitsgesellschafters dem Erwerber zuzurechnen.