Problem

Autor: Diplom-Finanzwirt Dieter Spangenberg

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG ist die Einfuhr von Gegenständen im Inland steuerbar. Eine steuerbare Einfuhr liegt aber nicht schon dann vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland verbracht wird. Dieser Vorgang erfüllt nur dann umsatzsteuerlich den Tatbestand einer steuerbaren Einfuhr gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, wenn neben dem Gelangen des Gegenstands aus dem Drittland in das Inland dieser Vorgang auch der Besteuerung unterliegt, also grundsätzlich Einfuhrumsatzsteuer auslöst.

Diese Definition hat der Gesetzgeber aufgrund der zollrechtlichen Besonderheit der Nichterhebungsverfahren (z.B. vorübergehende Verwendung, Durchfuhr im Rahmen des Versandverfahrens) für erforderlich gehalten. Soweit die Ware zwar körperlich vom Drittland in das Inland gelangt, sich aber hier in einem sogenannten Nichterhebungsverfahren befindet, ist die Ware zwar körperlich vom Drittland in das Inland verbracht worden, sie löst aber noch keine Einfuhrumsatzsteuerschuld aus. Es liegt noch keine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor. In diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung von Unionswaren und Nicht-Unionswaren vorzunehmen. Erst mit der Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr wird der Tatbestand der umsatzsteuerrechtlichen Einfuhr verwirklicht. Zur Behandlung der in einer Freihandelszone gelagerten Gegenstände vgl. EuGH, Urteil vom 01.06.2017 - Rs. C-571/15, Wallenborn Transports SA.

Die Einfuhrumsatzsteuer entsteht somit in den Fällen der Nichterhebungsverfahren erst mit der Beendigung dieser Verfahren, d.h. mit der Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr im Gemeinschaftsgebiet.

Die Notwendigkeit dieser gesetzlichen Definition war seinerzeit nicht unumstritten. Sie dürfte aber zumindest in zahlreichen Anwendungsfällen den Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer erleichtern. Der Gesetzgeber änderte nämlich gleichzeitig mit der Neudefinition des Tatbestands Einfuhr den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zum Vorsteuerabzug.

Hinsichtlich des Abzugs der EUSt als Vorsteuer ist zu beachten, dass bei richtlinienkonformer Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die Einfuhr für das Unternehmen eine Verwendung des eingeführten Gegenstands für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers erfordert. Damit wird vorausgesetzt, dass er den Gegenstand selbst und damit dessen Wert für besteuerte Umsätze verwendet. Werden in Bezug auf den eingeführten Gegenstand jedoch nur Verzollungs- oder Beförderungsdienstleistungen erbracht, steht dem Unternehmer kein Abzugsrecht zu (BFH, Beschl. v. 20.07.2023 - V R 13/21).

Im Rahmen der Anpassung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG an die zollrechtlichen Vorgaben wurde eine Sonderregelung für die Fälle geschaffen, in denen der Gegenstand zwar in das Inland gelangt, aber sich zunächst noch in einem Nichterhebungsverfahren befindet. Wird der Gegenstand innerhalb dieses Nichterhebungsverfahrens oder aus dem Nichterhebungsverfahren geliefert und erst anschließend in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt, erfolgt vor der Einfuhr eine steuerbare Lieferung. Diese Lieferung ist nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei, da ansonsten eine zweifache Besteuerung desselben Vorgangs erfolgen würde. Voraussetzung ist, dass der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung eingeführt haben muss, also zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr hat abfertigen lassen. Für den einführenden Unternehmer ergibt sich daraus ein Wahlrecht:

Abfertigung des Gegenstands bei der räumlichen Verbringung vom Drittland ins Inland zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, oder

Unterwerfung des in das Inland verbrachten Gegenstands unter ein Zollverfahren.

Die Befreiung entfällt jedoch für den Fall, dass der Lieferer oder dessen Beauftragter den Gegenstand einführt, da ansonsten ein unversteuerter Letztverbrauch in den Fällen, in denen der Abnehmer nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, eintreten könnte.