Stand: 10.12.1999
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Zu § 18 Abs. 1 bis 7 UStG (§§ 46 bis 50 UStDV)

232 UStR2000 Durchführung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen

232 Durchführung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen

UStR2000 ( Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 )

(1) 1Unabhängig von dem Turnus der allgemeinen Betriebsprüfung sind zeitnahe Umsatzsteuer-Sonderprüfungen vorzunehmen. 2Da die Anrechnung und die Erstattung der Vorsteuern bereits im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren erfolgt, kann mit der Prüfung zweifelhafter Fälle nicht bis zur Berechnung/Festsetzung der Jahresumsatzsteuer oder bis zur Durchführung einer Betriebsprüfung gewartet werden. Kriterien für Umsatzsteuer-Sonderprüfungen (2) Als Kriterien, die Veranlassung für die Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sein können bzw. bei der Durchführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu beachten sind, kommen insbesondere in Betracht: 1. Vorsteuerabzug a) ungewöhnlich hohe Vorsteuerbeträge, b) Vorsteuerabzug bei Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze mit Vorsteuerabzug (in Zweifelsfällen Fertigung von Kontrollmitteilungen für das Finanzamt des leistenden Unternehmers), c) ungeklärte Vorsteuerdifferenzen, branchen-/unternehmensatypische und/oder ungeklärte vorsteuerbelastete Leistungsbezüge, d) Vorsteuerausschluß/-aufteilung (insbesondere bei innergemeinschaftlichen Erwerben, bei der Anschaffung von bebauten Grundstücken und bei der Herstellung von Gebäuden), e) Rechnungen von Scheinfirmen, f) Vorsteuerabzug aus dem Erwerb neuer Fahrzeuge durch Unternehmer (Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich/Fahrzeugeinzelbesteuerung); 2. Vorsteuerberichtigungen nach § 15 a UStG a) Grundstücksveräußerungen und -entnahmen, b) Änderung des Verwendungsschlüssels bei gemischtgenutzten Grundstücken und bei beweglichen Wirtschaftsgütern; 3. Neugründung von Unternehmen a) Unternehmereigenschaft, insbesondere bei Personen, die nach Vorbereitungshandlungen keine Umsätze tätigen, und bei Vorsteuererschleichungen durch Scheinunternehmer, b) Vorsteuerüberschüsse im zeitlichen Zusammenhang mit der Neugründung, c) Verträge zwischen nahestehenden Personen (z. B. Gestaltungsmißbrauch bei Vermietung, Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage), d) Vermietung von Freizeitgegenständen (z. B. Wohnmobile, Segelschiffe); 4. Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen für Umsätze mit/ohne Vorsteuerabzug a) Umsätze nach § 4 Nr. 1 bis 7 UStG, bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auch Abgleich Steueranmeldung/ZM - ggf. Veranlassung von Berichtigungen nach § 18 a Abs. 7 UStG, Rechnungsausstellung nach § 14 a UStG und Erklärungspflichten nach § 18 b UStG, b) Innergemeinschaftliche Erwerbe, c) Umsätze unter Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiungen nach dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, dem Offshore-Steuerabkommen sowie dem Ergänzungsabkommen zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere, d) Berechtigung zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 8 ff. UStG; 5. Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs a) Erwerbe durch Unternehmer, bei denen der Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausgeschlossen ist (auch Abgleich Steuererklärung für das Kalenderjahr/gemeldete Lieferungen aus anderen EG-Mitgliedstaaten), b) Erwerbe durch Unternehmer im Sinne des § 18 Abs. 4 a UStG, die zwar eine USt-IdNr. beantragt, aber keine innergemeinschaftlichen Erwerbe angemeldet haben, c) Erwerb neuer Fahrzeuge durch Unternehmer (Abgrenzung zum nichtunternehmerischen Bereich/Fahrzeugeinzelbesteuerung); 6. Berechtigung zur Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 UStG 7. Versendungsumsätze nach § 3 c UStG a) Ort der Lieferung, Rechnungsausstellung (§ 14 a Abs. 1 Satz 2 UStG), b) Fertigung von Kontrollmitteilungen für andere EG-Mitgliedstaaten, wenn Versendungsumsätze dort steuerbar sind (Überschreiten der jeweiligen Lieferschwelle, Option oder Versendung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren); 8. Leistungsort in besonderen Fällen a) innergemeinschaftliche Beförderungen von Gegenständen und damit zusammenhängende sonstige Leistungen (§ 3 b Abs. 3 bis 6 UStG), b) Vermittlungsumsätze, c) Lieferungen während einer Personenbeförderung nach § 3 e UStG; 9. zeitgerechte Besteuerung der Umsätze a) Zahlung des Entgelts oder eines Teilentgelts vor Ausführung der Leistung (insbesondere in der Bauwirtschaft und bei Versorgungsunternehmen), b) erhebliche Abweichungen bei Umsätzen und Vorsteuern zwischen Steuererklärungen für das Kalenderjahr und Voranmeldungen oder bei Abgabe berichtigter Voranmeldungen; 10. Insolvenzfälle a) Zwangsverwaltung von Grundstücken (Zuordnung der Umsätze, Umfang der Option, Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung gemäß § 15 a UStG), b) vorläufige Insolvenzverwaltung (insbesondere bei Zweifeln, ob Lieferungen während der vorläufigen Insolvenzverwaltung oder erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden sind), c) Insolvenzverfahren (insbesondere Verwertung der Insolvenzmasse, Erfüllung steuerlicher Pflichten durch den Insolvenzverwalter, bei Gesellschaften: Schlechterstellung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens - Haftung des Geschäftsführers -); 11. Durchführung des Abzugsverfahrens 12. juristische Personen a) Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (insbesondere Abgrenzung des Unternehmensbereiches vom hoheitlichen Bereich), b) Vereine (insbesondere Abgrenzung des ideellen vom unternehmerischen Bereich). (3) Die Kriterien für die Veranlassung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bilden auch die Grundlage für die in den automatisierten Verfahren zur Bearbeitung der Voranmeldungen (UVV-Verfahren) und zur Berechnung/Festsetzung der Jahresumsatzsteuer (USt-Verfahren) enthaltenen Plausibilitätsprüfungen zur Auswahl der zu prüfenden Fälle. Vorbereitung und Durchführung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen (4) 1Im automatisierten UVV-Verfahren und im automatisierten USt-Verfahren werden Hinweise ausgegeben, die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen anregen. 2Diese Hinweise und andere Sachverhalte sind bei der Bearbeitung von Voranmeldungen, Steuererklärungen für das Kalenderjahr und Kontrollmitteilungen auszuwerten. 3Können bestehende Zweifel nicht zunächst mit den Mitteln des Innendienstes ausgeräumt werden, ist unverzüglich eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durchzuführen. (5) 1Bei der Durchführung von Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sind die §§ 5 bis 12, 20 bis 24, 29 und 30 der Betriebsprüfungsordnung (BpO) mit Ausnahme des § 5 Abs. 4 Satz 2 BpO anzuwenden (§ 1 Abs. 2 BpO). 2Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist auf das Wesentliche abzustellen, und ihre Dauer ist auf das notwendige Maß zu beschränken. 3Sie hat sich in erster Linie auf solche Sachverhalte zu erstrecken, die zu endgültigen Steuerausfällen, zu unberechtigten Steuererstattungen/-vergütungen oder zu nicht unbedeutenden Umsatzverlagerungen führen können. (6) 1Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung sollte sich im Interesse einer zeitnahen Prüfung in der Regel nur auf einzelne Voranmeldungszeiträume erstrecken. 2Sie sollte auf bestimmte Sachverhalte und ggf. auf bestimmte Besteuerungszeiträume beschränkt werden. 3Bezieht sich die Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf einzelne Voranmeldungszeiträume, bleibt der Vorbehalt der Nachprüfung auch nach einer Änderung der Steueranmeldung bestehen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO); § 173 Abs. 2 AO steht deshalb einer weiteren Änderung der Steueranmeldung nicht entgegen. (7) 1Wenn die Grundlage für eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ausnahmsweise eine Steuererklärung für das Kalenderjahr ist, ist in der Prüfungsanordnung genau anzugeben, ob die Prüfung auf bestimmte Sachverhalte beschränkt ist und ggf. auf welche Sachverhalte. 2Bei einer auf bestimmte Sachverhalte beschränkten Prüfung kann der Vorbehalt der Nachprüfung auch nach Auswertung der Prüfungsfeststellungen bestehen bleiben; die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO tritt in diesem Fall nicht ein. 3Der Vorbehalt der Nachprüfung ist hingegen - unabhängig vom tatsächlichen Prüfungsumfang - aufzuheben, wenn die Prüfungsanordnung keine Beschränkung auf bestimmte Sachverhalte enthielt; in diesem Fall ist die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO zu beachten. (8) 1Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung darf sich nicht auf eine formelle Prüfung der Buchführung sowie der buch- und belegmäßigen Nachweise beschränken. 2Es ist regelmäßig auch zu prüfen, ob der Unternehmer seine Geschäfte tatsächlich in der von ihm dargestellten Weise abgewickelt hat. (9) 1Zur Prüfung ungerechtfertigter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ist die Liste der Scheinunternehmen heranzuziehen. 2Die Bezeichnung "Scheinunternehmen" steht als Sammelbegriff für eine Vielzahl von Sachverhalten, in denen der Vorsteuerabzug aus verschiedenen Gründen nicht gegeben ist, z. B. wegen - fehlender Unternehmereigenschaft des Leistenden, - Erteilung von Rechnungen ohne Leistung, - Mängel des Abrechnungspapiers: fehlende Identifizierbarkeit des angeblich Leistenden (Name, Anschrift). 3Anhand der Erkenntnisse aus der Prüfung des den Vorsteuerabzug Begehrenden und des Kontrollmaterials über das Scheinunternehmen ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG vorliegen. 4Eine pauschale Begründung der Versagung des Vorsteuerabzugs durch den Hinweis, es handele sich - lt. Liste - um ein Scheinunternehmen, genügt nicht. (10) 1Die Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) kann häufig nicht ohne Mitwirkung des Finanzamts geprüft werden, das für die Umsatzbesteuerung des Rechnungsausstellers/Gutschriftempfängers zuständig ist. 2Zur Vorbeugung bzw. Aufdeckung von Steuermanipulationen sind deshalb Auskunftsersuchen an die für die leistenden Unternehmer zuständigen Finanzämter nach Vordruck USt 1 KM zu richten und ggf. Kontrollmitteilungen zu fertigen. (11) Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sind die gemeinschaftsrechtlichen Informationsmöglichkeiten für die zwischenstaatliche Amtshilfe im Besteuerungsverfahren zu nutzen (Informationen gemäß Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 des Rates vom 27. 1. 1992 - Zusammenarbeits-VO - und Einzelauskunftsersuchen gemäß Art. 5 dieser Verordnung). (12) Zur Vorbeugung von Verlusten beim Steueraufkommen und zu dessen Sicherung überhaupt sind Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei Prüfungsanlässen auch dann durchzuführen, wenn die Prüfung der Umsatzsteuer im Einzelfall kein Mehrergebnis erwarten läßt.