BVerfG - Beschluss vom 19.05.2022
2 BvR 1110/21
Normen:
BVerfGG § 93c Abs. 1 S. 1; Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 3 Nr. 2; Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 4 Nr. 3; EUV Art. 3 Abs. 2; GRCh Art. 50; IRG § 83 Abs. 1 Nr. 1; IRG § 83b Abs. 1 Nr. 2; RVG § 14 Abs. 1; RVG § 37 Abs. 2; SDÜ (Schengen II) Art. 54; StPO § 154;
Fundstellen:
wistra 2022, 376
Vorinstanzen:
OLG Dresden, vom 10.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen Ausl 209/18
OLG Dresden, vom 30.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen Ausl 209/18
OLG Dresden, vom 06.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen A 209/18

Zulässigerklärung einer Überstellung zur Strafverfolgung an die Tschechische Republik trotz Strafklageverbrauchs infolge einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft; Verletzung des Grundsatzes des Doppelbestrafungsverbotes

BVerfG, Beschluss vom 19.05.2022 - Aktenzeichen 2 BvR 1110/21

DRsp Nr. 2022/9578

Zulässigerklärung einer Überstellung zur Strafverfolgung an die Tschechische Republik trotz Strafklageverbrauchs infolge einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft; Verletzung des Grundsatzes des Doppelbestrafungsverbotes

Der Begriff einer rechtskräftigen Verurteilung beziehungsweise eines rechtskräftigen Freispruchs nach Art. 50 GRCh in Verbindung mit Art. 54 SDÜ umfasst nicht nur richterliche Strafurteile oder Freisprüche, sondern kann auch staatsanwaltliche Einstellungsentscheidungen betreffen, die das nationale Ermittlungsverfahren endgültig abschließen.

Tenor

1.

Der Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Dresden vom 6. Mai 2020 - 12 Ausl A 209/18 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. März 2021 - OLG Ausl 209/18 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; sie werden aufgehoben.

2.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. Juni 2021 - OLG Ausl 209/18 - wird damit gegenstandslos.

3.

Die Sache wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.

4.

Der Freistaat Sachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

5.