I. Die beteiligten Eltern und das Kind, Zoubeir, sind tunesische Staatsangehörige. Sie leben seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland; Z. ist hier im Jahre 1978 geboren. Die Ehe der Eltern ist inzwischen in Tunesien geschieden worden. In dem dortigen Ehescheidungsverfahren hat das Eingangsgericht das Sorgerecht der Mutter (jetzige Antragstellerin) übertragen. Auf die Teilberufung des Vaters (jetziger Antragsgegner) hat ihr jedoch das Berufungsgericht Tunis durch Urteil vom 22. April 1982 das Sorgerecht entzogen und es dem Vater zugesprochen.
Die Mutter hat beantragt, die elterliche Sorge ihr zu übertragen. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat so entschieden. Die Beschwerde des Vaters ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde hält der Vater daran fest, daß die Sorgerechtsentscheidung des Berufungsgerichts Tunis vom 22. April 1982 maßgeblich sei und dem recht verstandenen Wohl des Kindes entspreche.
II. Die weitere Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die deutschen Gerichte sind für die hier zu treffende Entscheidung international zuständig. Dies folgt aus dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit von Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen - MSA - (BGBl. 1971 II S. 217, 1150). Das Übereinkommen findet nach seinem Art. 13 Abs. 1 Anwendung, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, welche zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens gehört. Daß Tunesien nicht zu den Vertragsstaaten zählt, ist unerheblich (vgl. insoweit BGH Urteile vom 31. Januar 1973 - IV ZR 67/71 - FamRZ 1973, 185; vom 5. Februar 1975 - IV ZR 103/73 - NJW 1975, 1068; vom 24. Januar 1978 - VI ZR 95/75 - VersR 1978, 346, 347; Senatsurteil vom 15. Januar 1986 - IVb ZR 75/84 - zur Veröffentlichung bestimmt). Gemäß Art. 1 MSA sind die Gerichte des Aufenthaltsstaates des Minderjährigen für Maßnahmen zum Schutz einer Person (und seines Vermögens) zuständig. Schutzmaßnahmen in diesem Sinne sind auch die Entscheidungen zum Sorgerecht. Art. 3 MSA, demzufolge ein Gewaltverhältnis anzuerkennen ist, das nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem der Minderjährige angehört, kraft Gesetzes besteht (sog. ex-lege-Gewaltverhältnis), schließt hier die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus, weil auch nach tunesischem Recht ein richterlicher Eingriff in die Rechtsstellung des Vaters, wie er nach deutschem Recht bei Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter eintritt, nicht ausgeschlossen ist (s. zu alledem näher Senatsbeschluß vom 11. April 1984 - IVb ZB 96/82 - FamRZ 1984, 686, 687).
2. a) Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, daß mit dem Urteil des Berufungsgerichts Tunis vom 22. April 1982 bereits eine Sorgerechtsregelung vorliegt. Ist sie anzuerkennen, hat das lediglich zur Folge, daß eine inhaltlich übereinstimmende Sachentscheidung ergehen muß (s. BGH Urteil vom 20. März 1964 - V ZR 34/72 - NJW 1964, 1626; Senatsurteil vom 9. April 1986 - IVb ZR 28/85 - zur Veröffentlichung bestimmt), soweit nicht, nachdem hier deutsches Sachrecht anzuwenden ist (s. unten 4 a), unter den Voraussetzungen des §
b) Ebensowenig hindert es eine Sachentscheidung, daß die Mutter auch vor dem Gericht in Tunis beantragt hat, das Sorgerecht in Abänderung der Entscheidung vom 22. April 1982 auf sie zu übertragen. Insoweit mag dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei überschneidender Anrufung eines in- und eines ausländischen Gerichts dem Verfahren vor dem später angegangenen Gericht der Einwand der anderweitigen Gerichtshängigkeit entgegensteht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 11. Aufl., § 31 Rdn. 25). Denn hier hat die Mutter das tunesische Gericht erst angerufen, als das vorliegende Verfahren bereits anhängig war. Dem Einwand der anderweitigen Gerichtshängigkeit ist - oder war - deshalb allenfalls das tunesische, nicht jedoch das deutsche Verfahren ausgesetzt.
c) Eine Sachentscheidung ist auch dann nicht verwehrt, wenn der von der Mutter vor dem Gericht in Tunis gestellte Änderungsantrag inzwischen, wie es der Vater behauptet, unter dem 23. Januar 1984 zurückgewiesen worden und diese Entscheidung nach tunesischem Recht bestandskräftig geworden ist.
aa) In Sorgerechtssachen ist für den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache ("res iudicata") kein Raum. Die Fürsorge gegenüber dem Minderjährigen hat stets Vorrang vor der Endgültigkeit einer einmal getroffenen Entscheidung. Sorgerechtsentscheidungen sind daher der materiellen Rechtskraft nicht fähig (BGHZ 64, 19, 29; KG FamRZ 1977, 65; Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 31 Rdn. 21).
bb) Davon abgesehen hätte eine Zurückweisung des neuerlichen Antrages der Mutter durch das Gericht in Tunis im Ergebnis die Sorgerechtsregelung des Berufungsgerichts Tunis vom 22. April 1982 bestehen gelassen. In dem vorliegenden Verfahren kommt es daher allein darauf an, ob diese (positive) tunesische Sorgerechtsregelung einer deutschen Sachentscheidung entgegensteht. Das ist jedoch, wie dargelegt (s. oben zu a), nicht der Fall. Entsprechendes würde gelten, wenn man die eine Änderung der Sorgerechtsregelung ablehnende tunesische Entscheidung ihrerseits als anerkennungsfähig ansähe.
3. Die weitere Beschwerde rügt ohne Erfolg, daß Z. weder in erster Instanz noch vor dem Oberlandesgericht angehört worden ist. Darin liegt nach Lage des Falles kein zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nötigender Verfahrensfehler. Zwar hat das Gericht nach §
4. Auch in der Sache selbst hält die angefochtene Entscheidung der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Gemäß Art. 2 MSA gilt deutsches Sachrecht. Auch in diesem Zusammenhang wirkt sich der Vorbehalt des Art. 3 MSA nicht aus. Ebenso wie der internationalen Zuständigkeit setzt Art. 3 MSA auch der Anwendung des materiellen Rechts des Aufenthaltsstaates des Kindes nur insoweit eine Grenze, wie dem Richter ein vergleichbarer Eingriff nach dem für das Gewaltverhältnis maßgeblichen Recht verwehrt ist. Das ist jedoch in dem hier in Frage stehenden Zusammenhange nach tunesischem Recht nicht der Fall (vgl. auch insoweit Senatsbeschluß vom 11. April 1984 aaO).
b) Nach deutschem Recht ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob hier - so die Betrachtungsweise des Oberlandesgerichts - mangels Anerkennungsfähigkeit der Sorgerechtsentscheidung des Berufungsgerichts Tunis vom 22. April 1982 eine erstmalige Sorgerechtsregelung nach §
aa) Nach §
Gemäß §
Soweit der Vater kurz vor Abschluß des Erstbeschwerdeverfahrens noch behauptet hat, daß sich der neue Freund der Mutter, gleichfalls Tunesier, nackt vor dem Kind gezeigt und in dessen Gegenwart obszöne Redensarten geführt habe, hat das Oberlandesgericht diesen Vortrag, seine Richtigkeit unterstellend, in seine Entscheidung einbezogen und gemeint: Die Erziehungseignung der Mutter werde durch derartiges allenfalls in Frage gestellt, wenn sie es zulasse, d.h. nicht unterbinde. Dafür, daß sie in ihren Pflichten gegenüber dem Kind versage, bestünden aber angesichts der durch die Jugendamtsberichte belegten guten Entwicklung des Kindes keine Anhaltspunkte. Auch insoweit ist die Abwägung des Oberlandesgerichts nicht rechtsfehlerhaft und bleibt im Rahmen des tatrichterlichen Verantwortungsspielraums.
Der weitere Hinweis des Vaters, daß die Ehe wegen Ehebruchs der Mutter geschieden worden und diese deswegen in Tunesien strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sei, vermag ebenfalls eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Nach deutscher Rechtsauffassung kann ein Ehegatte, dem im Verhältnis zu seinem Ehepartner eheliches Fehlverhalten zur Last fällt, gleichwohl zur Erziehung und Betreuung eines Kindes geeignet sein. Die früher auch in Deutschland geltende Regelung, wonach die elterliche Gewalt im Zweifel dem an der Scheidung schuldlosen Elternteil zu übertragen war (§
Der erst im Verlaufe des Verfahrens der weiteren Beschwerde erfolgte Vortrag des Vaters, daß die Mutter Z. mittlerweile aus der deutsch-islamischen Schule genommen und in eine deutsche Grundschule gegeben habe, kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. allgemein Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 27 Rdn. 42, 43; BayObLG FamRZ 1976, 38, 39). Es bedarf daher keiner Stellungnahme, ob dieses Vorbringen überhaupt geeignet wäre, die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter in Frage zu stellen.
bb) Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter unterliegt aber auch dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn man die Sorgerechtsentscheidung des Berufungsgerichts Tunis vom 22. April 1982 als an sich anerkennungsfähig ansieht. Sie wäre dann nach deutschem Recht gemäß §
c) Auch die von dem Vater ins Feld geführte weitere tunesische Entscheidung, durch die Anfang 1982 eine Änderung der Sorgerechtsregelung vom 22. April 1984 abgelehnt worden sein soll, vermag am Ergebnis nichts zu ändern. Für den Fall, daß diese Entscheidung anzuerkennen wäre, wäre sie ihrerseits der Änderung nach §
5. Nach alledem bleiben die Angriffe der weiteren Beschwerde ohne Erfolg. Das Rechtsmittel war daher mit der Kostenfolge aus §