BFH - Urteil vom 28.11.2023
X R 3/22
Normen:
AO § 145 Abs. 2; AO § 158; AO § 162 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1 S. 2; AO § 162 Abs. 2 S. 2; EStG § 4 Abs. 3; EStG § 11 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1;
Fundstellen:
BB 2024, 853
DStR 2024, 860
StX 2024, 231
NWB 2024, 1150
StuB 2024, 327
Vorinstanzen:
FG Niedersachsen, vom 13.04.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 12 K 93/18

Zulässigkeit der Vollschätzung unter vollständiger Verwerfung der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen bei festgestellten gravierenden Mängeln wie z.B. Manipulierbarkeit

BFH, Urteil vom 28.11.2023 - Aktenzeichen X R 3/22

DRsp Nr. 2024/4776

Zulässigkeit der Vollschätzung unter vollständiger Verwerfung der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen bei festgestellten gravierenden Mängeln wie z.B. Manipulierbarkeit

1. Zur Begründung einer Schätzungsbefugnis dem Grunde und der Höhe nach darf der Tatrichter sich nicht mit der bloßen Benennung formeller oder materieller Mängel begnügen, sondern muss diese auch nach dem Maß ihrer Bedeutung für den konkreten Einzelfall gewichten. 2. Eine Vollschätzung unter vollständiger Verwerfung der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen ist nur zulässig, wenn die festgestellten Mängel gravierend sind. 3. Die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems stellt grundsätzlich einen formellen Mangel von hohem Gewicht dar, da in einem solchen Fall systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist. 4. Das Gewicht dieses Mangels kann sich in Anwendung des Verhältnismäßigkeits- und Vertrauensschutzgrundsatzes im Einzelfall auf ein geringeres Maß reduzieren. Das gilt insbesondere dann, wenn das Kassensystem zur Zeit seiner Nutzung verbreitet und allgemein akzeptiert war und eine tatsächliche Manipulation unwahrscheinlich ist.