BVerfG - Beschluß vom 26.10.2005
2 BvR 720/04
Normen:
AO § 370 ; EStG § 22 Nr. 3 ; GG Art. 101 Art. 3 Abs. 1 ;
Vorinstanzen:
BayObLG, vom 03.03.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 4 St RR 008/04
LG München I, vom 31.03.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 301 Js 32338/02

Grenzen der Auslegung von Straftatbeständen durch die Gerichte

BVerfG, Beschluß vom 26.10.2005 - Aktenzeichen 2 BvR 720/04

DRsp Nr. 2005/20917

Grenzen der Auslegung von Straftatbeständen durch die Gerichte

1. Die Auslegung der Strafgesetze ist Aufgabe der Strafgerichte. Notwendig ist hierfür in einer Vielzahl von Fällen auch die Interpretation nicht dem Strafrecht zuzurechnender Normen bzw. Normbestandteile, sofern sie bei sog. "Blanketttatbeständen", wie etwa § 370 AO, durch ihr "Hineinlesen" in den Straftatbestand ein strafrechtliches Verbot begründen. Erst wenn die Gerichte bei ihrer Auslegung den Wortsinn des Gesetzes als äußerste Grenze der Norminterpretation überschreiten, liegt der Rückschluss auf ein objektiv sachfremdes Handeln nahe.2. Stellt sich die strafrechtliche Würdigung eines Sachverhalts durch ein Gericht nicht selbst als sachfremd dar, so kann allein der Umstand, dass von anderer Seite die Straflosigkeit des zu prüfenden Verhaltens geltend gemacht wird, nicht zu einer Verletzung des Willkürverbots führen. Das gilt im Bereich des Steuerstrafrechts umso mehr, als der aus der Annahme einer vertretbaren Rechtsansicht resultierende Irrtum über das tatsächliche Bestehen eines Steueranspruchs als Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum gewertet wird.

Normenkette:

AO § 370 ; EStG § 22 Nr. 3 ; GG Art. 101 Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor.