BVerfG - Beschluss vom 18.08.2021
2 BvR 908/21
Normen:
GRCh Art. 4; IRG § 32; MRK Art. 3; EGRaBes 584/2002 Art. 15 Abs. 2; EGRaBes 584/2002 Art. 17;
Fundstellen:
NJW 2021, 3176
NStZ-RR 2021, 386
Vorinstanzen:
SchlHOLG, vom 01.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ausl(A) 53/17 (54/17)
SchlHOLG, vom 15.04.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ausl(A) 53/17 (54/17)

Berücksichtigung der Haftbedingungen im Zielstaat einer Auslieferung (hier: Rumänien)

BVerfG, Beschluss vom 18.08.2021 - Aktenzeichen 2 BvR 908/21

DRsp Nr. 2021/13769

Berücksichtigung der Haftbedingungen im Zielstaat einer Auslieferung (hier: Rumänien)

1. Aus Art. 4 GRCh folgt die Pflicht, im Einzelfall zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob dieses Grundrecht des zu Überstellenden gewahrt ist.2. Der Umstand, dass der einem Inhaftierten zur Verfügung stehende Raum in einer Gemeinschaftszelle unter 3 m² liegt, beinhaltet eine starke Vermutung für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh beziehungsweise Art. 3 EMRK.3. Verfügt ein Gefangener in einer Gemeinschaftszelle über einen persönlichen Raum, der zwischen 3 m² und 4 m² beträgt, kann ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh beziehungsweise Art. 3 EMRK vorliegen, wenn zu dem Raummangel weitere defizitäre Haftbedingungen hinzutreten, wie etwa fehlender Zugang zum Freistundenhof beziehungsweise zu Frischluft und Tageslicht, schlechte Belüftung, eine zu niedrige oder zu hohe Raumtemperatur, fehlende Intimsphäre in den Toiletten oder schlechte Sanitär- und Hygienebedingungen.

Tenor

1.

Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 15. April 2021 - 1 Ausl (A) 53/17 (54/17), 1 Ausl (A) 53/17 (6/18) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, soweit die Auslieferung für zulässig erklärt wurde; er wird in diesem Umfang aufgehoben.

2. 3. 4. 5.