Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. Februar 2015
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
A.
Streitig ist, ob im Zuge von Anteilsübertragungen im Streitjahr (2010) ein Verlustabzugshindernis gemäß § 8c Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) eingetreten ist.
An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer beteiligungsverwaltenden GmbH, war u.a. die A GmbH (zu 53 %) beteiligt. Andere Gesellschafter waren u.a. (teilweise vermittelt durch Beteiligungsgesellschaften) vier Firmengruppen/Familienstämme (B, C, D, E) mit einer Beteiligung von jeweils 10,38 % (bzw. betreffend E in zwei Teilbeteiligungen zu 6,67 % und 3,71 %). Die Klägerin erzielte im Streitjahr einen Verlust; zum 31. Dezember 2009 war für sie ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer bzw. ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden.
Im Streitjahr (notarielle Verträge vom 1. Juli 2010 und vom 30. August 2010) veräußerten die Gesellschafter der A GmbH ihre Anteile zu jeweils 33,33 % an B, C, und E, so dass diese Käufer mittelbar zugleich jeweils 17,67 % der Anteile an der Klägerin erwarben.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) war der Auffassung, bei den drei Erwerbern handele es sich um eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG mit der Folge, dass die bis August 2010 nicht genutzten Verluste gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG vollständig nicht mehr abziehbar seien. Dementsprechend seien im Streitjahr zeitanteilig 8/12 der laufenden Verluste und der auf den 31. Dezember 2009 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie der vortragsfähige Gewerbeverlust nicht mehr abziehbar. Die Klage gegen die auf jeweils 0 € lautenden Festsetzungen zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für 2010 bzw. gegen die Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes —jeweils zum 31. Dezember 2010— (sämtliche Änderungsbescheide vom 17. Oktober 2012) war erfolgreich (Niedersächsisches Finanzgericht —FG—, Urteil vom 26. Februar 2015
Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
B.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass bei der Einkommensermittlung des Streitjahres der Verlustabzug (bezogen auf den zeitanteiligen laufenden und den vorgetragenen zum 31. Dezember 2009 festgestellten Verlust) nicht nach § 8c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 KStG beschränkt ist; dies betrifft entsprechend die Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 10a Satz 10 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung —GewStG—) und bezieht sich auch auf den Umfang des zum 31. Dezember 2009 festgestellten (Gewerbe-)Verlustes.
I. Das angefochtene Urteil enthält keine Rechtsfehler, soweit das FG die Klage sowohl mit Blick auf die Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzungen (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag), die auf jeweils "Null" lauten, als auch auf die gesonderten Feststellungen (verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer, vortragsfähiger Gewerbeverlust) als zulässig erachtet hat. Es liegt jeweils eine Beschwer i.S. des § 40 Abs. 2 FGO vor.
1. Zwar fehlt es für die Anfechtung eines auf Null lautenden Steuerbescheides (Entsprechendes gilt für einen Messbescheid) regelmäßig an der für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Beschwer (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 16. Dezember 2014
Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) —i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG— sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Diese Regelung gilt nach §
Diesem Ergebnis steht § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nicht entgegen. Nach dieser Regelung dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
2. Die Klägerin ist auch durch die Verlustfeststellungsbescheide beschwert.
In welchem Verfahren eine Entscheidung zur Anwendung des § 8c KStG im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs zu treffen ist, ist bisher nicht abschließend geklärt. In der Literatur wird bislang danach unterschieden, ob im Festsetzungsbescheid (Steuerbescheid) nach ("gekürztem") Verlustabzug eine Steuerlast verbleibt: Ist dies der Fall (es liegt ein ausreichend hoher —den Verlustabzug übersteigender— Gesamtbetrag der Einkünfte vor), wird die Entscheidung für den "laufenden Verlust" (bis zum evtl. unterjährigen Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs) und für einen Verlustabzug (i.S. § 10d EStG) im Körperschaftsteuerbescheid (mit Folgewirkung für den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember dieses Jahres) getroffen, ansonsten im Verlustfeststellungsbescheid (s. z.B. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8c Rz 63; Gosch/Roser, KStG, 3. Aufl., § 8c Rz 102; Blümich/Brandis, § 8c KStG Rz 31).
Wenn auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle einer "Nullfestsetzung" vorliegen kann (s. zu 1.), könnte zugleich aus § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG gefolgert werden, dass wegen der entsprechenden Geltung von § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO eine Änderung der nach § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG bindenden Besteuerungsgrundlagen nicht durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erreicht werden kann (so z.B. Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rz D 93). Allerdings ist durch die Anfechtung des Ertragsteuerbescheides der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht in jeder Hinsicht sichergestellt (so im Ergebnis auch Haskamp, DStR 2015,
II. Ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 und 3 KStG liegt nicht vor. Daher ist sowohl der im laufenden Wirtschaftsjahr bis zum Beteiligungserwerb durch B, C und E erzielte laufende Verlust der Klägerin als auch der zum 31. Dezember 2009 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer im Streitjahr bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen.
1. Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG). Als ein Erwerber im Sinne des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG).
2. Der mittelbare Erwerb des 53 %-igen Geschäftsanteils an der Klägerin —hier: Erwerb der Beteiligung an der A GmbH— durch B, C und E im Streitjahr (notarielle Verträge vom 1. Juli 2010 und vom 30. August 2010) ist kein schädlicher Beteiligungserwerb i.S. von § 8c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 KStG. Denn die Voraussetzungen einer sog. Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG), die eine Zusammenrechnung der Anteilserwerbe durch B, C und E ("gilt als ein Erwerber") ermöglichen würden, sind nicht erfüllt.
a) Ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG liegt nicht vor. Von den drei Erwerbern kann nicht eine Person tatbestandlich als "Erwerber" und die zwei anderen Erwerber als (dieser Person) nahe stehende Personen angesehen werden. Dies ist auch nicht im Streit.
b) B, C und E bilden aber auch nicht eine sog. Erwerbergruppe i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG, da es an "gleichgerichteten Interessen" fehlt.
aa) Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG müssen die einzelnen Erwerber "eine Gruppe ... mit gleichgerichteten Interessen" darstellen. Auf welchen Umstand sich das jeweilige Interesse erstrecken muss, lässt der Wortlaut offen.
bb) Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist auf den Regelungszweck zurückzugreifen (s. allgemein bereits Senatsurteil vom 30. November 2011
cc) Das FG hat auf dieser Grundlage den Begriff dahin verstanden, dass mehrere Erwerber bei und im Hinblick auf den Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und diese Personen im Anschluss an den Erwerb (durch Stimmbindungsvereinbarungen, Konsortialverträge oder andere verbindliche Abreden) einen beherrschenden einheitlichen Einfluss bei der Verlustgesellschaft ausüben können. Maßgeblicher Zeitpunkt soll dabei —wegen der Anknüpfung des Tatbestandes an den Anteilserwerb— der Erwerbszeitpunkt sein; spätestens zu diesem Zeitpunkt müssten die Erwerber Abreden im Hinblick auf das spätere gemeinsame Beherrschen der Gesellschaft getroffen haben. Demgegenüber befürwortet das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine weiter gehende Auslegung (Schreiben vom 4. Juli 2008, BStBl I 2008,
dd) Der Auslegung durch das FG —die sich offensichtlich auf die auch im Streitfall maßgebliche Situation des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG (Erwerb über 50 %) bezieht— ist beizupflichten. Um die gesetzliche Fiktion in § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG, es liege "ein Erwerber" vor, so dass trotz des Handelns mehrerer Personen von einem schädlichen Beteiligungserwerb gesprochen werden kann, zu rechtfertigen, muss dieser Tatbestand den Regelungszweck von § 8c Abs. 1 Satz 1, 2 KStG —verbunden mit dem dortigen strengen Stichtagsbezug (s. insbesondere Senatsurteil in BFHE 236,
ee) Hiernach führt im Streitfall die —aus den Verkaufsumständen ableitbare und offensichtlich unstreitige— Absprache der Erwerber beim Beteiligungserwerb (Zeitpunkt, Erwerbsquote, Preis) nicht dazu, im Erwerbszeitpunkt "gleichgerichtete Interessen" zu begründen. Auch wenn es naheliegend sein könnte, dass gerade bei einem mittelbaren Anteilserwerb Absprachen über die Ausübung der Stimmrechte (hier: bei der A GmbH) getroffen werden, hat das FG ausdrücklich festgestellt, dass "es an Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der A(BC) GmbH und der Klägerin (fehlt), die eine einheitliche Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsbindungen zum Gegenstand haben" (so Rz 113 des Urteilsnachweises in juris).
Insoweit kann das FA auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, eine gemeinsame Beherrschung (nach dem Erwerb) sei Indiz gleichgerichteter Interessen im Erwerbszeitpunkt (s. BMF-Schreiben in BStBl I 2008,
3. Da damit die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer des Streitjahres 2010 bzw. die Höhe des vortragsfähigen Verlustes zum 31. Dezember 2009 nicht berührt, liegt ein Grund für eine Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) bis zum Abschluss des zu § 8c KStG anhängigen Normenkontrollverfahrens beim Bundesverfassungsgericht (dortiges Aktenzeichen:
4. Nach dem Vorstehenden ist auch der Gewerbeertrag bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust der Streitjahre (s. § 10a Satz 10 GewStG) ohne die Einschränkung des § 8c KStG zu ermitteln.