BVerfG - Beschluss vom 21.03.2022
1 BvR 2650/19
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1; BVerfGG § 93c Abs. 1 S. 1; RVG § 14 Abs. 1; RVG § 37 Abs. 2 S. 2; StGB § 185;
Fundstellen:
NJW 2022, 1931
NVwZ-RR 2022, 561
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, vom 18.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1000 Js 32243/14
OLG Frankfurt/Main, vom 11.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ss 296/19

Strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung unter verfehlter Bejahung von Schmähkritik; Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen

BVerfG, Beschluss vom 21.03.2022 - Aktenzeichen 1 BvR 2650/19

DRsp Nr. 2022/7606

Strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung unter verfehlter Bejahung von Schmähkritik; Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen

1. Der Umstand, dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.2. Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikerinnen und Politikern sind weiter zu ziehen als bei Privatpersonen.3. Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn ist erst dann gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht.

Tenor

1.

Das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juni 2019 - 1000 Js 32243/14 - 7 Ns - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Oktober 2019 - 2 Ss 296/19 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2.

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen.

3.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

4.